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Herzschlagfinale im Spitzenspiel

Löwen gewinnen 32:31 gegen den HSV Handball und marschieren weiter mit Kiel im Gleichschritt / THW nun wegen des besseren Torverhältnisses vorne

Spannung bis in die Schlusssekunde und danach: Die Rhein-Neckar Löwen haben am Sonntagabend vor 10.609 Zuschauern in der SAP Arena gegen den HSV Hamburg 32:31 (12:15) gewonnen und einen ganz, ganz wichtigen Sieg in der DKB Handball-Bundesliga gefeiert. Nach einer schlechten Angriffsleistung im ersten Abschnitt, kämpften sich die Badener im zweiten Durchgang in die Partie, steigerten sich im Angriff und gewannen die Partie durch viel Wille und Leidenschaft. Und auch ein bisschen Glück, denn der vermeintliche Hamburger Ausgleichstreffer fiel zu spät.

Die Löwen büßten durch den Kantersieg des THW Kiel in Lemgo (46:24) zwar ihre Tabellenführung wegen des um sieben Treffer schlechteren Torverhältnisses ein, bleiben drei Spieltage vor dem Ende der Saison aber im Rennen um die Meisterschaft. Und vor allem haben die Gelbhemden durch den Erfolg über die Norddeutschen einen ganz wichtigen Schritt in Richtung erneute Qualifikation für die VELUX EHF Champions League gemacht, den Tabellenvierten HSV Handball auf nun fünf Punkte distanziert.

„Wir haben viel Leidenschaft gezeigt, hatten aber in der letzten Spielszene auch das Glück des Tüchtigen“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer. Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson befand im abschließenden Pressegespräch: „Es war ein Spiel auf sehr hohem Niveau. In der ersten Halbzeit war ich mit der Angriffsleistung nicht zufrieden, wir haben unsere Linie nicht gefunden. Die zweite Halbzeit sind wir ganz anders aufgetreten. Mit mehr Leidenschaft, Wille und Aggressivität, das war ein ganz anderes Spiel von uns.“ Sein Gegenüber Martin Schwalb urteilte: „Ich bin sehr stolz auf meinen Mannschaft. Kompliment.“ Löwen-Manager Thorsten Storm erklärte: „Es war ein Spiel auf Augenhöhe, Hamburg ist eine unangenehme Mannschaft. Beide Teams hätten den Sieg verdient gehabt, unsere bessere zweite Halbzeit hat den Ausschlag gegeben.“

Es war ein Handballspiel, das es von der ersten Minute an in sich hatte: Emotionen, Kampf, viele Führungswechsel – es war eben ein Spitzenspiel. Die Löwen, bei denen Bjarte Myrhol nach überstandener Magen-Darm-Grippe wieder dabei war, drehten einen 0:1-Rückstand durch Treffer von Alexander Petersson, Bjarte Myrhol und einen Gegenstoß von Patrick Groetzki in eine 3:1-Führung (5.). Doch wer zu diesem Zeitpunkt dachte, die Löwen würden in einer stimmungsvollen SAP Arena dem aktuellen Champions-League-Sieger nun locker enteilen, der sah sich getäuscht. Eins, zwei nicht gut gespielte Angriffe, eins, zwei vergebene Möglichkeiten, eins, zwei Unachtsamkeiten in der Abwehr – und plötzlich führten die Hamburger mit 4:3 (8.).

Das hätte nicht sein müssen. Doch die Badener, die in den vergangenen Wochen viele harte Schlachten geschlagen haben, konnten nicht an die Leistung der beiden Gala-Auftritte im Bundeliga-Kracher gegen den THW Kiel und im Viertelfinal-Hinspiel in der VELUX EHF Champions League gegen den FC Barcelona anknüpfen. Vor allem im Angriff ließen die Gelbhemden zu viele Möglichkeiten aus, nach einer Viertelstunde hielt sich das Verhältnis von genutzten und verwerteten Torchancen in etwa die Waage. Zu wenig, und so führte der HSV mit 7:6 und Löwen-Trainer Gudmundsson legte die Grüne Karte für die erste Auszeit.

Dank zweier Paraden von Niklas Landin im Tor der Gastgeber hatten die Löwen beim 8:8 wieder den Ausgleich geschafft – es sollte allerdings der letzte Gleichstand für längere Zeit sein. Beim 9:11 (24.) lagen die Norddeutschen dann sogar erstmals mit zwei Treffern vorne, und auch der Anschlusstreffer von Uwe Gensheimer per Siebenmeter zum 11:12 war nur ein kurzes Aufflackern aus Löwen-Sicht. Denn zu einer ganz, ganz bitteren Angelegenheit gerieten die letzten zwei Minuten vor der Halbzeit für die Badener: Nach Zwei-Minuten-Strafen gegen die Hamburger Davor Dominikovic und Torsten Jansen spielten die Löwen über eine Minute in doppelter Unterzahl. Doch statt diese Chance zu nutzen und den Rückstand zu verkürzen, ließen die Löwen im Angriff zwei Chancen aus und, noch schlimmer, zwei Gegenstoßtreffer der Hamburger zu – so stand es plötzlich 11:15. Mryhol konnte wenigstens noch auf den 12:15-Halbzeitstand verkürzen.

Es musste besser werden. Und es wurde besser. Zwar lagen die Löwen, nachdem der HSV Handball zu Beginn der zweiten Halbzeit erneut ein Unterzahltor erzielt hatte, zumindest kurzzeitig bis zu Gensheimers Siebenmetertreffer, mit vier Toren zurück.  Doch nicht mal zwei Minuten später stand es nur noch 15:16. Kim Ekdahl Du Rietz und Petersson hatten für die Löwen getroffen, Landin dazwischen einen Ball abgewehrt. Anschließend hatten die Gastgeber sogar die Chance zum Ausgleich, verloren den Ball jedoch bei ihren Angriffsbemühungen, Hamburg zog wieder auf zwei Treffer Differenz davon (35.). Doch schon in den ersten fünf Minuten der zweiten Halbzeit war zu sehen, dass die Löwen dieses Spiel nicht verlieren wollten. Sie kämpften aufopferungsvoll – und spielten im Angriff nun auch deutlich besser als noch im ersten Durchgang. Auf Schmids 16:17 folgte Gedeon Guardiolas Ballgewinn und Peterssons Ausgleich, auf Landins Parade Gensheimers 18:17 (38.). Nach dem 18:18 agierten die Löwen in Überzahl, zogen auf 20:18, Torschützen Du Rietz und Petersson davon, doch beim 21:21 hatte der HSV wieder ausgeglichen.

Doch man merkte, die Akteure auf dem Feld in den Löwen-Trikots und die Zuschauer auf den Rängen, sie wollten dieses Spiel zusammen gewinnen. Man riss sich gegenseitig mit – die einen vor allem durch Treffer, die anderen durch lautstarke Unterstützung – wie zum Beispiel in der folgenden Unterzahl für die Löwen, als es Hamburg nur gelang, zum 24:24 auszugleichen. Und zwei Minuten später lagen die Badener dann durch Torerfolge von Du Rietz und einem Siebenmeter von Gensheimer mit 26:24 vorne – auch weil Landin in dieser Phase immer mehr zum Faktor wurde. Wie auch vor dem nächsten Löwen-Treffer, den Nikola Manojlovic erzielte (27:24/51.).

Hamburg reagierte mit einer Auszeit, die Löwen mit dem nächsten Treffer per Siebenmeter von Gensheimer. Der Vorsprung schwankte in den kommenden Minuten dann stets zwischen drei und vier Toren. Hamburg verkürzte wieder auf drei, Schmid erhöhte für die Löwen, die Norddeutschen verkürzten auf 26:29 (55.). Nach einem Fehler der Löwen im Angriff war Hamburg dann aber auf zwei Treffer dran, ehe Schmid das 30:27 erzielte. Doch die Gäste kamen Tor um Tor näher, waren in Überzahl plötzlich bis auf einen Treffer dran, bevor Schmid das wichtige 31:29 (58.) erzielte. Doch Hamburg verkürzte postwendend, hatte die Chance zum Ausgleich, doch stattdessen erzielte Patrick Groetzki per Gegenstoß 60 Sekunden vor dem Ende das 32:30 – Riesen-Jubel in der Halle. Doch der Sieg war dies noch nicht, 40 Sekunden vor Spielende verkürzte der Gast per Siebenmeter. Die Löwen hatten den letzten Angriff, Gudmundsson unterbrach diesen 18 Sekunden vor Ende mit einer Auszeit, Gensheimer warf über das Tor. Hamburg hatte noch eine Chance, nochmal Luft anhalten bei den Badenern, doch der vermeintliche Ausgleichstreffer von Matthias Flohr fiel erst nach Ablauf der 60 Minuten, es blieb, nach kurzzeitiger Verwirrung, es blieb beim 32:31.

Rhein-Neckar Löwen – HSV Hamburg 32:31 (12:15)

Rhein-Neckar Löwen: Landin, Stojanovic – Schmid (5), Gensheimer (9/5), Sesum (n.e.), I. Guardiola, Manojlovic (1), Gorbok (2), Myrhol (3), Groetzki (2), G. Guardiola, Petersson (6), Ekdahl Du Rietz (4).

HSV Handball: Bitter, Cleverly (bei einem Strafwurf und ab 52.) – Schröder (4), Jansen, Flohr (5), Canellas (7/3), Djordjic (2), Nilsson (4), Mahe (1), Dominikovic, Pfahl (5), Duvnjak (3), Lackovic.

Trainer: Gudmundur Gudmundsson – Martin Schwalb.

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies.

Zuschauer: 10609.

Strafminuten: Manojlovic (4) – Jansen (2), Dominikovic (2), Duvnjak (4).

Siebenmeter: 6/5 – 3/3

Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer scheitert an Cleverly.

Zeitstrafen: 2 – 4.

Spielfilm: 3:1(6.), 5:5 (14.), 9:11 (24.), 12:15 (HZ), 15:16 (33.), 20:18 (40.), 21:21 (45.), 27:24 (50.), 29:26. (55.), 32:31 (EN).

Beste Spieler: Landin, Gensheimer – Canellas, Flohr.