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Königsklasse ade: Bregenz statt Barcelona

Mannheim. Früh am Morgen setzte sich die badische Reisegruppe in Bewegung. Die Rhein-Neckar Löwen verließen Polen mit Enttäuschung und Trauer im Gepäck – aber ohne das Ticket für die Champions League. Per Bus und Flugzeug ging es zurück nach Deutschland. Stunden vergingen, in denen alle Zeit hatten, darüber nachzudenken, warum es nicht mit der Qualifikation für die Königsklasse klappte und was auf den Handball-Bundesligisten im EHF-Cup zukommt.

Nicht im Rampenlicht

Wer weiß, vielleicht wird der eine oder andere an die unnötigen Punktverluste in der vergangenen Saison gedacht haben, die in der Endabrechnung die direkte Qualifikation für die Champions League kosteten. Möglicherweise hat aber auch schon jemand ein Auge auf die Gegner im EHF-Cup geworfen: Dort heißen die Herausforderer dann nicht Barcelona und Montpellier, sondern Bregenz und Madeira. Und spätestens beim Anblick dieser Kontrahenten sollte wirklich jedem Löwen klar werden, dass er in der kommenden Saison nicht im europäischen Rampenlicht steht und welche Auswirkungen die Ausrutscher der vergangenen Bundesliga-Runde haben.

„Beim Wildcard-Turnier wurde die Champions League nicht verspielt“, betont Trainer Gudmundur Gudmundsson, dessen Mannschaft eine bittere 30:32-Endspiel-Niederlage nach Verlängerung gegen Gastgeber Vive Kielce kassierte: „Für jede Mannschaft der Welt ist es schwer, dort zu gewinnen. Von uns durfte in dieser Partie kein Sieg erwartet werden, in den Bundesliga-Spielen in der zurückliegenden Saison gegen Lemgo, Gummersbach und Wetzlar hingegen schon. Zwei Punkte mehr aus diesen Begegnungen hätten für die direkte Champions-League-Qualifikation gereicht.“

Geschäftsführer Thorsten Storm nimmt trotz des Scheiterns auch etwas Positives aus Polen mit: „Beide Final-Teilnehmer gehören in die Königsklasse, das haben sie bewiesen. Unser Team hat gut gespielt, auf unsere Torhüter Goran Stojanovic, Tomas Svensson und Henning Fritz war Verlass. Die Abwehr, der Gegenstoß – das passt.“ Ins Schwärmen gerät der Manager, wenn er über die Flügelzange Uwe Gensheimer/Patrick Groetzki spricht: „Wie konstant Uwe seit Monaten Topleistungen abruft, ist einfach beeindruckend. Und Patrick befindet sich in einer absoluten Riesenform.“

Dass es trotzdem in Kielce nicht zu mehr reichte, lag vor allem am Rückraum. Das Sorgenkind von einst – es bereitet schon wieder Kopfschmerzen. „Da waren wir außergewöhnlich schwach. Und so etwas macht in einem engen Spiel eben den Unterschied“, analysiert Gudmundsson. Auch Storm sieht das so. „39 Würfe, zwölf Tore, das ist zu wenig“, kritisiert der Geschäftsführer, der mit den Löwen nun im EHF-Cup angreifen will: „Jede neue Situation bietet auch eine neue Chance. Unser Trophäenschrank ist noch leer. Wir werden versuchen, diesen Wettbewerb zu gewinnen.“ Der ersehnte erste Titel könnte endlich in die Vitrine wandern, rein sportlich betrachtet ist ein Halbfinaleinzug in der Champions League allerdings höher zu bewerten als ein Triumph im EHF-Cup. Das wissen auch die Löwen.

Doch bevor es für die Badener auf internationaler Bühne weitergeht, steht morgen (20.15 Uhr) zunächst der Liga-Auftakt beim TV Großwallstadt an. „Ich bin davon überzeugt, dass unsere Niederlage in Kielce keine negativen Auswirkungen auf diese Partie haben wird“, versichert Storm. Trainer Gudmundsson fürchtet indes die Auswirkungen der jüngsten Strapazen: „Wir haben zwei Spiele mit Verlängerung in den Knochen, dazu kommt der Reisestress. Wir müssen Gas geben, um zu gewinnen.“ Schließlich soll die Saison nicht mit einem Ausrutscher beginnen. Welche langfristigen Folgen der haben könnte, wissen die Gelbhemden nur allzu gut.

Von Marc Stevermüer