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Löwen empfangen den Champions League Sieger

KS Vive Tauron Kielce kommt morgen in die SAP Arena

Es war einer der Höhepunkte im bisherigen Saisonverlauf der Rhein-Neckar Löwen. Am 23. Oktober des vergangenen Jahres gewannen die Löwen nicht nur die Auswärtspartie beim aktuellen Champions League Sieger KS Vive Tauron Kielce, sie dominierten sie sogar und siegten am Ende mit 34:26. Am morgigen Donnerstag kommt es zum Rückspiel gegen den polnischen Meister, der sich für die höchste Heimpleite seit Jahren natürlich revanchieren will. Anwurf in der SAP Arena ist um 19 Uhr, Karten gibt es noch an der Abendkasse.

„Ich freue mich, dass es wieder los geht. Und ich freue mich umso mehr, dass wir in unserer SAP Arena ein Champions League Spiel haben“, sagte Löwen-Kapitän Andy Schmid beim gestrigen Pressegespräch. „Ich bin selbst gespannt, wie die Mannschaften nach der WM-Pause drauf sind. Deshalb ist es für uns vielleicht gar nicht so schlecht, nicht direkt mit einem Bundesligaspiel zu starten. Wir werden gegen Kielce sehen, was funktioniert, und woran wir noch arbeiten müssen“, so der Schweizer weiter, der die WM-Pause genutzt hat um die Akkus aufzuladen. „Natürlich würde ich auch gerne mal eine WM spielen, aber so konnte ich im Urlaub Kraft tanken und war nicht bei der WM gefordert, wie praktisch die komplette Mannschaft von Kielce“, weiß Schmid durchaus um den Vorteil des freien Januar, ehe es morgen gegen den amtierenden Champions League Sieger wieder rund geht, der sich Ende Mai des vergangenen Jahres in einem denkwürdigen Finale in Köln die Krone Europas sicherte.

An jenem 29. Mai 2016 hatte 14 Minuten vor dem Abpfiff überhaupt nichts mehr auf einen Sieg des polnischen Spitzenvereins hingedeutet. Kielce lag mit 19:28 zurück und sehnte den Schlusspfiff gegen das ungarische Starensemble aus Veszprém herbei, ehe das verrückteste Finale der Champions-League-Geschichte erst richtig Fahrt aufnahm. Kielce rettete sich in die Verlängerung, nach der es ebenfalls unentschieden stand. Der Gewinner musste im Siebenmeterwerfen ermittelt werden – und war nach dem Siegtreffer des Spanier Aguinagaldes auch gefunden. Kurz vor seinem finalen Wurf ins Glück habe er nur noch an zwei technische Details gedacht, erinnert sich der Kreisläufer: „Nur um sicherzugehen, dass ich treffen würde. Ansonsten sind mir keine anderen Dinge durch den Kopf gegangen. Ich hatte nur im Kopf, dass ich treffen muss. Dass es um die Champions League und einen historischen Augenblick geht, hatte ich vollkommen ausgeblendet.“

Diesen magischen Moment für die Ewigkeit, als er getroffen und die Last von seinen Schultern gefallen war, werde er nie vergessen. „Ich habe andere Titel gewonnen, aber dieser war einer der besten in meiner Karriere“, sagt der Spanier mit Blick auf die Dramatik und das unglaubliche Comeback seiner Mannschaft. Das Siebenmeterwerfen habe er sich seitdem ein paar Mal auf Video angesehen, berichtet Aguinagalde im Interview auf der Internetseite der Champions League, zumal er bislang in seiner Karriere nicht unbedingt als Mann für Strafwürfe auf sich aufmerksam gemacht hatte: „Ich hatte keine Ahnung, dass ich werfen soll.“ Doch Trainer Talant Duschebajew schickte ihn an die Linie – und wurde dafür belohnt.

Zum extravaganten und emotionalen Coach pflegt der Kreisläufer eine innige Beziehung. Von 2009 bis 2013 standen sie bereits gemeinsam bei Ciudad Real und Atletico Madrid unter Vertrag, nun arbeiten sie beim polnischen Serienmeister. „Wir versuchen immer, die Distanz zwischen einem Spieler und einem Trainer zu wahren. Aber ja, die Beziehung zu ihm ist etwas Besonderes. Talant und ich haben das gleiche Handballgehirn und er beeinflusst mich sehr. Talant ist anspruchsvoll, aber auch ein netter Mensch“, sagt Aguinagalde, der sich direkt nach dem feststehenden Sieg in der Königsklasse den Ball sicherte: „Er ist zu Hause, immer noch mit einer Menge Harz drauf. Er klebt und ist schmutzig, aber dieser Ball ist etwas ganz Besonderes. Ich werde ihn reinigen und einen Platz suchen, wo ich ihn mit all meinen anderen Medaillen und Preisen aufbewahre.“

Verändert hat der Titelgewinn in der Champions League auch das Handballer-Leben von Tobias Reichmann. Der deutsche Nationalspieler im Trikot von Kielce sagt, dass ihn dieses Erlebnis geprägt habe. „Mit jedem Erfolg wächst das Selbstbewusstsein. Das nehme ich dann in jedes Training und in jedes Spiel mit. Wir haben ein schon verloren geglaubtes Champions-League-Finale gewonnen, wir lagen 14 Minuten vor Schluss mit neun Toren hinten. Wenn man so ein Spiel dann noch dreht, prägt einen das als Sportler. Denn der Glaube an die Mannschaft und das Vertrauen in die eigene Qualität wird durch solche Erlebnisse automatisch immer größer“, meint der Rechtsaußen, der sich im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“ die Wende zum Guten in diesem packenden Finale nicht so recht erklären kann: „Ich habe mir die Schluss-phase ein paar Mal im Internet angesehen. Es gibt jetzt nicht diese eine Schlüsselszene, in der das Spiel gekippt ist. Ich habe ja selbst eine Viertelstunde vor dem Abpfiff nicht mehr an die Wende geglaubt, da hätte man eigentlich auch abpfeifen können. Aber vielleicht war sich Veszprém auch zu sicher. Ich weiß es einfach nicht. Auf dem Niveau ist es eigentlich nicht möglich, solch einen Rückstand in
15 Minuten aufzuholen.“

In dieser Saison ist das Final Four in Köln erneut das Ziel des polnischen Spitzenvereins, für den Reichmann nun schon in seiner dritten Saison spielt. Im Sommer kehrt er allerdings zurück in die Bundesliga und schließt sich der MT Melsungen an, das Erlebnis Kielce möchte er aber auf keinen Fall missen. „Ich würde es immer wieder machen, denn ich habe hier in meiner Entwicklung nicht nur einen Schritt nach vorne gemacht, sondern drei oder vier. In sportlicher Hinsicht war es fantastisch in Kielce.“ Mit dem slowenischen Nationalspieler Blaz Janc hat der Titelverteidiger bereits einen Nachfolger für Reichmann verpflichtet. Der Linkshänder kommt von RK Celje, Kielces Präsident Bertus Servaas freut sich auf den Neuzugang: „Ich bin sehr glücklich, dass wir so einen großartigen Spieler für uns gewinnen konnten. Die Verhandlungen waren nicht einfach, doch am Ende konnten sich beide Vereine einigen.“

Soll heißen: Servaas wird noch paar Geldscheine obendrauf gelegt haben, was kein allzu großes Problem für ihn gewesen sein sollte. Der niederländische Unternehmer steckte bereits reichlich Geld für teure Stars wie Dean Bombac, Uros Zorman, Aguinagalde oder die Ex-Löwen Karol Bielecki, Krzysztof Lijewski, Slawomir Szmal und Ivan Cupic (jetzt Vardar Skopje/Mazedonien) in den Verein aus der polnischen Provinz südlich von Warschau – am 29. Mai 2016 zahlte es sich endlich einmal aus. Die EHF hat unterdessen am gestrigen Dienstag das 14. und damit letzte Gruppenspiel der Rhein-Neckar Löwen in der VELUX EHF Champions League terminiert. Das Heimspiel gegen den ungarischen Vizemeister MOL-Pick Szeged steigt am Mittwoch, 8. März 2017 in der Frankfurter Fraport Arena. Spielbeginn ist um 20:45 Uhr.