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„Ich bin kein Handball-Nerd“ (MM)

Nikolaj Jacobsen sorgt für frischen Wind bei den Rhein-Neckar Löwen. Er strahlt stets gute Laune aus, ist zu Späßen aufgelegt, beherrscht die hohe Kunst der Selbstironie. Die Spieler loben die kommunikative Art des Dänen, der für seine Arbeit mit Talenten geschätzt wird und seine Aufgabe beim Handball-Bundesligisten ganz unaufgeregt angeht.

Sein erster großer Coup gelang ihm gleich in seiner Premieren-Saison als Cheftrainer. Mit Aalborg gewann Nikolaj Jacobsen 2013 sensationell die dänische Meisterschaft. Es war ein Erfolg, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Auch Jacobsen selbst nicht. Doch schon in seinem ersten Jahr legte der Coach seine Meisterprüfung ab – und das im wahrsten Sinne des Wortes. „Mir war immer klar, dass ich Trainer werden will“, meint der stets gute gelaunte Däne und gibt zu, auch Zweifel gehabt zu haben: „Ob ich das alles auf einem hohen Niveau kann, wusste ich zunächst nicht. Aber das hat dann alles ganz gut geklappt.“ Der Trainer lacht, als er das sagt. Denn rückblickend weiß der Ex-Profi: Dieser Triumph katapultierte ihn auf den Wunschzettel vieler Klubs. Er nutzte damals die Gunst der Stunde und unterschrieb wenige Monate nach der Meisterschaft einen Vertrag bei den Rhein-Neckar Löwen. So schnell kann’s gehen.

Mittlerweile hat der Coach in Leimen eine Wohnung gefunden, seine Frau Lenette sowie die drei Kinder Freja, Sille und Linus sind hingegen in der Heimat geblieben. Eine knifflige Situation, wie der Familienvater zugibt: „Freja wird ab jetzt eine Sportschule besuchen und dort leben. Wenn man als Papa nicht dabei ist, sie dort abzugeben, ist das nicht so schön. Linus wurde gerade eingeschult und ich war nicht da. Sille hat die Schule gewechselt. Das hätte ich alles gerne miterlebt.“

Doch es ging nicht. Er wurde gebraucht. Als Trainer. Als Taktiker. Als Schleifer. Die neue Bundesliga-Saison startet in einer Woche – und bei den Löwen möchte Jacobsen genauso erfolgreich sein wie einst als Spieler beim THW Kiel, für den er sechs Jahre spielte. Kurios: Nun sind die Norddeutschen sein ärgster Rivale. Das weiß der Däne. Seine guten Erinnerungen an Kiel und die Zeit mit dem strengen Trainer Zvonimir „Noka“ Serdarusic lässt er sich dennoch nicht nehmen. „Ich habe von Serdarusic sehr viel gelernt. Wir sind zwar etwas unterschiedliche Charaktere, aber vielleicht hat es deshalb auch ganz gut gepasst – wobei ich nicht alles so ernst genommen habe, wie er sich das wünschte“, berichtet der 42-Jährige mit einem schelmischen Grinsen.

„Nokas“ harte Hand scheint Jacobsen indes nicht geschadet zu haben. Er hat sich durchgebissen. Zunächst als Spieler, dann als Coach. In seiner Heimat wird er als Entdeckung am Trainer-Himmel gefeiert. Er verfüge über eine ausgesprochene Siegermentalität und könne ein Team mit seiner kommunikativen Art sehr gut führen, heißt es. Seine größte Stärke sei jedoch sein taktisches Verständnis – und dann fördere er auch den Nachwuchs.

Nicht zuletzt aufgrund seiner europaweit geschätzten Arbeit mit Talenten holten die Löwen ihn. Doch Jacobsen versucht, die Euphorie zu bremsen. „In Aalborg blieb mir gar keine andere Möglichkeit, als junge Spieler einzubauen. Mit einem Etat von 2,3 Millionen Euro war es schwierig, gestandene Spieler wie bei den Löwen zu holen.“ Gleichwohl sei es sein Anspruch, auch bei den Badenern vermehrt den Nachwuchs einzubauen. Das gehöre zu seiner Philosophie und zur Strategie des Vereins, verdeutlicht der Däne mit Blick auf die Transfers: „Mads Mensah Larsen und Harald Reinkind sind in ihrer Entwicklung sicherlich etwas weiter als Tim Suton. Aber sie sind alle Talente. Diesen Weg müssen wir gehen, denn vom Etat können wir nicht mit Kiel, Barcelona, Veszprem oder Kielce mithalten.“

Keine Frage: Als Favorit gehen die Löwen in dieser Saison in keinem Wettbewerb an den Start. Nach der knapp verpassten Meisterschaft vor wenigen Wochen sind die Erwartungen dennoch riesig. Jacobsen weiß das – und bleibt locker. „Ich sage zu meinen Spielern immer: Ihr habt den besten Job der Welt, ich den zweitbesten“, berichtet der Coach und lacht. Er geht seine neue Aufgabe ganz unaufgeregt an und jeder spürt: Diese Unbekümmertheit ist ihm wichtig, vielleicht sogar sein Erfolgsgeheimnis. „Handball steuert nicht mein Leben. Ich analysiere unsere Spiele und den Gegner, aber ich bin kein Handball-Nerd. Dazu gibt es zu viele andere schöne Dinge.“

Von Marc Stevermüer