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Hendrik Pekeler: Die Giraffe mit den stahlblauen Augen

Wechsel zum THW Kiel bedeutet großen Verlust für die Rhein-Neckar Löwen / Hochemotionaler Abschied nach dem letzten Saisonspiel

Als es offiziell wurde, mit Ansage von Hallensprecher Kevin Gerwin, Dankesworten von Geschäftsführerin Jennifer Kettemann und einer Collage vom Fanclub, traf es Hendrik Pekeler mitten ins Mark. „So etwas ist mir noch nicht passiert“, sprach er ins Mikrofon und meinte damit die Tränen, die ihm im Moment des Abschieds in die Augen geschossen waren. Nach dem (vorerst) letzten Spiel im Trikot der Rhein-Neckar Löwen übermannten den 2,03 Meter großen Kreisläufer die Gefühle, von den Rängen in der SAP Arena schallte es „Einmal Löwe, immer Löwe“.

Es ist klar: Hendrik Pekeler hat tiefen Eindruck hinterlassen bei den Löwen – und die Löwen tiefen Eindruck bei Hendrik Pekeler. Dass das gebürtige Nordlicht aus familiären Gründen zum 1. Juli beim Liga-Rivalen THW Kiel einsteigt und sich schweren Herzens aus dem Rhein-Neckar-Kreis verabschiedet, ist für beide Seiten zunächst einmal schwer zu verdauen. „Ich hatte hier die erfolgreichste Zeit meiner bisherigen Karriere, sowohl was meine persönliche Entwicklung, als auch die Entwicklung des Vereins anbelangt“, sagt „Peke“. Nach seinem Wechsel vom TBV Lemgo im Sommer 2015 gewann er zwei Deutsche Meisterschaften und einmal den DHB-Pokal, dazu zweimal den Supercup. Dass er selbst maßgeblich zu diesen Erfolgen beigetragen hat, ist unbestritten. „Hendrik ist bei uns zu einem der weltbesten Kreisläufer gereift“, sagte Jennifer Kettemann bei der emotionalen Verabschiedung – und traf damit exakt den Kern der gemeinsamen Geschichte von Rhein-Neckar Löwen und Hendrik Pekeler.

„Peke macht es einem leicht“

Dass der Schlaks mit den stahlblauen Augen für die Saison 2017/18 ins All-Star-Team der DKB Handball-Bundesliga gewählt wurde – zusammen mit seinen Teamkollegen Andy Schmid und Mikael Appelgren – verwundert überhaupt nicht. In den vergangenen drei Jahren hat sich Peke kontinuierlich gesteigert, sein Spiel in Angriff und Abwehr perfektioniert, und kann sich nun, mit Mitte 20, tatsächlich zu den Besten seiner Zunft zählen. Nikolaj Jacobsen, drei Jahre sein Trainer bei den Löwen, lobte den Mann mit der Nummer 23: „Peke hat das überragend gemacht, und das in einer langen Saison, die er vorne wie hinten fast durchgespielt hat.“ Als sich Abwehrchef Gedeón Guardiola im Februar schwer verletzte und für den Rest der Runde ausfiel, übernahm der 47-fache Nationalspieler noch mehr Verantwortung, leitete erst Filip Taleski und dann Kim Ekdahl Du Rietz im Innenblock an und wurde selbst zum zentralen Abwehrmann. „Peke macht es einem leicht, er ist ein fantastischer Abwehrspieler“, lobte Ekdahl Du Rietz die Zusammenarbeit. Umgekehrt weiß Hendrik Pekeler genau, wem er den Leistungssprung zu verdanken hat.

„Mit Nikolaj Jacobsen hatte ich bei den Löwen einen der besten Trainer der Welt. Er hat mich insbesondere in der Defensive nach vorne gebracht, mir hilfreiche Tipps gegeben. Er hat mir die zu meinen Stärken passenden Mittel an die Hand gegeben – auch im Angriffsspiel“, sagt Peke. Zudem habe der Däne die 5:1-Abwehrformation quasi neu erfunden, mit Pekeler auf der Spitze. Andy Schmid taufte den langen Lulatsch als Störfaktor vor der Defensivreihe liebevoll „Giraffe“, die gegnerischen Rückraumspieler dürften das weniger lustig gefunden haben. „Niko hat mir beigebracht, wie ich zu stehen habe, wann ich vorne bleiben und wann ich mich zurückfallen lassen soll. Die Variabilität in der Abwehr“, ist sich Hendrik Pekeler sicher, „war der Schlüssel zu unserem Erfolg.“ Apropos Erfolg. Als jenen Moment, der den tiefsten Eindruck bei ihm hinterlassen hat, bezeichnet der gebürtige Itzehoer ausgerechnet einen Sieg über seinen zukünftigen Klub. Nie wieder habe er eine bessere Stimmung in der SAP Arena erlebt als in jenem Augenblick, in dem die Löwen Ende Mai 2017 den THW Kiel bezwangen und sich damit zum zweiten Mal in Folge zum Meister krönten.

Besondere Beziehung zu Andy Schmid

Neben Coach Jacobsen verbindet Hendrik Pekeler eine besondere Beziehung mit Andy Schmid. Der Löwen-Spielmacher und sein Kreisläufer wurden als Einheit von Jahr zu Jahr stärker. In der abgelaufenen Saison wurden die traumwandlerisch sicheren Anspiele – teils ohne Augenkontakt – fast schon so etwas wie Kulturgut. „Andy und ich haben viel Zeit miteinander verbracht, haben viel gesprochen und Spielzüge einstudiert. Dennoch war am Ende Vieles auch situationsbedingt und ich habe mehr und mehr gelernt, zu deuten, wann der Pass von ihm kommen könnte“, sagt Peke. Die Harmonie auf dem Feld zwischen den beiden sei schon etwas Besonderes gewesen, ergänzt Hendrik Pekeler, der sich in Zukunft an neue „Spielkameraden“ gewöhnen muss. Beim THW werden die Anspiele vorrangig von Miha Zarabec und Domagoj Duvnjak kommen – ebenfalls zwei exzellente Mittelmänner. Nach einer völlig verkorksten Saison ohne Titel weiß Peke, wie hoch der Druck auf die erfolgsverwöhnten Zebras werden wird.

„In der vergangenen Runde hat die Konstanz gefehlt, da hat man zu häufig Punkte gegen die vermeintlich Kleinen liegengelassen. Das zu ändern, wird die größte Herausforderung für den Verein sein. Für mich persönlich geht es darum, mich in einem neuen Team zu etablieren und dort meinen Platz zu finden“, sagt Peke. Die Löwen-Familie wünscht ihm dabei alles Gute.