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Neue, Mannschaft, neuer Trainer, alter Traum

Mannheim. Die Euphorie ist riesig, der Erfolgsdruck auch. Wenn die Rhein-Neckar Löwen am Samstag gegen TuS N-Lübbecke (19 Uhr/Mannheimer SAP Arena) in die Bundesliga-Saison starten, wird Handball-Deutschland ganz genau hinsehen. Die Kernfrage lautet: Kann der Emporkömmling aus dem Südwesten nach seinem Vorstoß in die nationale und europäische Spitze jetzt auch einen Titel gewinnen? Planbar ist der Erfolg sicherlich nicht bis ins letzte Detail, dennoch haben sich die Chancen der Badener gegenüber den Vorjahren erheblich verbessert.

Serienmeister THW Kiel muss fortan ohne die Spitzenkräfte Vid Kavticnik, Nikola Karabatic und Stefan Lövgren auskommen. Die Norddeutschen haben in Daniel Narcisse, Christian Sprenger und Momir Ilic zwar erstklassige Neuzugänge verpflichtet, doch die Mannschaft muss sich erst noch finden. Ein Durchmarsch des THW erscheint fraglich, der HSV Hamburg ist neben Kiel der heißeste Anwärter auf den Titel.

Prieto soll Abwehr-Problem lösen

Und die Löwen? Die haben sich dank ihres 7-Millionen-Euro-Etats gewaltig verstärkt. Prominentester Neuzugang ist Rückraum-Rakete Ólafur Stefánsson. Bei der Zusammenstellung des neuen Kaders suchte Geschäftsführer Thorsten Storm in erster Linie Spieler, die das chronische Abwehr-Problem der Badener beheben sollen. Und der Manager wurde fündig: Allen voran der spanische 2,03-Meter-Hüne Carlos Prieto soll dabei helfen, den zuletzt äußerst porösen Defensivverbund abzudichten. „In unserer Abwehr haben wir gegenüber anderen Top-Teams in Europa noch aufzuholen – dabei wird uns Carlos helfen“, sagt Storm.

Gesucht wird noch ein zweiter Rechtsaußen neben Patrick Groetzki. Allerdings scheinen die Badener schon fündig geworden zu sein. Der Transfer des kroatischen Nationalspielers Ivan Cupic vom slowenischen Meister Gorenje Velenje ist offensichtlich nur noch eine Formsache. Wesentlich mehr Sorgen bereitet dagegen die Zentrale. Zwar ist der gelernte Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson auf der Mitte für den erneut verletzten Grzegorz Tkaczyk mehr als nur ein Ersatz. Dennoch schaut sich Storm nach einem neuen Regisseur um – spätestens im kommenden Jahr hätte er das ohnehin getan.

Fraglich ist jedoch, ob die Löwen ihren absoluten Wunschspieler auch bekommen. „So kurz vor Saisonstart gibt eigentlich kein Verein mehr einen Mittelmann frei, der für uns auch interessant wäre“, sagt der neue schwedische Trainer Ola Lindgren: „Wir schauen daher, welche Klubs zurzeit finanzielle Sorgen haben und einen Spieler verkaufen müssen.“

Das gilt im Prinzip für fast jeden spanischen Verein. Dalibor Doder (BM Aragon) ist ein Landsmann von Lindgren und passt ins Beuteschema der Löwen. In der Bundesliga benötigt der VfL Gummersbach Geld. Aus dem Kader der Oberbergischen können Drago Vukovic und Viktor Szilágyi auf der Mitte spielen. Beide wären aber wohl nur eine Übergangslösung – im Gegensatz zu Thomas Mogensen. Der Däne trägt das Trikot der SG Flensburg-Handewitt, die zuletzt wegen wirtschaftlicher Probleme in die Schlagzeilen geraten war. SG-Geschäftsführer Holger Kaiser hat aber bereits deutlich gemacht, dass man Mogensen (Vertrag bis 2010) nicht abgeben wird. Aus Frankreich ist unterdessen zu hören, dass der Tscheche Karel Nocar (Chambéry Savoie), der zudem als Linksaußen agieren kann, ein Kandidat bei den Badenern sei.

Klar ist: Spätestens zur Saison 2010/11 wollen die Gelbhemden einen Weltklasse-Spielmacher im Kader haben, um dann Kiel und Hamburg auf Augenhöhe zu begegnen. „Wir müssen uns auf jeder Position mit den Besten messen“, sagt Storm.

Wie stark der Löwen-Kader tatsächlich ist, wird sich schon bald zeigen. Nach dem – vermutlich – lockeren Aufgalopp gegen TuS N-Lübbecke stehen gleich die Spitzenspiele in Kiel und gegen den HSV Hamburg an. Es winkt ein Traum- oder ein Fehlstart. Trainer Lindgren wird auf jeden Fall schnell wissen, wohin die Reise führt.

Von Marc Stevermüer

 04.09.2009