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„Jedes große Turnier ist wichtig“ (RNZ)

Heidelberg. Ab Sonntag schaut die Handballwelt nach Serbien. Dort trifft sich die Elite, die Besten der Besten. Die Europameisterschaften stehen an. Ein Turnier, bei dem es – im Gegensatz zu einer aufgeblähten WM – keine schwachen Gegner gibt. Vollgas in jedem Spiel ist angesagt. Nur so kann es mit dem ganz großen Wurf, dem Titel, klappen. Gudmundur Gudmundsson, 51, der Trainer Rhein-Neckar Löwen, der gleichzeitig auch die isländische Nationalmannschaft betreut, weiß das. Doch vom Titel redet er ohnehin nicht. Irgendwie die schwere Vorrunden-Gruppe überstehen, das ist sein Ziel. Im RNZ-Interview spricht er über das Turnier an sich, Island und natürlich auch über das deutsche Nationalteam.

> Gudmundur Gudmundsson, in diesem Jahr findet sowohl eine EM als auch ein olympisches Handball-Turnier statt. Schmälert das den Stellenwert einer EM nicht?
Das ist eine gute Frage, über die ich auch bereits mit vielen meiner Trainerkollegen gesprochen habe. Klar ist, dass Olympia schon irgendwie über allem steht. Andererseits bin ich der Meinung, dass jedes große Turnier wichtig ist. Vergessen darf man in diesem Zusammenhang aber auch nicht folgendes: Im April finden zudem noch die Qualifikationsturniere für Olympia statt. Für diese Qualifikationsturniere haben wir Isländer uns bereits qualifiziert. Deshalb haben wir bei der EM diesbezüglich keinen Druck.

> Island kann also befreit aufspielen. Mit welchem Ziel reist man nach Serbien?
Wir wollen die Gruppe überstehen, was schwer genug wird. Wir treffen dort auf Kroatien, Slowenien und Norwegen. Kroatien ist aktuell sehr stark. Sie sehe ich deshalb ganz vorne. Und von den anderen kann jeder jeden schlagen.

> Für Deutschland geht es um sehr viel. Das Team von Martin Heuberger hat sein Ticket für den olympischen Qualifikationsmodus noch nicht gelöst…
Das stimmt. Deutschland muss eine gute EM spielen. Nur so lebt der Olympia-Traum weiter. Ich traue Deutschland aber gute Leistungen in Serbien zu. Sie haben zuletzt überzeugende Auftritte hingelegt, andererseits jedoch auch weniger gute. Sie sind noch ein wenig zu inkonstant in ihren Leistungen. Das gilt es zu verbessern. Dann ist sicher alles möglich.

> Auch für die Bundesliga wäre die deutsche Teilnahme wichtig, oder?
Natürlich. Es würde einfach nicht passen, wenn bei Olympia das Land nicht dabei wäre, in dem die beste Liga der Welt zu Hause ist. Deutschland ist einer der größten und bedeutendsten Handball-Nationen der Welt. Auch für den Stellenwert des Handballs innerhalb Deutschlands, sprich das Interesse an der Bundesliga, wäre ein Scheitern nicht förderlich.

> Frankreich ist seit Jahren das Maß aller Dinge im Welt-Handball. Was macht sie so stark?
Frankreich verfügt über eine eingespielte Mannschaft, die durch etliche Topstars geführt wird. Ihr Auftreten ist schon beeindruckend. Sie haben sowohl im Angriff als auch in der Abwehr keinerlei Schwächen. Da passt einfach alles zusammen. Für mich ist das vielleicht sogar die stärkste Mannschaft aller Zeiten, noch besser als damals Russland.

> Wer kann Frankreich gefährlich werden?
Die Kroaten muss man sicher auf der Rechnung haben. Aber auch Spanien hat sich gesteigert. Interessant wird auch sein, wie sich Serbien in der Heimat präsentiert. Sie haben einige Topleute im Kader. Nun muss es ihnen nur noch gelingen, auch als Team aufzutreten und zu harmonieren. Der Heimvorteil ist ohnehin auf ihrer Seite.

> Löwen-Aufsichtsratschef Jesper Nielsen erklärte kürzlich, dass es zu viele Großveranstaltungen im Handball gibt. Wie sehen Sie das?
Ähnlich. Es ist nicht gut, wenn Jahr für Jahr entweder eine WM oder eine EM ansteht. Und nun sogar noch eine Olympiade dazu kommt. Die Belastung für die Spieler ist dadurch leider deutlich zu hoch.

> Mit Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki, Oliver Roggisch, Bjarte Myrhol, Börge Lund, Zarko Sesum, Karol Bielecki, Krzysztof Lijewski, Ivan Cupic und Robert Gunnarsson sind zehn Löwen-Spieler bei der EM dabei…
Ja, das sind sehr viele und ich hoffe natürlich, dass sich keiner von ihnen verletzt. Einige werden in Serbien Selbstvertrauen tanken können, andere werden hingegen eher frustriert und enttäuscht zurückkehren. So ist das im Sport. Ein paar von ihnen werden mir ja schon in der Vorrunde als Gegner begegnen.

> Vor einem Jahr erklärte Gudmundur Gudmundsson im RNZ-Gespräch, dass er sein Amt als Nationaltrainer aufgrund der Doppelbelastung möglicherweise bald niederlegt…
Das stimmt. Ich habe mich jedoch dazu entschlossen, meinen Vertrag mit Island bis 2012 zu erfüllen. Mir macht einfach beides Spaß. Der Handball ist mein Leben.

> Bei einer EM sind viele interessante Spieler im Einsatz. Schauen Sie da auch mal nach Neuzugängen für die Löwen?
Natürlich. Bei uns laufen bekanntlich Verträge aus. Und da sollte und will man vorbereitet sein.

Von Daniel Hund