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Bleistift trifft Kugelschreiber

Mannheim. Er ist das, was die Rhein-Neckar Löwen noch werden wollen: die Nummer eins. Der THW Kiel hat Titel geholt, viele Titel. Sehr viele sogar: Meister, Pokalsieger, Champions-League-Gewinner. Die Trophäe, die der ruhmreiche Klub von der Ostsee nicht in die Höhe gestemmt hat, muss noch erfunden werden. Der Verein ist unbestritten Deutschlands erfolgreichste Handball-Adresse.

Doch das soll sich ändern: Beim Final Four um den DHB-Pokal war der THW nicht dabei. In der Bundesliga steht der HSV Hamburg kurz davor, den Kielern den Titel streitig zu machen. Und in der Champions League wollen die Löwen dem erfolgsverwöhnten Topklub aus dem hohen Norden ein Bein stellen. Das Viertelfinal-Hinspiel steigt am Sonntag (19 Uhr) in der SAP Arena.

„Es wird entscheidend sein, ob wir Kiel in eine Drucksituation bekommen“, sagt Löwen-Manager Thorsten Storm, der den Serienmeister unter Zugzwang sieht: „Wir wollen zum Final Four nach Köln, Kiel muss dorthin. Der THW hat den Termin schon mit dem Kugelschreiber in den Kalender eingetragen. Ich habe nur den Bleistift genommen. Das kann man noch wegradieren.“

Die Zeit der Verbalduelle ist somit eröffnet, wenngleich auf dieser Ebene die Brisanz nach dem Ende der Ära von Reizfigur Uwe Schwenker beim THW nachgelassen hat. Dessen Nachfolger Uli Derad polarisiert weniger, im Gegensatz zu Storm, der nicht müde wird, die Norddeutschen mit jeder Silbe unter Druck zu setzen: „Die Kieler waren schon bei der Endrunde um den DHB-Pokal nicht dabei. Das hat sie mächtig gewurmt. Bei denen gibt es ein anderes Anspruchsdenken als bei uns. Wir müssen irgendwann einen Titel holen, Kiel muss mit diesem Kader in diesem Jahr einen Wettbewerb gewinnen.“ Und dann legt er noch nach: „Der THW steht oben und muss diese Position verteidigen, wir sind die Angreifer.“

Es geht auch ums Prestige

Keine Frage: Schon jetzt knistert es vor dem brisanten Kracher gewaltig. Die Begegnungen dieser beiden Klubs sind eben keine stinknormalen Duelle. Wenn der Seriensieger von der Ostsee auf den Emporkömmling aus dem Südwesten trifft, geht es auch um Genugtuung und Prestige. Die Norddeutschen genießen es, dass sie immer noch vor den Badenern stehen. Und die frechen Löwen sind heiß darauf, dem stets selbstsicheren Favoriten eins auszuwischen.

„Gegen Kiel hatten wir zuletzt immer Probleme“, weiß Storm um die Negativbilanz seines Klubs gegen den THW. Dennoch ist der Vizepokalsieger dem Branchenprimus näherkommen, die Löwen sitzen den Zebras im Nacken. Mut macht den Gelbhemden die Leistung im Pokalfinale, als sie dem Tabellenführer Hamburg auf Augenhöhe begegneten. „Von nun an werden wir anders auftreten“, ist Ólafur Stefánsson von einem Mentalitätswechsel überzeugt. Die Löwen wissen offenbar jetzt, dass sie sich in Topform vor niemandem verstecken müssen.

„Temporär können wir mit Hamburg und Kiel mithalten, aber nicht über eine ganze Saison“, sagt Storm mit einem Lächeln und fügt spitzbübisch hinzu: „Wir sind der Außenseiter. Es gewinnt jedoch nicht immer der Favorit.“

Von Marc Stevermüer

 23.04.2010