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„Im März ist noch keine Mannschaft Meister geworden“

Rafael Baena über die EM, die Titelchancen und den nächsten Gegner Melsungen

Seit dieser Saison spielt Rafael Baena bei den Rhein-Neckar Löwen. Kurz vor Saisonbeginn verpflichtet, erwies sich der spanische Kreisläufer schnell als absoluter Glücksgriff für die Löwen. Im Interviews spricht der Vize-Europameister über die vergangene Europameisterschaft, die Titelchancen der Löwen und über die MT Melsungen, der nächste Gegner der Löwen am kommenden Donnerstag in der SAP Arena.

Rafael, du spielst jetzt schon 20 Jahre Handball, wie oft musstest du dich in dieser Zeit in ein Goldenes Buch eintragen?

Rafael Baena: So wie nach der Europameisterschaft im Mannheimer Rathaus? Ehrlich gesagt noch nie. Ich spiele jetzt zwar tatsächlich schon ein paar Jahre Handball, aber das war das erste Mal, dass ich eine Medaille gewonnen habe. Das hat mich natürlich gefreut, und dass man das hier so respektiert, ist eine schöne Sache.

Hat der Mannheimer Bürgermeister den Eindruck gemacht, dass er etwas von Handball versteht?

Baena: Er hat schon den Eindruck gemacht, dass er weiß, wovon er redet, aber wir sind nicht besonders in die Details gegangen. (lacht). Außerdem stand ja unser Teamkollege Hendrik Pekeler im Mittelpunkt, der aus Polen die Goldmedaille mitgebracht hatte. Für Spanien hat es bekanntermaßen nur zu Silber gereicht.

Wie nimmst du die Euphorie um die deutschen Handballer wahr?

Baena: Wenn du im Finale gegen die Deutschen verloren hast, nimmst du das mit etwas gemischten Gefühlen wahr (lacht). Aber für den deutschen Handball ist das eine tolle Sache. Auch die Liga steht deshalb wieder ein bisschen mehr im Mittelpunkt als zuvor. Es dominiert ja sonst überall der Fußball, und wenn sich die Liga weiterentwickelt und immer viele Zuschauer da sind, ist das auch für die Profis aus dem Ausland eine gute Sache.

Mal ehrlich, hattest du Deutschland vor der EM auf der Rechnung?

Baena: Wer wollte das schon von sich behaupten? Die deutschen Handballer hatten schließlich eine schwierige Ausgangsposition. Die Nationalspieler sind in ihren Vereinen gefordert und müssen dann auch noch in der Champions League und im Nationaltrikot ran. Das ist eine große Belastung und hat sich auch in den Verletzungen von meinen Teamkollegen Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki niedergeschlagen. Deshalb hatte Deutschland eine sehr junge Mannschaft am Start, die mit einer überschaubaren Erwartungshaltung in das Turnier gegangen ist und eigentlich nur gewinnen konnte. Nach der Auftaktniederlage gegen uns Spanier hat sich das DHB-Team dann von Spiel zu Spiel gesteigert, und wie es dann ausgegangen ist, weiß jeder.

Was ist im Finale schief gelaufen? Man hätte mit einer Abwehrschlacht rechnen können, aber Spanien hatte von Beginn an keine Chance. Hast du eine Erklärung dafür?

Baena: Eins vorweg: Wer bei so einem Turnier das Halbfinale erreicht, kann auch als Außenseiter gewinnen. Nach zwei Wochen sind die Mannschaften meistens so müde, dass es nicht mehr um Taktik und Technik geht, sondern vor allem der Kopf eine große Rolle spielt. Deutschland hatte sich immer weiter gesteigert und nichts zu verlieren. Wir waren dagegen in der Favoritenrolle, und jeder hat mit Blick auf das Ergebnis aus der Vorrunde einen Sieg von uns erwartet. Mit diesem Druck konnten wir ganz offensichtlich nicht umgehen und sind von der ersten Minuten in eine regelrechte Negativspirale gekommen. Unser bestes Spiel haben wir im Halbfinale gegen Kroatien gezeigt. An diese Leistung konnten wir leider nicht mehr anknüpfen – auch, weil Deutschland einen überragenden Torhüter hatte und eine ganz starke Abwehr gespielt hat.

So eine Final-Niederlage ist immer bitter, weil man so nah an einem Titel ist, der von Bestand ist. Gönnt man den Sieg dann aber lieber einem Teamkollegen als anderen Profis, mit denen man weniger Berührungspunkte hat?

Baena: Silber hast du gewonnen, wenn du im Halbfinale erfolgreich warst. Wenn aber das Finale daneben geht, hat man erst einmal Gold verloren. Deshalb war der Ausgang der EM für Spanien natürlich enttäuschend und hat sich die ersten Tage nicht besonders toll angefühlt. Mit etwas Abstand, sehe ich das jetzt aber etwas lockerer und bin auch ein bisschen stolz. Was Peke betrifft, haben wir das das natürlich sportlich genommen, Gedeon Guardiola und ich haben ihm sofort gratuliert – auch wenn wir lieber selbst die Goldmedaille mitgenommen hätten.

Mittlerweile ist wieder der Alltag eingekehrt. Ihr hattet einen starken Start in der Champions League und in Göppingen, im Spitzenspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt hat es dann leider nicht gereicht. Was hat das für einen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Bundesliga-Saison?

Baena: Wir hatten einen Hammer-Auftakt mit Skopje, Göppingen und Flensburg. Dass davon eine Partie verloren gehen kann, ist keine große Überraschung. Dass es allerdings ausgerechnet das Spitzenspiel in der Liga sein musste, war ärgerlich. Aber es ist ja noch nichts verloren.

Viele Experten rechnen damit, dass der Titelkampf bis zum Ende spannend bleibt. Du auch?

Baena: Ja, auf jeden Fall. Im März ist noch keine Mannschaft Meister geworden, entschieden wird die Sache im Mai, vielleicht sogar erst im Juni. Unsere Konkurrenten haben alle auch noch ein schweres Programm, wir müssen dagegen noch nach Berlin und Wetzlar. In dieser Liga bekommst du kein Spiel geschenkt.

Mit Melsungen kommt als nächstes eine Mannschaft, in der es im Hinspiel eine von bisher nur drei Niederlagen in der Liga setzte. In der vergangenen Woche habt ihr die MT geschlagen und euch für das REWE Final Four um den DHB-Pokal qualifiziert. Was hast Du für Erinnerungen an diese Partien?

Baena: Unsere Abwehr hat bei der Niederlage in Melsungen ganz gut gestanden, aber wir sind im Angriff nicht wie gewohnt ins Rollen gekommen und haben nur 23 Tore erzielt. Dann wird es immer schwierig. Auch letzte Woche war es ein richtiger Kampf, aber wir freuen uns natürlich den Sprung nach Hamburg geschafft zu haben. Auch die Partie am kommenden Donnerstag wird sicher nicht einfach, auch wenn bei Melsungen mit Torhüter Johan Sjöstrand natürlich ein absoluter Leistungsträger ausfällt.

Was macht Melsungen so unangenehm? Ist es die körperbetonte Spielweise?

Baena: Natürlich spielt Melsungen mit viel Körpereinsatz, aber das ist es nicht allein. Sie spielen auch taktisch sehr clever. Es ist unheimlich schwer, gegen Melsungen ein Tor zu erzielen oder sich eine Wurfchance herauszuarbeiten. Gegen uns sind sie immer sehr gut vorbereitet und geben einem auch nicht viele Chancen für Tempogegenstöße. Man muss sehr geduldig gegen sie spielen.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass dir diese Spielweise aber auch ganz gut liegt. Magst du die Auseinandersetzung Mann gegen Mann auf engem Raum?

Baena: Ja, das ist schon mein Spiel. Ich bin schon immer Kreisläufer, deshalb bin ich diese Auseinandersetzungen gewohnt. Ich war schon als Jugendspieler relativ groß und kräftig, und deshalb hat mich mein Trainer gleich an den Kreis gestellt. Das habe ich bis heute nicht bereut.

Ihr habt nun mit dir, Hendrik und Gedeon drei verschiedene Optionen am Kreis. Wo würdest du die Unterschiede zwischen euch sehen. Ergänzt sich das?

Baena: Gedeon kommt hauptsächlich in der Abwehr zum Einsatz, ist aber ein ähnlicher Typ wie Hendrik. Beide sind sehr groß und können so auch mal in der zweiten Etage angespielt werden, wo die gegnerischen Abwehrspieler vielleicht nicht so gut hinkommen. Mich können meine Mitspieler dagegen auch gut mit Bodenpässen oder in die Bewegung anspielen. Deshalb ist es gut, wenn man je nach der gegnerischen Abwehr variabel spielen kann.

Du bist jetzt über ein halbes Jahr hier und hast im Oktober den Vertrag vorzeitig bis 2018 verlängert. Musstest du lange überlegen?

Baena: Nein, überhaupt nicht. Die Löwen sind ein Top-Klub, der Titel gewinnen kann, und die deutsche Liga wohl die beste der Welt. Da grübelt keiner lange.

Welche Rolle hat Gedeon gespielt, als es darum ging, sich hier in den ersten Tagen zurechtzufinden, und hat man da auch automatisch mehr privaten Kontakt?

Baena: Gedeon hat mir sehr viel geholfen, vor allem mit der für mich fremden Sprache. Bei der Wohnungssuche oder beim Ausfüllen von irgendwelchen Formularen war er immer für mich da. Und natürlich unternimmt man da auch privat etwas miteinander. Er hat einen kleinen Sohn, unsere Kinder sind ein und drei Jahre alt. Da geht man sonntags schonmal spazieren oder trifft sich zum Essen – wenn es unser Spielplan zulässt.

Abgesehen vom sportlichen Erfolg und den Rahmenbedingungen bei den Löwen – was gefällt die hier in der Region besonders?

Baena: Man bekommt hier auf relativ kleinem Raum viel zu sehen, Mannheim und Heidelberg sind schöne Städte. Wir haben aber mittlerweile eine Wohnung direkt in Kronau gefunden und kurze Wege zur Trainingshalle, zum Kindergarten, zum Supermarkt. Wenn man kleine Kinder hat, mag man es vielleicht etwas ruhiger.

Im Sticker-Album der Löwen steht, du bist ein großer Pasta-Fan. Hast du schon einen guten Italiener gefunden oder wird bei Baenas hauptsächlich zuhause und dann klassisch andalusisch gekocht?

Baena: Es gibt tatsächlich einige gute Restaurants, aber zum Glück kann meine Frau auch sehr gut kochen. Und in den Supermärkten bekommt man hier fast alles, so dass wir wenig vermissen, wenn es mal wie zuhause schmecken soll.