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Gudmundsson: „Bescheiden bleiben“ (RNZ)

Mannheim. Es war um kurz vor 23 Uhr, als Gudmundur Gudmundsson, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen, oben im Business-Bereich der SAP Arena ankam. Über seine linke Schulter hing ein Rucksack, den er mit seiner linken Hand fixierte. Der rechte Arm war dagegen komplett entspannt, wippte lässig hin und her. Doch das änderte sich rasch. Denn kaum bog Gudmi um die Ecke in Richtung Buffet, war Hände schütteln angesagt. Und Schulterklopfen. Alle, vom Sponsor bis hin zum Fan im Trikot, herzten ihn, gratulierten ihm. Zu einem tollen Sieg gegen Flensburg, zur vorübergehenden Tabellenführung. „Gudmi, du bist der Beste“, sagte einer. „Euch zuzuschauen, macht mittlerweile einfach Spaß“, ein anderer.

Der kleine Isländer war am späten Dienstagabend der Größte. Und das gefiel ihm. Das sah man: Grinsend, wenn auch leicht verlegen, ließ er sich feiern. Aber wer ihn kennt, der weiß: Abheben, sprich überschwänglicher Jubel, ist nicht sein Ding. Schon gar nicht jetzt, so früh in der Saison. Gudmundsson, der Mahner: „Klar ist es schön, wenn man derzeit auf die Tabelle schaut. Doch wir tun gut daran, wenn wir weiterhin bescheiden bleiben.“

Er selbst sieht sein Team nach wie vor in der Lernphase, mitten auf dem steinigen Weg zu einer absoluten Spitzenmannschaft. Das ehrt ihn. Aber anders gefragt: Ist man kein Spitzenteam, wenn man mit sieben Siegen in die Handball Bundesliga, die mit Abstand stärkste Liga der Welt, startet? „Ja, aber auch nein, weil wir eben noch viel mehr leisten können. Auch gegen Flensburg haben wir wieder ein paar unnötige Fehler gemacht“, zuckt Gudmundsson mit den Schultern.

Genug auf die Bremse getreten. Denn spätestens seit Dienstag, seit dem Flensburg-Coup steht fest: Verstecken brauchen sich diese Löwen nicht. Vor niemandem! Das Bemerkenswerte: Anders als noch in der Vorsaison, als ein Uwe Gensheimer häufig den Alleinunterhalter gab und Tore wie am Fließband erzielte, gibt es nun viele Helden: Andy Schmid, Patrick Groetzki, Alexander Petersson, Zarko Sesum, Kim Eckdahl du Rietz und „Gensel“ natürlich. Alle übernahmen in der Crunch-Time Verantwortung, versteckten sich nicht. Alle hatten nur eins im Sinn: die Entscheidung.

Gudmundsson hob dennoch einen hervor: Groetzki. „Wie Patrick sich nach solch einer schweren Knieverletzung zurückgemeldet hat, war überragend. Das verdient größten Respekt.“ Vier Treffer steuerte „Johnny“ bei. Wobei man einen Groetzki nicht nur an seinen Toren messen kann. Der 23-Jährige besitzt echte Leader-Qualitäten, ist einer, der voran geht, der emotional voll bei der Sache ist.

Torhüter Niklas Landin ist das anders. Der Däne ist die Ruhe in Person, wirkt ungemein cool. So auch gegen Flensburg, als er die Fans 41 Minuten lang mit atemberaubenden Reflexen verzauberte – ehe er unsanft ausgebremst wurde: Bei einer Abwehraktion fiel er auf seine linke Schulter. An ein Weitermachen war nicht mehr zu denken.

Viele befürchteten bereits eine schlimme Verletzung, am Mittwoch gab es dann Entwarnung. Gerissen ist im Schultergelenk nichts, „nur“ verstaucht. „Niklas wird in den nächsten zehn Tagen an der Schulter behandelt und wird auch pausieren müssen“, verrät Gudmundsson: „Wir hoffen, dass er uns spätestens im übernächsten Spiel wieder zur Verfügung stehen wird.“ Glück im Unglück also. In Sachen Zuschauerresonanz blicken die Löwen hingegen weniger glücklich drein: Gegen Flensburg kamen lediglich 6.360 Zuschauer in die SAP Arena. Wohlgemerkt zu einem echten Topspiel. Gut, die Anwurfzeit war nicht die beste. Gerade Eltern mit schulpflichtigen Kindern haben unter der Woche bei späten Spielen ein Problem. Enttäuschend war das Interesse aber trotzdem. Schließlich drehten die Gelben in den letzten Wochen Spiel für Spiel an der Werbetrommel, zelebrierten Handball auf ganz hohem Niveau.

Bleibt zu hoffen, dass der Funke in Kürze endlich überspringt. Denn verdient hätten es Groetzki und Co. allemal.