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„Kann auch ganz schnell mal ins Auge gehen“

Heidelberg. Er stand viel, strich sich immer wieder über seine Glatze. Ola Lindgren wirkte ratlos, enttäuscht von seinem Rudel. Rund 40 Minuten musste er zittern, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen, hoffte und bangte: Der Einzug ins Viertelfinale des DHB-Pokals hing an einem seidenen Faden. Sein Starensemble drohte zu scheitern. Die MT Melsungen, ein Team der „Namenlosen“, verteilte einen Nackenschlag nach dem anderen, schoss sich zwischenzeitlich zu einem Vier-Tore-Vorsprung (14:10). Nervenkitzel statt Schaulaufen.

Doch Lindgren, den Trainerfuchs, überraschte das Ganze nur bedingt. Er hatte da so eine Vorahnung: „Ehrlich gesagt verspürte ich vor der Partie eine gewisse Angst“, pustete er tief durch: „Melsungen ist sehr unangenehm zu spielen und hatte nichts zu verlieren.“ Der Manager verfolgte das Spiel stehend. Thorsten Storm lehnte an der Tribüne, tippelte hin und her, vor und zurück. Nervosität nennt man das. Leicht angesäuert war er noch dazu. Seine Analyse: „So etwas kann auch ganz schnell mal ins Auge gehen.“ Und weiter: „Es war klar, dass heute Handball gearbeitet werden muss und eben keine Gala anstand. Aber das war vielleicht nicht allen unserer Spieler von Anfang an klar.“

Besonders auffällig: In Sachen Torhüter hatte der Gast eindeutig die Nase vorn. Mario Kelentric brachte die Gelbhemden phasenweise zur Verzweiflung. Der Kroate entschärfte rund zwanzig Würfe – darunter auch drei Siebenmeter. Die „Hexer-Fraktion“ der Löwen zahlte diesmal hingegen Lehrgeld: Henning Fritz und Slawomir Szmal krachte das Harzbällchen nur so um die Ohren.

Die Schuld nur bei ihnen zu suchen, wäre jedoch zu einfach. Storm sagt: „Wenn die Abwehr gerade im Deckungszentrum nicht aggressiv genug ist, spielen eben auch die Torhüter nicht gut. Trotzdem haben wir das Torwart-Duell zu deutlich verloren.“ Freude machte dagegen die linke Außenbahn. Hier brannten Uwe Gensheimer und Gudjon-Valur Sigurdsson ein Feuerwerk ab. Das Duo schoss aus allen Lagen, traf nach der Pause bombensicher. Storm legt sich fest: „Weltweit existiert kein besseres Duo.“ Und mit den wechselnden Schichten – jeder spielt stets 15 Minuten pro Halbzeit – hat „Gensel“ auch kein Problem: „Das haben wir längst verinnerlicht. Da ist keiner verärgert“, verrät der Friedrichsfelder. Oliver Roggisch, der Abwehr-Gigant, war ein weiterer Baustein des Pokalerfolgs. In der zweiten Halbzeit hielt er den Defensivverbund zusammen – das Brüllen des „Oberlöwen“ schallte im Minutentakt durch die Östringer Stadthalle.

Am Sonntag in Berlin (17 Uhr) brauchen die Badener mehr davon. Auch in der Hauptstadt ist Roggisch gefordert, muss seine Kollegen anstacheln, um zwei Bundesliga-Zähler mitnehmen zu können. Storm packt seine Jungs bei der Ehre: „Wir müssen von Beginn an hellwach sein, vor allem in der Abwehr kompromisslos zu packen, jeder muss sich 60Minuten auf seine Arbeit konzentrieren und sie auch zu Ende bringen.“ Und wenn das nicht gelingt? „Dann läufst du Gefahr, die kommenden Spiele in Nettelstedt, Berlin oder Wetzlar zu verlieren.“

Und genau das soll tunlichst vermieden werden. Mit drei Siegen wollen die Gelbhemden den dritten Platz, den Champions-League-Platz, sichern. Klappt das, kann sich auch Ola Lindgren wieder entspannter zurücklehnen.

Von Daniel Hund

 18.12.2009