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Kurz vor der Krönung (MM)

Mit dem Sieg über Melsungen kommen die Löwen dem Titel näher – aber Kiel kann Sonntag nachlegen

MANNHEIM. Als die fulminante Torgala beim 41:28 über die MT Melsungen beendet und die Meisterschaft wieder ein Stück näher gerückt ist, wird es emotional in der SAP Arena. Die Rhein-Neckar Löwen setzen sich erschöpft und glücklich auf den Hallenboden, blicken gespannt auf den Videowürfel und schauen sich zusammen mit den begeisterten 12 022 Zuschauern die (bisherigen) Höhepunkte dieser Saison an. Sie sehen atemberaubende Treffer, sensationelle Torwartparaden – und vor allem Jubel. Keine Frage: Diese Bilder, sie gehen unter die Haut. Auch bei Trainer Gudmundur Gudmundsson. „Mir sind viele Gedanken durch den Kopf gegangen, emotional war das ein schwieriger Moment“, sagt der spürbar mitgenommene Coach später bei der Pressekonferenz: „Einige Tränen wollten raus, sie sind allerdings drin geblieben. Aber die kommen bestimmt wieder.“

Er weiß: Die Partie gegen Melsungen war zwar das letzte Bundesliga-Heimspiel der Löwen in dieser Saison, aber am 25. Mai kommt der EHF-Pokalsieger beim Abschiedsspiel von Oliver Roggisch noch einmal zurück in sein „Wohnzimmer“ – und bringt dann vielleicht die Meisterschale mit. „Wir werden alles versuchen, um diesen Titel zu holen“, verspricht Gudmundsson, für den der Triumph in der Bundesliga ein perfekter Abschied wäre. Nach dieser Saison wird der Isländer Trainer der dänischen Nationalmannschaft.

21 Treffer besser als der THW

Mit dem Erfolg über Melsungen setzen die Badener den THW Kiel erst einmal gewaltig unter Druck. Die Tordifferenz der Gelbhemden ist momentan um 21 Treffer besser als die der Norddeutschen, die am Sonntag bei TuS N-Lübbecke nachziehen müssen. Übrigens: Aus dem Löwen-Rudel will sich keiner das Spiel des Rivalen ansehen. „Wir schauen nur auf uns“, betont Gudmundsson, der seiner Mannschaft nach dem überzeugenden Auftritt gegen die Nordhessen am Donnerstag frei gibt. Er selbst hingegen lehnt sich nicht zurück, sondern tüftelt und feilt an Verbesserungen, schaut sich das Spiel gegen Melsungen auf Video an. Der Isländer kann einfach nicht anders. „Sonst sterbe ich“, sagt der Trainer mit einem herzhaften Lachen. Er ist glücklich – und vor allem stolz: „Von 17 Heimspielen haben wir 17 gewonnen. Das ist unglaublich. Und ich weiß gar nicht, wie viele Bundesliga-Partien wir jetzt in Folge gewonnen haben.“

Es sind 16 Siege am Stück – eine unglaubliche Bilanz, die den Löwen vor dem letzten Spiel am 24. Mai in Gummersbach die Chance auf den Titel bietet. „Momentan haben wir eine Hand an der Schale. Was dieser Sieg wert ist, wissen wir aber erst, wenn Kiel gespielt hat. Beim THW weiß man ja nie“, bleibt Kapitän Uwe Gensheimer bei aller Euphorie vorsichtig. Und das aus gutem Grund: Zuletzt verloren die Lübbecker in eigener Halle gegen das abgeschlagene Tabellenschlusslicht Emsdetten nach desolater Vorstellung mit 27:35.

„Ich hoffe, dass der TuS gegen Kiel jetzt noch einmal alles reinwirft“, setzt Andy Schmid auf das zweite Gesicht der Ostwestfalen, die in dieser Saison gegen die Löwen gewonnen haben. Bleibt die Schützenhilfe aus, wird das den EHF-Pokalsieger allerdings auch nicht aus der Bahn werfen. Zu groß sind das Vertrauen in die eigene Stärke und der Glaube an die Meisterschaft.

„Für uns stand außer Frage, dass wir gegen Melsungen gewinnen“, unterstreicht Linksaußen Gensheimer das neue Selbstverständnis der Löwen. Nichts anderes ist auch den Worten des wieder einmal überragenden Spielmachers Schmid zu entnehmen: „In unseren kühnsten Träumen haben wir daran geglaubt, mit elf Treffern Differenz zu gewinnen. Jetzt haben wir sogar noch etwas draufgepackt.“

„Es ist schon eine gute Saison“

Und dennoch wird wohl auch in Gummersbach ein hoher Sieg notwendig sein, um Meister zu werden. „Für uns ist es ohnehin schon eine sehr gute Saison. Jetzt geht es nur noch darum, ob wir uns dafür auch belohnen“, versucht Manager Thorsten Storm den Druck von seiner Mannschaft zu nehmen. Das ist verständlich, wenngleich es in ihm bestimmt ganz anders aussieht. Wer so kurz vor der Meisterschaft steht, will sie auch gewinnen – das Video mit den Saisonhöhepunkten lässt sich bestimmt noch um ein paar Szenen erweitern.

Von Marc Stevermüer