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„Kiel ist nicht mehr unantastbar“

Henning Fritz vor dem Viertelfinale in der Champions League im Interview

Seit die Zukunft von Henning Fritz geklärt ist, weil er die Option auf eine Vertragsverlängerung bei den Rhein-Neckar Löwen zog, hat der Torhüter wieder zu der Form zurückgefunden, die ihn einst zum besten Keeper der Welt machte. In der Rückrunde trägt „Fritze“ mit dazu bei, dass die Leistungen der Badener viel stabiler geworden sind. „Die Findungsphase ist abgeschlossen“, glaubt Fritz, dass sich die Mannschaft inzwischen gefunden hat und zu großen Taten bereit ist. Deshalb geht er optimistisch in die Champions-League-Duelle mit dem THW Kiel. Das Hinspiel steigt am kommenden Sonntag, 19 Uhr, in der SAP ARENA. Noch gibt es Karten für den Kracher in der Königsklasse.

Henning, Du hattest im Gegensatz zu vielen Teamkollegen in der Woche nach dem Final Four in Hamburg mehr Zeit zur Ruhe, weil Du nicht mit der Nationalmannschaft unterwegs warst. Wie schnell konntest Du die knappe Niederlage im Endspiel verarbeiten?

Niederlagen sind immer schlecht. Aber besonders bitter ist es, wenn man knapp verliert. Wenn du in einem Finale ohne Chance bist, kannst du dich besser mit dem zweiten Platz anfreunden. Deshalb war es schon schwierig.

Wie sah das Training aus, wenn die halbe Mannschaft unterwegs ist?

Wir haben viele Spielformen trainiert. Dazu haben wir auch andere Sportarten wie Basketball gespielt. Es ist schon möglich, auch in kleineren Gruppen zu trainieren.

Es folgte ein Wochenende ohne Handball, was während der Saison äußerst selten ist. Wie hast Du diese Zeit gestaltet?

Ich habe die Zeit mit meiner Familie verbracht. Es war glücklicherweise schönes Wetter, so dass wir etwas unternehmen konnten. Ich habe also „Familienprogramm“ gehabt. Ich genieße das, weil es ja wenige Möglichkeiten gibt. Normalerweise sind wir am Wochenende immer unterwegs oder mit der Vorbereitung auf ein Spiel beschäftigt.

Du konntest noch einmal durchatmen, ehe es in den Saisonendspurt geht. Jetzt kommen die harten Brocken, es wartet der THW Kiel.

Es ist ja normal, dass sich am Ende der Saison in den Pokalwettbewerben die Qualität der Gegner erhöht. Darauf arbeiten wir ja hin, damit wir in diese Situationen kommen.

Wie sah die Vorbereitung für das Spiel gegen den THW aus?

Wenn wir eine ganze Woche für das Spiel Zeit gehabt hätten, wären die ersten Tage der Woche sicher etwas intensiver gewesen. Aber durch die Partie gegen Minden am Mittwoch konnten wir Donnerstag nur leicht trainieren, Freitag war dann intensiver und Samstag haben wir uns taktisch mit Kiel beschäftigt. Das ging Kiel ja nicht anders, auch sie hatten am Mittwoch noch ein Spiel.

Fieberst Du dem Spiel gegen Kiel schon entgegen?

Im Endeffekt ist es ja nur ein normales Spiel, was die Vorbereitung angeht. Da macht man keine Sachen, die man sonst nicht macht.

Es geht wie schon im Vorjahr in der Königsklasse gegen den THW, freust Du Dich auf den Vergleich?

Eigentlich ist ja schöner, wenn man im Europapokal gegen ausländische Mannschaften spielt. Aber im Viertelfinale sind eben noch drei deutsche Teams dabei, da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu einem deutsch-deutschen Duell kommt.

Ausgerechnet Kiel erwartet euch…

In den letzten zwei, drei Jahren waren unsere Erfolge gegen den THW rar gesät. Deshalb war Kiel nicht unser Traumlos. Aber wir haben ja in Hamburg gesehen, dass wir gegen die besten Mannschaften in Europa bestehen können, sogar in fremder Halle. Deshalb bin ich optimistisch. Außerdem ist Kiel in diesem Jahr nicht mehr so unantastbar. Sie beherrschen die Liga nicht mehr, obgleich sie immer noch eine große Mannschaft haben. Man merkt aber eben doch, dass Stefan Lövgren und Nikola Karabatić fehlen.

Woher schöpfst Du den Optimismus, dass die Löwen den THW diesmal in die Knie zwingen können?

Wir haben in die Rückrunde – mit Ausnahme des Spiels gegen Hannover-Burgdorf – gute Leistungen gezeigt. Wir haben die Findungsphase abgeschlossen, die wir in der Hinserie durchlaufen haben. In Hamburg haben wir gezeigt, welches Niveau wir bringen können.

Warst du überrascht, wie stark ihr in Hamburg gespielt habt?

Nein, denn ich weiß, wozu die Mannschaft in der Lage ist. Wir haben unsere Spielabläufe verbessert und jeder Spieler hat seine Rolle in der Mannschaft gefunden. Das hat uns voran gebracht.

Ihr spielt zuerst zuhause, müsst dann nach Kiel. Ist das ein Vor- oder Nachteil?

Ich glaube, das macht nicht viel aus. Früher dachte ich immer, dass es besser ist, das zweite Spiel zuhause zu haben. Aber das hat sich in den letzten Jahren gewandelt, weil sich das Schiedsrichter-Verhalten verändert hat. Früher gab es schon mal einen kleinen Bonus für das Heimteam, doch das ist nicht mehr so, jetzt wird neutraler gepfiffen. Und wenn wir es schaffen, das Heimspiel zu gewinnen, erhöht sich der Druck auf Kiel im Rückspiel.

Welche Bedeutung haben Spiele gegen Kiel für Dich persönlich, schließlich warst  Du bis 2007 für den THW im Einsatz?

Vor dem Spiel ist es schön, weil man bekannte Gesichter trifft und vielleicht mal ein kurzen Plausch hält, aber in der Vorbereitung und im Spiel selbst gibt es keinen Unterschied, weil man sich als Torhüter nur auf die Wurfbilder konzentriert.

Ist es ein Vorteil, dass Du einen Teil der Gegenspieler ganz genau kennst?

Das kann ein Vorteil sein, muss es aber nicht. Auf der anderen Seite kennen die Kieler ja auch den Torhüter ganz gut.