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Glückliches Ende für die Minimalisten

Mannheim. Sieben Sekunden vor Schluss schnappte sich Patrick Groetzki den Ball, schaute nach links, schaute nach rechts und gab dann Vollgas, rannte so schnell er konnte. Zwei Wimpernschläge später schepperte es, krachte es im Tor von Hannover-Burgdorf: Groetzki traf, ballte die Fäuste, erzielte den Siegtreffer zum 27:26 (16:18) gegen das Kellerkind. Er war der Held in einem Spiel, das eigentlich keinen Helden verdient hatte. Zumindest keinen, der ein Löwen-Trikot trug. Ein Trauerspiel war’s, was die Gelbhemden in der SAP Arena ablieferten. „Diese Punkte waren ein Geschenk, ganz glücklich“, pustete Trainer Ola Lindgren tief durch.

Thorsten Storm nickte. Im Löwen-Chef brodelte es: Seine Mundwinkel zeigten in Richtung Hallenboden, die Arme verschränkte er demonstrativ vor der Brust. Der Manager wirkte wie ein Vulkan – unmittelbar vor dem Ausbruch. Er war bedient, restlos: „Es ist unsere schlechteste Saisonleistung gewesen. Manch einer unserer Spieler muss sich glaube ich einmal überlegen, für welchen Verein er spielt …“

Nachvollziehbar ist seine Kritik. Denn Normalform erreichte diesmal eigentlich nur einer: Henning Fritz. Der „Hexer“, der Altmeister zwischen den Pfosten, hielt die Löwen im Spiel. Nur er. Der 35-Jährige entschärfte an die zwanzig Topchancen der Gäste. Storm hatte es registriert, freuen konnte er sich darüber aber nur bedingt: „Es ist schon bitter, dass du gegen solch einen Gegner einen Fritz in Topform brauchst und dazu jede Menge Dusel, um am Ende zu gewinnen“, analysierte Storm zähneknirschend.

Erschreckend schwach präsentierten sich diesmal die Halblinken. Sowohl Karol Bielecki als auch Siarhei Harbok waren Fremdkörper, standen völlig neben sich. Vor allem Bielecki, der baumlange Rückraum-Ballermann, konnte einem fast schon leid tun. Der Pole produzierte Fehler am Fließband, demonstrierte Kreisklasse statt Weltklasse. Storm nahm ihn dennoch in Schutz. Er sagte: „Karol hat zuletzt viele gute Spiele für uns gemacht.“ Michael Müller und Harbok kommen hingegen nicht ganz so gut weg: „Von ihnen erwarte ich mir so langsam mal ein Signal, dass sie uns helfen, wenn andere einen schlechten Tag haben.“ Müller steht nach wie vor im Schatten von Olafur Stefansson. An ihm kommt er nicht vorbei, verkrampft sobald er auf der „Platte“ steht. Denn dann will es Müller immer besonders gut machen, es allen zeigen. Aber Stefansson ist in dieser Mannschaft nicht zu ersetzen. Von ihm hängt alles ab. Läuft es bei ihm, läuft es bei allen. Und gestern nahm sich auch der heimliche Spielmacher der Löwen eine Auszeit: Seine Pässe kamen nicht, seine Ideen zündeten nicht.

Stefansson befand sich in einem Loch, war nicht voll bei der Sache. Auch der Isländer hatte Hannover offenbar unterschätzt. Doch wie kann das passieren, warum schwächeln die Badener immer gegen die vermeintlich Kleinen? Eine gute Frage, eine schwierige Frage. Groetzki brachte sie ins Grübeln: „Irgendwie hat uns heute vielleicht etwas die Spannung gefehlt“, pustete er tief durch, „wir waren einfach zu schläfrig.“ Eine ehrliche Antwort, die das Ganze aber nicht besser macht, eher schlimmer: Denn Professionalität ist anders. Das hat sich gestern möglicherweise auch der eine oder andere Zuschauer gedacht …

Löwen: Gensheimer 8, Prieto 2, Bielecki 2, Manojlovic 1, Gudjonsson 5, Stefansson 4/1, Klimovets 1, Groetzki 4. Hannover: Johannsen 7, Przybecki 4, Jonsson 2, Stelmokas 3, Lehnhoff 5/2, Friedrich 5 für Hannover. Zuschauer: 8.138. Stennogramm: 2:2, 4:6, 6:11, 7:12, 12:16, 16:18 (Halbzeit), 19:19, 21:20, 23:25, 25:25, 27:26 (Endstand). Rote Karte: Roggisch (46.), Müller (60.).

Von Daniel Hund

 22.03.2010