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Königsklasse im Visier

Gegen Gummersbach wollen die Löwen ihren Sieg über Berlin vergolden

Was war das für ein Kraftakt gegen die Füchse! 31:29 hieß es nach 60 spannenden wie hochklassigen Minuten. Und schon 48 Stunden später steht das nächste Highlight in der SAP Arena an, wenn der VfL Gummersbach in Mannheim zu Gast ist. Um 20:15 Uhr geht’s los…

Manager Thorsten Storm will den Rechenschieber noch nicht bemühen. Zunächst einmal müssen die Gelbhemden die Hürde Gummersbach nehmen, die zwar auf dem Papier leichter als die vom Mittwochabend erscheint, aber zum einen sind die Oberbergischen zurzeit auf dem aufsteigenden Ast, zum anderen hat die Partie gegen die Hauptstädter viel Kraft gekostet.

Mit einem Sieg über den VfL würde das Team von Trainer Guðmundur Guðmundsson zumindest für eine Woche am HSV Hamburg vorbeiziehen und sich auf Rang vier einnisten, der immerhin zur Teilnahme am Wildcard Turnier berechtigt.

„Wir müssen uns einfach nur auf das Spiel konzentrieren und uns nicht von Rechenspielen verrückt machen lassen“, sagt Guðmundsson. In der Tat: Ohne zwei weitere Zähler am Freitagabend wäre der Zug in Richtung Champions League wohl endgültig abgefahren und jegliche Diskussion überflüssig, deshalb müssen die Löwen zunächst ihre Hausaufgaben machen, ehe sie sich mit weiteren Eventualitäten befassen.

Immerhin spricht die Statistik eine positive Sprache, denn fünf der bisherigen HBL-Heimspiele gegen den Traditionsklub entschieden die Badener für sich. „Vielleicht haben wir ja tatsächlich die Chance, nächste Saison in der Königsklasse dabei zu sein“, sagt Keeper Henning Fritz, der gegen Berlin nach seiner Einwechslung zum unumstrittenen Matchwinner avancierte. „Gummersbach kann entspannt hierher kommen, während wir natürlich schon unter Druck stehen“, so der Ex-Nationalspieler. „Aber der Sieg vom Mittwoch sollte uns die nötige Lockerheit und Selbstsicherheit geben.“

 

VfL Gummersbach im Porträt: Ein Jahr voller Sorgen

Beim VfL Gummersbach war in den zurückliegenden Monaten wahrlich viel los. Im ersten Halbjahr der aktuellen Saison schlitterten die Oberbergischen sportlich in die größte Krise der jüngeren Vergangenheit, rutschten zeitweilig bis auf den vorletzten Tabellenplatz ab und viele Experten hielten den Abstieg des Traditionsklubs für absolut realistisch. Die Folge war die Trennung von Coach Sead Hasanefendić, für den Emir Kurtagić das Kommando übernahm. Der vorherige Co-Trainer schaffte plötzlich die Wende, seit der EM-Pause ist der VfL das Überraschungsteam der Liga und hat inzwischen die Abstiegszone verlassen. Doch Ruhe kehrt in Gummersbach deshalb nicht ein, denn nach der sportlichen Rettung gibt es jetzt neue Sorgen. Die HBL verwehrt der traditionsreichen Eugen-Haas-Halle nämlich die Zulassung als Heimspielstätte des VfL in der nächsten Spielzeit und stellt die Verantwortlichen damit vor große Probleme. Die neue Halle in Gummersbach wird erst zur Saison 2013/14 fertig, so dass bis dahin Ersatz her muss.

„So wie die Halle jetzt da steht, wird dort kein Liga-Spiel ausgetragen. Die Anforderungen gelten für alle Bundesligisten gleichermaßen. Wir werden für Gummersbach keine Ausnahme machen“, erklärte jüngst HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. VfL-Geschäftsführer Axel Geerken ist jetzt gefordert: Wir beschäftigen uns intensiv mit Alternativen wie einem temporären Umbau oder einem Umzug für einzelne Bundesligaheimspiele in eine andere Spielstätte.“ Mögliche Ausweichhallen stünden in Köln, Leverkusen, Bonn, Wuppertal oder Siegen zur Verfügung. In der Vergangenheit hatte der VfL mit dem Umzug in die Lanxess-Arena nach Köln keine guten Erfahrungen gemacht und sein Augenmerk eigentlich darauf gerichtet, die Voraussetzungen für Profi-Handball dauerhaft in der Region rund um Gummersbach zu schaffen.

Gerade aus diesem Grund hatte der Klub den Hallen-Neubau vorangetrieben, für den der erste Spatenstich bald erfolgen soll. Zum Beginn der Spielzeit 2013/14 wollen die Gummersbacher schließlich in die Schwalbe-Arena umziehen, die ein Fassungsvermögen von 4.000 Zuschauern aufweist. Bis dahin, so die Hoffnung der VfL-Verantwortlichen, sollte die Eugen-Haas-Halle die eigene Festung bleiben. „Wir wollen nicht in eine andere Halle ausweichen“, sagt Geerken, der auf einen Kompromiss mit dem Ligaverband hofft, was jedoch zusätzliche Investitionen in die alte Spielstätte nach sich ziehen würde.

Eventuell bekommt die alt­ehrwürdige Halle noch mal einen neuen Anstrich. Der Spielort, in dem der VfL unter anderem zwölf deutsche Meisterschaften und fünf Siege im Europapokal der Landesmeister feierte. Nur der THW Kiel hat inzwischen mehr nationale Titel gesammelt, war in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aber noch nicht auf der Bildfläche, als die Gummersbacher das Nonplusultra im deutschen und europäischen Handball darstellten.

Davon ist der VfL aktuell weit entfernt und um die Jahreswende sah es sogar so aus, als ob der ruhmreiche Klub ab diesem Sommer nur noch zweiklassig spielt. Nach der 29:31-Niederlage Ende November gegen den Bergischen HC zogen die Verantwortlichen die Reißleine und stellten mit Sead Hasanefendić den Erfolgstrainer der Vorjahre frei. Unter ihm hatte der VfL drei Jahre in Folge immer in einem der Europapokal-Wettbewerbe triumphiert (EHF-Pokal 2009, Cup Winners Cup 2010, 2011) und das Image des Klubs damit national wie international aufpoliert.

Als Nachfolger wurde aber kein externer und bekannter Trainer geholt, sondern die Verantwortung auf Emir Kurtagić übertragen. Der gerade 31-jährige Übungsleiter sollte den Abstieg des Traditionsvereins verhindern – und wirkte unaufgeregt auf das zu diesem Zeitpunkt völlig verunsicherte Team ein. „Meine Mannschaft hat genug Qualität für den Ligaverbleib“, sagte der Bosnier und machte sich nach der EM-Pause daran, den Beweis für seine Aussage anzutreten. Mit fünf Siegen in Serie starteten die Oberbergischen ins Jahr 2012 und überzeugten dabei nicht nur mit den Ergebnissen, sondern auch durch die Leistungen. Die Gummersbacher waren kaum mehr wiederzuerkennen und spielten temporeichen Handball, so dass die Arbeit von Kurtagić fruchtete. „Emir hat dem Team neues Leben eingehaucht“, lobte Geerken den Mann auf der Kommandobrücke, der im Sommer den Staffelstab aber schon wieder abgibt.

Der Verantwortliche für den aktuellen Höhenflug zieht sich dann wieder ins zweite Glied zurück, denn Kurtagić wird sportlicher Leiter der VfL-Akademie und soll mithelfen, dass die Oberbergischen künftig wieder verstärkt auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bauen können. „Ich freue mich sehr auf meine Aufgabe, mit dem Team der Akademie bundesligataugliche Spieler auszubilden“, sagt der Coach.

Sein Nachfolger auf der Bank des Bundesliga-Trainers wird Jan Gorr, der im Vorjahr mit dem TV Hüttenberg überraschend den Aufstieg in die Bundesliga feierte und in dieser Spielzeit noch vage Hoffnungen auf den Ligaverbleib hat. Immerhin ist eine Vorstellung jetzt nicht mehr realistisch, die um Weihnachten herum noch möglich schien. Nämlich die, dass Gorr mit dem TVH den Klassenerhalt schafft und die Gummersbacher absteigen. Gorr bleibt also Bundesliga-Coach und hat es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass der VfL Gummersbach in den kommenden Jahren nicht erneut in Abstiegsgefahr gerät.

Mit Kentin Mahé haben die Gummersbacher dafür einen Spieler im Kader, hinter dem schon jetzt die halbe Bundesliga her ist. Der 20-Jährige ist bereits unumstrittener Chef in der Offensive des VfL und steht im erweiterten Kader der französischen Nationalmannschaft. „Kentin ist ein Juwel“, ist Kurtagić voll des Lobes über seinen Spielmacher, der gemeinsam mit Barna Putics und Adrian Pfahl einen nur schwer zu kontrollierenden Rückraum des VfL bildet.

Mahé ist mit einem Vertrag bis Juni 2014 ausgestattet und die Verantwortlichen des Traditionsklubs hoffen darauf, dass das große Talent, das bei der Junioren-EM 2010 in Bratislava als wertvollster Spieler (MVP) ausgezeichnet wurde, mindestens so lange für die Oberbergischen aufläuft.

In der SAP Arena können die Gummersbacher völlig sorgenfrei auftreten und wollen die Löwen in ihrem eigenen Wohnzimmer ärgern. Die Zuschauer können sich auf gute Unterhaltung einstellen, wenn die Partie ähnlich verläuft wie die bisherigen zwischen beiden Klubs in der Arena. Zuletzt gewannen die Löwen knapp mit 36:34 und boten gegen den VfL großen Sport.