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Lindgrens klares Konzept: das Kollektivspiel

Mannheim. Aufmerksam verfolgt Ola Lindgren das Geschehen auf dem Feld. Gerade hat sich sein Team mal wieder einen katastrophalen und völlig unnötigen Ballverlust im Spielaufbau erlaubt und den Gegner aus Montpellier erneut zum Tempogegenstoß eingeladen. Der Trainer der Rhein-Neckar Löwen behält trotzdem die Ruhe.

Er beobachtet das Verhalten seiner Mannschaft bei der 28:39-Testspiel-Niederlage ganz genau, schonungslos decken die Franzosen die Schwächen seiner Formation auf. „Wir haben deutlich gesehen, was wir besser machen müssen“, sagt der Schwede nach der Partie völlig unaufgeregt.

Dieses Verhalten ist typisch für den 45-Jährigen, der akribisch die Fehler seiner Spieler analysiert und sich mit seiner ruhigen und besonnenen Art in der internationalen Handball-Szene einen erstklassigen Ruf erarbeitet hat. In Fachkreisen gilt er – trotz eines Ólafur Stefánsson – als stärkster Neuzugang des badischen Bundesligisten.

Leichte Entscheidung

„Die Entscheidung für die Rhein-Neckar Löwen ist mir nicht schwer gefallen“, sagt Lindgren. Die sportliche Perspektive und das Umfeld seien hervorragend, betont der Trainer, der auch noch die schwedische Nationalmannschaft betreut und seinen neuen Verein als „absoluten Topklub“ bezeichnet. Wunderdinge dürfen allerdings auch von ihm nicht erwartet werden. Er weiß: Der Aufbau einer Meistermannschaft benötigt Zeit: „Mit ein wenig Kontinuität ist viel möglich. Wir werden auf jeden Fall hart für unsere Ziele arbeiten.“ Einen Titel will er in seiner ersten Saison nicht versprechen, mit der Qualifikation für die Champions League wäre der Trainer zufrieden.

Die personelle Steilvorlage ist auf jeden Fall da, um das gesteckte Ziel auch zu erreichen. Nun liegt es an Lindgren, die individuellen Fähigkeiten zu einem Gesamtwerk zusammenzufügen. Er muss das Gleichgewicht zwischen Kampf und Kunst, Athletik und Ästhetik finden: Es geht um Stabilität in der Abwehr und Spielfreude im Angriff.

„Ich lege viel Wert auf eine starke Deckung und ein gutes Gegenstoßspiel. In der Offensive kommt es mir auf das Kollektiv an“, umschreibt der Trainer sein klar strukturiertes spielerisches Konzept. Lindgren pflegt – wie schon sein Vorgänger Wolfgang Schwenke – im Umgang mit der Mannschaft einen kommunikativen Stil. Er will nicht der Freund der Spieler sein, legt aber Wert auf deren Meinung.

Seinen Ex-Klub HSG Nordhorn, der wegen einer Insolvenz in die Zweite Bundesliga absteigen musste, führte er mit seiner Philosophie an die nationale Spitze. Zunächst wirkte der Schwede als Spieler am Handball-Märchen in der niedersächsischen Grafschaft Bentheim mit. Sein Trainer damals: Kent-Harry Andersson, der mittlerweile als Sportlicher Berater bei den Löwen gelandet ist. Lindgren führte den Erfolgsweg seines Vorgängers fort und formte aus der HSG den EHF-Pokal-Sieger 2008.

Beim badischen Bundesligisten sind die beiden Schweden jetzt wieder vereint. Sie haben viel vor – und einen großen Wunsch. „Ich hoffe“, sagt Lindgren, „dass wir irgendwann mit den Löwen in der Bundesliga nach Nordhorn reisen können.“

Von Marc Stevermüer

 04.09.2009