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Ein spannender Saisonausklang (RNZ)

Heidelberg. Der Schrei kam aus dem Publikum, war aber trotz der ganzen Trommeln nicht zu überhören: „Fritze, nagel die Hütte zu!“ Schrie einer. Gemeint war Henning Fritz, 37, der Weltmeister, der Torhüter-Routinier der Rhein-Neckar Löwen. Der war in diesem Moment gerade auf die Platte gestürmt. In der 42. Minute durfte er endlich das machen, was erambesten kann. Seine Mission: Die Berliner Füchse das Fürchten lehren. Fokussiert, voll konzentriert wirkte er. Aber aufnahmefähig. So schien es zumindest, denn der Hexer schreckte kurz auf, schaute hoch, so, als wolle er den Schreihals, seinen ganz persönlichen Fan, lokalisieren.

Wie auch immer, wenig später tat Fritz dann genau das, was der Mann gefordert hatte. Der gebürtige Magdeburger nagelte das Tor zu. Für fünf Minuten.

300 Sekunden, die im Handball eine halbe Ewigkeit sind. Wie ein Roboter bewegte er sich: Linkes Bein hoch, abgewehrt; rechter Arm raus, abgewehrt; Ausfallschritt zur Seite, abgewehrt.Und in Zahlen ausgedrückt: Fritz „verhexte“ Berlin, drehte ein 20:22 in ein 24:22.

Matchwinner, Mann des Spiels – am Mittwochabend war Fritz alles.

Irgendwie passte jedes Superlativ. Klar, dass da dann auch sein Trainer mit einstimmte. „Riesen-Kompliment an Henning. Er war es, der den Sieg festgehalten hat. Seine Quote lag bei 50 Prozent“, nickte Gudmundur Gudmundsson anerkennend und begann sich durch die Statistik zu blättern: „Halt, es waren sogar zehn Paraden bei 17 Würfen, noch besser also.“

Alles in allem, eine Leistung, die es einem im Anschluss schwer macht, „unerkannt“ in die Kabine zu huschen. Denn diesmal wartete jeder auf ihn, hielt Ausschau. Fan, Journalist, Fotograf – einfach alle. Und so kam es, wie es kommen musste, kaum hatte der Sympathieträger die Autogrammjäger abgearbeitet, stellte sich ihm eine mediale Wand in den Weg. Gefragt wurde viel und die Antworten kamen wie aus der Pistole geschossen. Fritz war stolz, vor allem auf sich. Der Hexer: „Ich bin sehr glücklich, dass ich nach einer langen Zeit mal wieder einen Beitrag leisten konnte und zwar genau den, den ich mir vorgestellt hatte.“

Wie wichtig die Fritz-Gala war, verdeutlicht ein kurzer Blick auf die Tabelle der Handball-Bundesliga. Die liest sich seit Mittwochabend nämlich wieder deutlich löwen-freundlicher. Was unter anderem auch mit dem HSV Hamburg und tapferen Melsungern zusammenhängt. Die Hessen sorgten parallel zum Löwen-Spiel nämlich für die Sensation: Die Sieben von Ex-Krösti Michael Roth brachte den deutschen Meister zu Fall. Folglich haben die Löwen – vier Spieltage vor Saisonende – als Fünfter nur noch einen Punkt Rückstand auf den HSV, den Vierten. Auch Berlin, der Dritte, ist plötzlich nur noch zwei Punkte weg. Der Traum von der Champions League lebt also nicht nur, er ist sogar so greifbar wie lange nicht mehr.

Gudmundsson weiß das auch, ignoriert es aber. Öffentlich sowieso.

Der Isländer hat nämlich gelernt, aus seiner langjährigen Trainertätigkeit und aus seinem Engagement bei den Löwen im Besonderen: „Zu Zielen sage ich gar nichts mehr“, schmunzelte er am Mittwoch leicht gequält, „Auskünfte gibt es immer nur noch zum nächsten Gegner.“ Und der heißt Gummersbach. Der Altmeister tritt bereits heute in der SAP Arena an. Anwurf ist um 20.15 Uhr. Gudmundsson: „Auch die wollen wir schlagen, müssen dafür aber erneut an die Grenzen gehen.“ Stimmt! Der VfL spielt eine überragende Rückrunde, ist in diesem Jahr kaum wieder zu erkennen.

Zudem ist die Saison für den Bundesliga-Dino bereits gelaufen. Und genau das macht ihn so gefährlich. Henning Fritz warnt schon mal: „Die haben nichts mehr zu verlieren, entspannter kann man eigentlich kaum anreisen.“

Bei den Rhein-Neckar Löwen ist die Ausgangslage dagegen anders: Aus dem gemütlichen Saisonausklang ist über Nacht ein spannender geworden, in dem in Sachen Champions League wieder alles möglich ist.

Zum Glück.

Von Daniel Hund