Veröffentlichung:

Die Rhein-Neckar Löwen befinden sich auf Meisterschaftskurs (RNZ)

Die Krönung für eine grandiose Saison ist zum Greifen nah. Kiel muss am Sonntag nachlegen

Mannheim. Dieser Abgang hatte was, war ganz großes Kino. So emotional, so majestätisch. Es war um kurz nach 22 Uhr, der Tribünenbereich in der SAP Arena hatte sich längst geleert. Nur die Treuesten der Treuen harrten noch aus. Ein paar Hundert vielleicht. Und die waren plötzlich wieder hellwach, feierten einen, den sie in der neuen Saison nicht mehr sehen werden: Gudmundur Gudmundsson, den Noch-Trainer der Rhein-Neckar Löwen, den Bald-Nationaltrainer von Dänemark. „Super Gudmi“, riefen manche und reckten dabei beide Fäuste in Richtung Arenadach. Andere klatschten einfach nur, bedankten sich für eine tolle Zeit, für vier Jahre gehobene Handball-Kunst unter der Regie des kleinen Isländers.

Gudmundsson selbst nahm es gelassen hin, rein äußerlich zumindest. Tief in ihm drin sah es nach seinem letzten Pflichtspiel im „Ufo“ anders aus. Nämlich so: „Das war schon sehr bewegend, was sich da abgespielt hat. Und ich habe wirklich mit den Tränen gekämpft.“ Seufzte der Taktikfuchs im RNZ-Gespräch mit belegter Stimme. „Aber für die war noch keine Zeit, noch ist es ja nicht vorbei.“

Stimmt, da fehlt ja noch etwas. Ironie an: So eine relativ unbedeutende Meisterschale. Ironie aus: Die Krönung für eine grandiose Saison ist zum Greifen nah. Löwen-Manager Thorsten Storm sagt: „Am Samstag in einer Woche steigt unser letztes Endspiel.“ Beim VfL Gummersbach kann das badische Meisterstück perfekt gemacht werden. Die Chancen stehen sehr gut, nach der Mittwochsgala gegen die MT Melsungen (41:28) sowieso. Selbst Storm, mittlerweile ein meisterlicher Stratege des Understatements, kann da nicht widersprechen: „Unsere Chancen sind definitiv gestiegen“, grinste er in die Presserunde.

„Wir schauen nur auf uns“

Im Klartext: 21 Tore liegen die Löwen nun wieder vor dem THW Kiel, der noch eine Partie mehr vor der Brust hat und am Sonntag ab 15.30 Uhr bei der TuS N-Lübbecke nachlegen muss. Richtig, ausgerechnet bei der Mannschaft, die sich zuletzt bis auf die Knochen blamiert hat: Gegen das Schlusslicht aus Emsdetten kassierte Lübbecke eine 27:35-Heimpleite.

Kiel dürfte demnach leichtes Spiel haben. Michael Roth, der Trainer der MT Melsungen, beurteilt die Lage ein wenig anders. Der Ex-Krösti zur RNZ: „Ich glaube, dass Lübbecke dieses Spiel hoch motiviert angehen wird, schließlich haben sie etwas gut zu machen.“

Sei’s drum, beeinflussen können es die Löwen ohnehin nicht – nur zuschauen und den Ostwestfalen die Daumen drücken. Denkste, nicht mal das werden sie tun. Denn Storm und Gudmundsson haben am Sonntag Besseres vor. Familie statt Handball, Akku aufladen statt unnötiger Stress. „Mich interessiert dieses Spiel überhaupt nicht“, zuckt Gudmundsson fast schon demonstrativ mit den Schultern. Und Storm legt nach, sagt: „Wir schauen nur auf uns.“ Hört sich entschlossen an, aber irgendwie auch leicht geflunkert. Denn zumindest via Handy und Liveticker dürften sie am Sonntag mittendrin statt nur dabei sein, egal, wo sie sich auch aufhalten werden.

Ihren Denker und Lenker lässt das Kieler Gastspiel nicht kalt. Im Gegenteil, Löwen-Spielmacher Andy Schmid war schon am Mittwochabend infiziert: „Ich hoffe, dass Lübbecke sich voll reinhängen wird. Melsungen hat das bei uns ja auch getan.“

Auch von den 21 Toren, die eigentlich eine Bank sein sollten, will sich der Schweizer nicht blenden lassen. „Soweit ich mich erinnern kann, hat Kiel kürzlich in Lemgo mit 22 Toren gewonnen“, runzelt der Taktgeber der Gelben die Stirn: „Ich lasse mich deshalb auch zu keinerlei Prognosen mehr hinreißen.“

Kein Problem, denn wie heißt es doch so schön: Entscheidend ist auf’m Platz. Und auf dem haben die Badener zuletzt immer die passenden Antworten gegeben. In Gummersbach soll das ähnlich sein. Gudmi verspricht: „Wir haben nun über eine Woche Zeit, uns auf dieses Spiel vorzubereiten und die werden wir nutzen.“

Von Daniel Hund