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Imposanter Gipfelsturm (MM)

Löwen führen den THW Kiel phasenweise vor und übernehmen nach 29:26-Sieg im Topspiel die Tabellenführung

MANNHEIM. Sie tanzten. Sie hüpften. Sie ließen sich feiern. Die Rhein-Neckar Löwen, sie waren völlig losgelöst. Und nach einer Gala gegen den THW Kiel stellt sich mehr denn je die Frage: Wo soll das noch hinführen? Etwa zum Meistertitel? Es sieht danach aus! Denn das, was die Badener gestern Abend im Spitzenspiel gegen die Norddeutschen zeigten, war Extraklasse. Eine Demonstration der Stärke. Die Löwen entzauberten den Titelverteidiger, führten ihn phasenweise vor und landeten nicht nur einen 29:26 (14:12)-Sieg, sondern übernahmen auch noch die Tabellenführung.

„Das ist überragend, einfach überragend. Wir mussten in genau diesem Spiel eine Topleistung abrufen. Und das ist uns gelungen“, sagte Rechtsaußen Patrick Groetzki und strahlte über das ganze Gesicht. Er nahm reichlich Glückwünsche entgegen, auch von Manager Thorsten Storm, der das zuvor Gesehene kaum fassen konnte: „Ich habe noch nie erlebt, dass Kiel gegen uns chancenlos war.“ Also ist jetzt die Meisterschaft auch offiziell das Ziel? Der Geschäftsführer ließ sich nicht aus der Reserve locken: „Alles Denkbare ist auch machbar. Wir schauen von Spiel zu Spiel.“

In einem rasanten Gipfeltreffen war einer von Beginn an gleich auf Betriebstemperatur: Löwen-Torwart Niklas Landin. Drei spektakuläre Paraden zeigte der Däne in den ersten acht Minuten, die Gelbhemden führten 4:2 und stellten den THW mit ihrer aggressiven Abwehr vor große Probleme. Das badische Bollwerk stand bombensicher, leidenschaftlich wurde um jeden Ball gekämpft. Zu diesem Zeitpunkt hatte der EHF-Pokalsieger schon einen Schock verdauen müssen, Führungsfigur Alexander Petersson humpelte in der Anfangsphase verletzt vom Feld. Für ihn kam Isaias Guardiola – und der Spanier machte seine Sache richtig gut. „Er hat sein bestes Spiel für die Löwen abgeliefert“, lobte Storm den Halbrechten.

Dessen Abwehrqualitäten sind bekannt, doch diesmal setzte der Linkshänder auch in der Offensive Akzente. Er traf trocken aus dem Rückraum, setzte mit feinen Pässen außerdem immer wieder Groetzki in Szene. Der Rechtsaußen unterstrich seine exzellente Form, traf unnachahmlich und unwiderstehlich selbst aus spitzesten Winkeln und erzielte das 8:5 (16.).

Uwe Gensheimer besorgte die Vier-Tore-Führung, THW-Trainer Alfred Gislason bat zur Auszeit und formierte seine Abwehr neu. Die Norddeutschen verteidigten anschließend offensiver, doch das hielt die Löwen zunächst nicht auf. Erst als Bjarte Myrhol eine Zeitstrafe kassierte, kamen die Kieler näher. Sie nutzen die Überzahl, hatten sogar die Chance zum Ausgleich, doch Teufelskerl Landin entschärfte den Siebenmeter von Niclas Ekberg und rettete das 11:10 (25.).

Dennoch hatten die Gelbhemden jetzt Probleme, selbst zu klaren Torchancen zu kommen. Sieben Minuten lang blieben sie ohne eigenen Treffer, bis Isaias Guardiola einfach mal aus dem Rückraum draufhielt und das 12:10 (27.) erzielte. Mit einem Zwei-Tore-Vorsprung wurden beim 14:12 die Seiten gewechselt, bislang hatte Landin das eminent wichtige Torwartduell für sich entschieden.

Und deswegen schickte Gislason nach der Pause Johan Sjöstrand für Andreas Palicka zwischen die Pfosten, doch Bälle parierte weiterhin nur einer: Landin. Seine Paraden gaben den Löwen Rückwind, die Badener legten einen Raketenstart im zweiten Durchgang hin und erhöhten nach einem 3:0-Lauf auf 17:12 (35.). Dann kassierte Nikola Manojlovic eine Zeitstrafe, doch das war den Löwen egal. Andy Schmid riss die Partie an sich, traf nach Belieben und besorgte mit seinem vierten Treffer in der zweiten Halbzeit das 21:15 (42.).

„Wir haben uns in der Kabine gesagt, die ersten fünf Minuten nach der Pause sind entscheidend. Und dann haben die Jungs Vollgas gegeben und alles richtig gemacht“, freute sich Storm über eine ganz starke Vorstellung: „Niklas hat ein Riesenspiel gemacht, die Abwehr war überragend. Dieses Team hat sich über die ganze Saison unglaublich toll entwickelt.“

Von Marc Stevermüer