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„Henning wäre die nominelle Nummer eins“

Johannes Bitter wird von seinen Gegnern gefürchtet. Der Handball-Nationaltorwart gehört zu den Besten seiner Zunft. Heute spielt er mit dem HSV Hamburg im Bundesliga-Spitzenspiel bei den Rhein-Neckar Löwen (19.45 Uhr/SAP Arena/live im DSF). Ein Hexenkessel ist garantiert: Mehr als 10 000 Tickets wurden bereits verkauft.

Herr Bitter, der HSV Hamburg hat den THW Kiel im Supercup überraschend klar besiegt. War das schon der Machtwechsel im deutschen Handball?

Johannes Bitter: Nein, das war auf keinen Fall ein Machtwechsel. Dafür hat der THW in den vergangenen Jahren zu viele Titel gewonnen und die Bundesliga zu sehr dominiert. Aber dieser Sieg im Supercup gibt uns natürlich Selbstvertrauen für unser Ziel, endlich die Vormachtstellung des THW zu brechen.

Der Erfolgsdruck ist in Hamburg immens hoch und das gesamte Umfeld extrem sensibel. Wie gehen Sie damit um?

Bitter: In einer Stadt wie Hamburg muss man im Spitzensport einfach Erfolge vorweisen. Das ist wichtig, vor allem auch für die Sponsoren. Wir als Mannschaft müssen damit locker umgehen, denn zu viel Druck hemmt jeden einzelnen Spieler und damit auch das Team. Wir müssen dieser Erwartungshaltung selbstbewusst begegnen: Wir wissen, dass wir eine sehr gute Mannschaft haben und Titel gewinnen können.

Wer wird deutscher Meister?

Bitter: Der THW Kiel ist der Titelverteidiger und damit auch der Favorit. Aber wir wollen – wie die Rhein-Neckar Löwen und Lemgo auch – dem THW die Meisterschaft streitig machen. Es gibt keinen großen Qualitätsunterschied zwischen diesen Mannschaften. Die Löwen, Lemgo und wir müssen aber noch das Selbstverständnis der Kieler entwickeln. Der Glaube an die eigene Stärke ist noch nicht so ausgeprägt wie beim THW.

Hamburg hat Kiel klar geschlagen und die Löwen haben gegen den THW deutlich verloren. Ein Sieg des HSV in der SAP Arena dürfte also kein Problem sein.

Bitter: Und am besten gewinnen wir noch mit rund 20 Toren Differenz, wenn man dieser Theorie glauben darf. Nein, nein, so einfach ist das natürlich nicht. Ich habe noch nie bei den Löwen gewonnen, weil immer deren Rückraumschützen fast alles getroffen und wir Torhüter wenig gehalten haben. Wenn wir das ändern, sieht es gut aus. Der Druck liegt ganz klar bei den Löwen. Die haben ein Heimspiel und schon eine Niederlage kassiert.

Der ehemalige Löwe und jetzige Hamburger Oleg Velyky kämpft gegen den Krebs. Wie erleben Sie den Menschen Velyky?

Bitter: Ich kann vor ihm nur den Hut ziehen und ihm meinen allergrößten Respekt aussprechen. Wenn ich an Krebs erkrankt wäre, könnte ich damit wahrscheinlich nicht so offensiv und positiv umgehen. Oleg ist ein echter Kämpfer und ein vollwertiges Mitglied unserer Mannschaft, auch wenn er in den vergangenen anderthalb Jahren kaum spielen konnte. Ich hoffe, dass ihm das hilft. Es ist einfach toll zu sehen, wie er gegen den Krebs kämpft. Das gibt uns allen Kraft.

Sie treffen heute auf Henning Fritz. Ist es nicht komisch, dass der Löwen-Torwart nicht mehr zur Nationalmannschaft gehört?

Bitter: Henning ist nach wie vor einer der weltbesten Torhüter. Es war auch für mich überraschend, dass Bundestrainer Heiner Brand ihn nicht mehr nominiert hat. Aber ich bin mir sicher, dass das nichts mit Hennings Leistung zu tun hatte. Der Bundestrainer will der Nationalmannschaft einfach ein junges Gesicht mit Blick auf die Olympischen Spiele 2012 geben.

Und was wäre, wenn Fritz doch wieder nominiert werden würde?

Bitter: Dann wäre Henning sofort wieder die nominelle Nummer eins.

Sie würden also freiwillig ihren Platz im Tor räumen?

Bitter: Natürlich würde ich nicht sagen, dass ich nicht mehr spielen will. Aber ich würde auch nie fordern, dass ich spielen muss. Man sollte sich von dem Gedanken verabschieden, dass es in der Nationalmannschaft einen knallharten Konkurrenzkampf unter Egoisten gibt. Wir Torhüter haben uns immer als Team gesehen, das hat uns stark gemacht und nur so konnten wir unsere Leistung bringen. Eine klare Nummer eins, zwei oder drei gibt es nicht.

Von Marc Stevermüer

18.09.2009