Veröffentlichung:

„Ich freue mich, wenn Palle gut spielt“

Mikael Appelgren im Interview über Gastfreundschaft, Torhüter und Flensburg

Mikael Appelgren befindet sich in überragender Form. Mit zuletzt 20 Paraden gegen Berlin und einer Quote nahe an der magischen 50-Prozent-Marke hat sich der schwedische Nationalkeeper bei den Rhein-Neckar Löwen jüngst besonders hervorgetan. Im Interview spricht „Apfel“ über sein Dasein als Herbergsvater, Milchwart, Teil der Schweden-Fraktion – und über das bevorstehende Topspiel gegen Flensburg.

Mikael, könntest du dir vorstellen, nach deiner Karriere ein Hotel oder eine kleine Pension zu betreiben?

Mikael Appelgren: Oh, das ist eine überraschende Frage (lacht). Aber ich würde tatsächlich „Ja“ sagen. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, was man nach der Karriere machen könnte. Und wenn man ein schönes Gebäude in einer Gegend findet, wo es zudem noch ein bisschen wärmer ist, könnte das schon etwas für mich sein.

Wir spielen natürlich darauf an, dass zu Beginn der Saison Jerry Tollbring bei dir gewohnt hat und auch Ex-Löwe Kim Ekdahl du Rietz immer wieder bei dir unterkommt, wenn er in der Region ist. Du scheinst ein guter Gastgeber zu sein…

Appelgren: Ja, besonders für die beiden (lacht). Aber im Ernst, ich finde es toll, wenn man seine Wohnung auch mal mit ein paar Kumpels teilen kann. Und wenn meine Freundin nicht da ist, bin ich dann nicht so allein.

Und was ist dann demnach deine Sonderaufgabe in der Mannschaft? Quartiermeister, Herbergsvater oder Reise-Manager?

Appelgren: Nein, ich bin unser Milchwart. Im Trainingszentrum haben wir eine Kaffeemaschine und manche wollen dazu Milch. Das ist dann mein Job. Ich achte da auf Bio-Qualität, die ein bisschen teurer ist – aber das zahlt ja die Mannschaftskasse. Lieferung, Vorratshaltung – das geht dann auch wieder in Richtung Gastronomie und Hotellerie. Das passt zur ersten Frage.

Wie redest du eigentlich mit eurem schwedisch-kroatischen Neuzugang Kristian Bliznac? Schwedisch oder deutsch?

Appelgren: Wenn wir unter uns sind, nur schwedisch, da mein Kroatisch nicht so toll ist. Aber in der Mannschaft natürlich deutsch.

Inzwischen ist das schwedische Kontingent bei den Löwen schon auf ein Quartett angewachsen. Wie wichtig ist es für dich, ein paar Landsleute an der Seite zu haben

Appelgren: Das ist schon schön, vor allem wegen der Sprache, die Feinheiten gehen eben am besten in der Muttersprache. Außerdem kann man sich gegenseitig etwas aus der Heimat mitbringen. Aber es ist genauso wichtig, dass andere Nationalitäten in der Mannschaft sind. Da lernt man auch mal andere Perspektiven kennen und bleibt nicht nur unter sich. Am Ende ist es die Mischung, die es interessant macht.

Habt ihr euch schon abgesprochen, wer was für das traditionelle schwedische Weihnachtsbuffet, das „Julbord“, organisiert oder wird bei dir inzwischen eher auf die deutsche Art gefeiert?

Appelgren: In Deutschland kommt es ein bisschen darauf an, aus welcher Region man kommt. In Schweden ist das etwas allgemeiner. Da haben wir beispielsweise diesen großen Weihnachtsschinken, der im Ofen gebacken wird. Da bin ich jetzt nicht so ein großer Fan davon, ich stehe eher auf Köttbullar …

…aber die sind hoffentlich besser als die, die man aus der Ikea kennt?

Appelgren: Ja natürlich, das ist Massenproduktion. Meine sind viel besser. Mit Rahmsoße, Preiselbeeren und Kartoffelpüree. Das ganze Programm.

Bevor es unter den Weihnachtsbaum geht, steht aber noch das große Gipfeltreffen gegen die SG Flensburg-Handewitt an. Zählt Flensburg neben euch zu den heißesten Titel-Anwärtern oder wo siehst du die SG im Vergleich zu Berlin, Melsungen und Hannover?

Appelgren: Ich denke schon, dass Flensburg über die ganze Saison betrachtet ganz vorne mit dabei sein kann, danach kommt Berlin, die zuletzt auf Augenhöhe spielen und sich bislang keine Ausrutscher leisteten.

In dieser Partie kommt es auch zum großen schwedischen Torwart-Duell zwischen Flensburgs Mattias Andersson, der im nächsten Jahr die Bundesliga verlässt, und dem Löwen-Duo Appelgren/Palicka. Ist das auch ein bisschen der Vergleich der Generationen?

Appelgren: Das Duell der Löwen gegen Flensburg ist da ja fast schon genug, und man vergleicht sich eigentlich mit allen Torhütern. Aber da Mattias auch Schwede ist, ist das schon etwas Besonderes. Aber wir sind zwei Schweden gegen einen – ich hoffe, das reicht (lacht).

War Mattias ein Vorbild von dir? Oder Tomas Svensson, der bei den Löwen schon Co-Trainer war. In Schweden gab es ja genügend Torhüter, an denen man sich orientieren konnte.

Appelgren: Seit ich Handball spiele, ist eigentlich immer Tomas Svensson mein Vorbild gewesen. Als ich jung war, war ich auch zweimal im Sommer-Camp mit ihm. Mattias ist zwar auch ein großer Torhüter, aber Tomas hat so unglaublich viel gewonnen, und die „Benga“-Boys haben damals eine ganze Generation begeistert. Das ist schon eine andere Dimension.

Ist schon ausgemacht, dass du und dein Mannschaftskollege Andreas Palicka bei der EM in Kroatien das Torwart-Duo der schwedischen Nationalmannschaft bilden werdet?

Appelgren: Ja, die 28er und auch die 16er-Nominierung ist schon durch. Wir beide werden wie in der Qualifikation im Tor stehen.

Geht es nach dem letzten Bundesliga-Spiel des Jahres am 26. Dezember gleich nach Schweden zur EM-Vorbereitung?

Appelgren: Die Deutschen fangen schon am 28. Dezember an, aber wir haben zum Glück noch ein paar Tage Urlaub, um den Kopf frei zu bekommen, und starten dann vom 2. bis 10. Januar in Göteborg. Zum Abschluss haben wir noch zwei Tests gegen Ungarn.

Was ist drin für Schweden? Mit Gastgeber Kroatien, Serbien und Island sieht das nach einer Gruppe aus, in der jeder jeden schlagen kann …

Appelgren: Kroatien ist mit dem Heimvorteil sicher der Favorit in der Gruppe, dann kommen vielleicht wir, Serbien und Island. Aber bei einer EM geht es im Gegensatz zu einer WM gleich von Beginn an zur Sache.

Was macht eure Mannschaft aus? Wo müsst ihr euch noch steigern?

Appelgren: Wenn alle dabei sind, können wir schon über das Halbfinale sprechen, man braucht schließlich Ziele. Bei der letzten WM in  Frankreich haben wir schon sehr gut gespielt und sind im Viertelfinale nur knapp am Gastgeber gescheitert. Wenn die Deutschen die „Bad Boys“ sind, sind wir vielleicht die „Young Guns“. Zuletzt hat uns noch etwas die Erfahrung gefehlt, aber ich hoffe, wir können jetzt den nächsten Schritt machen.

Und was erwartest du von der deutschen Mannschaft. Laufen schon mannschaftsinterne Wetten, wer länger in Kroatien bleibt?

Appelgren: Ich glaube, die Deutschen sind ein echter Kandidat für den Titel. Ich bin beeindruckt davon, wie hart und aggressiv sie in der Abwehr spielen. Zudem haben sie zwei starke Torhüter und einen breiten Kader. Das sind alles Dinge, die bei so einem Turnier wichtig sind. Und Wetten laufen noch keine. Noch sind wir bei den Löwen Kollegen, die gemeinsame Ziele haben. Ab dem 27. sind wir dann Gegner (lacht).

Ihr hattet bisher eine sehr anstrengende Saison. Hättest du dir da nicht eine Pause gewünscht oder ist so ein Nationenturnier eine neue Herausforderung?

Appelgren: Ich habe schon Lust auf die EM, aber zuletzt war das schon etwas zu viel. Gerade die Nationalspieler sind da besonders belastet. Wenn man sieht, dass im Sommer mehr Zeit für Urlaub ist, könnte man das vielleicht alles etwas besser verteilen.

Noch einmal zurück zu den Löwen. Dein Kollege Andreas Palicka ist jetzt im zweiten Jahr da und man hat den Eindruck, dass euch dieser Konkurrenzkampf noch besser macht. Viele Experten sprechen vom besten Torhüter-Duo der Liga.

Appelgren: Klar sind wir auch Konkurrenten, aber vielleicht gehen wir das tatsächlich etwas anders an als in anderen Mannschaften. Ich freue mich, wenn Pale gut spielt und umgekehrt. Wir betrachten uns als echtes Team und reden auch viel über unsere Aufgaben und Leistungen.

Wer bestimmt eigentlich, wer von euch beiden beginnt? Gibt es einen festen Plan, gibt Nikolaj Jacobsen das vor oder habt ihr da auch ein Mitspracherecht?

Appelgren: Im Moment wechseln wir uns einfach ab. Bei so vielen Spielen ist das momentan die beste Lösung für uns. Das muss für andere
nicht funktionieren, aber wir kommen gut damit zurecht – auch weil keiner dem anderen die Spielzeit neidet.

Ihr hatte zuletzt die Keeper des Fußball-Regionalligisten SV Waldhof als Trainingsgäste. Hätten die eine Chance im Handball-Tor?

Appelgren: Vielleicht mit ein bisschen Training (lacht)? Es war schon beeindruckend, die Unterschiede zu sehen. Im Fußball sind das eher größere Bewegungen, während wir mit Aktionskraft und Schnelligkeit agieren. Aber am Ende wollen wir alle den Ball halten. Ich freue mich schon auf den Gegenbesuch – aber erst wenn es etwas wärmer ist.

Die Fußball-Tore sind mehr als doppelt so breit wie ein Handball-Tor. Geht ihr da dann zu zweit rein?

Appelgren: Bevor ich mit dem Handball begonnen habe, habe ich Erfahrungen im Fußball-Tor gesammelt. Das wird schon klappen. Aber Andreas ist beim Fußball eher so der Zlatan-Ibrahimovic-Stürmer-Typ – mal sehen, wie er sich anstellt (lacht).