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Lemgo entführt einen Punkt aus der Arena

Fritz hält das 31:31 fest / Im Pokal gegen Melsungen

Mit einem 31:31 (17:12) gegen den TBV Lemgo schraubten die Rhein-Neckar Löwen ihr Punktekonto auf 26:8 Zähler und verzeichneten somit die beste Hinrundenbilanz ihre Bundesliga-Geschichte. Dennoch gab es nach der Partie vor 8.813 Zuschauern in der SAP ARENA vornehmend lange Gesichter im Rudel.

„Wenn man in den Schlusssekunden zwei Bälle hält, muss man von Glück reden, wenn es am Ende noch für einen Punkt reicht“, sagte ein sichtlich angefressener Henning Fritz. Während sich die Teamkollegen des Löwen-Keepers enttäuscht zurückzogen, feierten die Lemgoer den Punktgewinn in Mannheim wie einen Sieg und wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten: Mit zwölf Paraden in der zweiten Halbzeit drehte Nationaltorwart Carsten Lichtlein die Partie fast im Alleingang. „Einige waren heute nicht auf der Höhe“, ereiferte sich Fritz, der sich vor allem darüber ärgerte, dass seine Vorderleute im ersten Abschnitt, als Lemgos tschechischer Schlussmann Martin Galia keinen Ball hielt, nicht mehr als fünf Tore Vorsprung herauswarfen.

Dabei hatte es nach den ersten 30 Minuten unterm Strich gut ausgesehen für die Löwen. Das Rückhandtor Uwe Gensheimers zum 12:10 (20.) war die Initialzündung zum 6:2-Zwischenspurt, der zur Pause für eine beruhigende Führung sorgte. Bei dieser Aktion düpierte der Löwen-Linksaußen Lemgos Keeper Martin Galia, der in der gesamten ersten Halbzeit keinen einzigen Ball zu fassen bekam und entsprechend null Paraden verzeichnete. Nach einer anfänglichen 3:2-Führung war der TBV auch bald mit seinem Latein am Ende. Henning Fritz fand im Gegensatz zu seinem Gegenüber in die Partie, und die „Dreher“ Florian Kehrmanns nach einem geglückten Versuch nicht mehr den Weg ins Tor. Eine unangenehme 5:1-Deckung mit dem vorgezogenen Gensheimer machte den Lipperländern das Leben schwer, ganz nebenbei markierte die Nummer 3 allein im ersten Durchgang sechs Tore und leistete sich dabei den Luxus, einen Siebenmeter an die Lattenoberkante zu lupfen. Ólafur Stefánsson, ansonsten eher auf spektakuläre Pässe bedacht, hatte mit zwei Hammerwürfen für den ersten Ausreißversuch gesorgt, den Lemgo noch bremsen konnte (11:10, 19.). Beim Stand von 14:10 versuchte TBV-Trainer Volker Mudrow noch einmal, den gelben Express mit einer Auszeit aufzuhalten, doch die Löwen zogen auf 17:11 davon, ehe Christoph Theuerkauf noch per Siebenmeter verkürzte.

Ohne den am Daumen verletzten Žarko Šešum, dafür aber wieder mit Ivan Čupić, der allerdings nicht zum Einsatz kam und lediglich auf der Bank Platz nahm, ließen sich die Gelbhemden auch von zwei schnellen Gegentoren im zweiten Abschnitt zunächst nicht verunsichern: Andy Schmid schraubte mit seinem dritten Tor – wie die zwei zuvor in Unterzahl erzielt – das Resultat wieder auf 21:17. Carsten Lichtlein, der im zweiten Durchgang anstelle des glücklosen Galia zwischen den Pfosten stand, machte aber den Löwen das Leben deutlich schwerer, und so fanden die Lemgoer plötzlich ins Spiel zurück. Der Nationalkeeper parierte unter anderem einen Siebenmeter Gensheimers, zog einen missglückten Lupfer Bjarte Myrhols wie mit einem Magneten an und leitete den Gegenzug ein, den Kehrmann zum 22:22 abschloss (45.). Auszeit Guðmundsson – es ging es also wieder bei null los. Doch Lemgo ging sogar in Führung (23:25), weil Lichtlein sein Tor regelrecht vernagelte und die Löwen im Angriff zunehmend unruhiger wurden. Guðmundsson spielte die Karte Szmal für Fritz, doch auch der Welthandballer konnte nicht entscheidend einlenken. Die Lemgoer trafen jetzt traumwandlerisch und zogen sogar auf drei Tore davon (26:29, 54.). Stefánsson, der sich mit all seiner Erfahrung am auffälligsten gegen den drohenden K.o. zur Wehr setzte, und Myrhol glichen die Partie wieder aus. Wie schon gegen Celje und Gummersbach war die Spannung in der Schlussphase zu greifen. Doch diesmal reichte es nur zu einem Teilerfolg. Rolf Hermann guckte sich Szmal aus und traf zum 30:31. Der Pole machte nach 13 Minuten ohne Parade erneut für Fritz Platz. Eine Minute vor Schluss gelang Grzegorz Tkaczyk ein wichtiger Ballgewinn, den er zum 31:31 vergoldete. Danach wurde nur noch gezittert, denn die Löwen kamen nicht mehr an den Ball. Fritz parierte per Fußabwehr einen Wurf Hermanns, doch die Harzkugel flog ins Seitenaus. Noch elf Sekunden. In der vorletzten Aktion des Spiels „checkte“ Roggisch Hermann und sah dafür die Rote Karte. Noch drei Sekunden. Letzte Chance Lemgo, wieder Hermann, wieder hält Fritz. Das 31:31 feierten die Lemgoer wie einen Sieg.

„Wer hätte gedacht, dass wir hier einen Punkt holen?“, fragte ein zufriedener Mudrow in die Runde und verriet: „Ich musste Carsten zu seinem Einsatz zwingen. Er hatte Rückenschmerzen und wollte nicht spielen. Aber ich sagte: Du musst.“ Löwen-Coach Guðmundsson konnte sich den Blackout seiner Jungs in der zweiten Halbzeit kaum erklären: „Wir wollten die Konzentration hochhalten und im zweiten Abschnitt Gas geben. Es ist ein verschenkter Punkt, weil wir das Spiel einfach in der zweiten Halbzeit nach Hause bringen müssen. Aber Lemgos Flügelspieler haben allein 14 Tore erzielt. Wir haben gegen Celje und Gummersbach schon russisches Roulette gespielt, heute ist das nicht gut gegangen.“ Von einem klaren Punktverlust sprach auch der stärkste Löwe, Ólafur Stefánsson. „Die Weihnachtsstimmung lassen wir uns jetzt deswegen nicht verhageln“, sagte Löwen-Manager Thorsten Storm. „Aber das Unentschieden schmerzt.“

Die Auslosung für das DHB-Pokal-Viertelfinale, das Anfang März 2011 ausgetragen wird, bescherte den Löwen derweil ein Heimspiel gegen die MT Melsungen. Die weiteren Paarungen: Füchse Berlin – THW Kiel, Frisch Auf Göppingen – SC Magdeburg und VfL Bad Schwartau – SG Flensburg-Handewitt.

Rhein-Neckar Löwen: Fritz (bis 45., ab 58.), Szmal (45.-58.) – Stefánsson (8/3), Lund (1), Bielecki (5) – Groetzki (2), Gensheimer (6/2) – Myrhol (4) – Schmid (3), Roggisch, Tkaczyk (1), Gunnarsson, Sigurðsson (1), Čupić (n.e.).
TBV Lemgo: Galia (bis 30.), Lichtlein (ab 31.) – Hermann (2), Strobel (4), Datukašvili – Kehrmann (8), Liniger (6) – Preiß (5) – Ilyés (2), Smoler (2), Bechtloff (n.e.), Theuerkauf (2/1), Schneider.
Strafminuten: Lund (2), Roggisch (4), Myrhol (2) – Theuerkauf (2), Kehrmann (2), Strobel (2).
Disqualifikation: Rot für Roggisch wegen Unsportlichkeit (60.).
Trainer: Guðmundur Guðmundsson – Volker Mudrow.
Zuschauer: 8.813.
Schiedsrichter: Lars Schaller (Leipzig) / Sebastian Wutzler (Frankenberg).
Spielfilm: 2:3 (5.), 5:5 (10.), 9:7 (15.), 12:10 (20.), 14:11 (25.), 17:12 (Halbzeit) – 18:15 (35.), 21:17 (40.), 22:22 (45.), 24:25 (50.), 28:29 (55.), 31:31 (Endstand).
Zeitstrafen: 4 / 3.
Siebenmeter: 8/5 – 1/1.
Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer wirft übers Tor.
Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer scheitert an Lichtlein.
Rhein-Neckar Löwen: Stefánsson scheitert an Lichtlein.
Beste Spieler: Stefánsson – Lichtlein, Kehrmann.