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Löwen-Fans feiern die „Meister der Herzen“ (BNN)

Fast 1 000 Anhänger der Rhein-Neckar-Löwen und vier Busse beim letzten Saisonspiel auf Achse

Kronau/Östringen. So etwas hatte es in der Geschichte des Handballs zuvor noch nicht gegeben. Es war das knappste Ding, das in der Handball-Bundesliga je gedreht wurde: Nach einem an Spannung nicht zu überbietenden Saisonfinale fehlten den Rhein-Neckar Löwen am Samstag zwei Tore zum erstmaligen Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Trotz eines 40:35 Erfolges in der ausverkauften Arena in Gummersbach reichte es für das Team um Kapitän Uwe Gensheimer letztlich nicht. Der punktgleiche Rekordmeister THW Kiel machte wegen des besseren Torverhältnisses in der parallel stattfindenden Begegnung gegen die Füchse Berlin sein Meisterstück.

Trotzdem wurde die Mannschaft nach ihrer Rückkehr am späten Abend vor dem Kronauer Trainingszentrum und der TSG-Gaststätte begeistert gefeiert. Karl-Heinz und Robert Mächtel hatten zusammen dem Vereinsvorsitzenden Joachim Frank und weiteren, fleißigen Kräften auf die vorbereiteten Transparente am Ortseingang „Wir grüßen den Deutschen Meister“ eilig ein „Vize“ aufgeklebt. Als der Mannschaftsbus gegen 23 Uhr eintraf, wurden die Spieler mit viel Beifall, Wunderkerzen, Feuerzeugen, Fackeln und dem Banner „Wir grüßen unsere Meister der Herzen“ überrascht. Clubhauswirtin Elke Knebel zündete sogar ein kleines Feuerwerk, das den applaudierten Spielern trotz der Enttäuschung ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Doris Holzinger (56) aus Östringen, die mit ihrer 29-jährigen Tochter Jacqueline seit ebenso vielen Jahren ihr Team unterstützt, sagte: „Wir halten in guten, wie in schlechten Zeiten zu unserer Mannschaft“. Und Erhard Dammert, früherer Vorsitzender der TSG Kronau, meinte: „Schade, es hat nicht gereicht. Die Gummersbacher haben gekämpft wie die Löwen, die Füchse nicht“.

Jürgen Weiß aus Östringen, der mit seinem Privatfahrzeug die Reise nach Nordrhein-Westfalen angetreten hatte und in der Halle mit der Mannschaft mitfieberte, kommentierte: „Leider konnte die Mannschaft an diesem Tag ihre Leistung nicht ganz abrufen“.

Nicht weniger als 1 000 Fans hatten sich am Morgen mit vier Bussen und etlichen Privatautos von Kronau aus, auf die 300 Kilometer lange Strecke ins Oberbergische aufgemacht. Wie bei allen bisherigen Saisonspielen hautnah dabei, die Vorstandspitze des Fanclubs „Baden-Lions“ mit Rainer Eder und Bettina Schippl. „Wir zählen momentan etwa 450 Mitglieder“, so die 54-Jährige. Ebenfalls an Bord, Tochter Emely (22), die bei der Organisation von Auswärtsfahrten stets mithilft.

Der „Tag der Entscheidung“ begann schon sehr früh: „Wir mussten schließlich für Hin- und Rückfahrt entsprechende Verpflegung einkaufen“, so der 51-jährige, gelernte Koch, Rainer Eder. Was es im Bus gab? „Weck und Worschd, Kaffee und noch mehr Flüssiges“, sagte er. Auch seine Mutter, die 74-jährige „Eder-Erika“, gehört zum festen Stamm des Löwen-Rudels, ist seit vielen Jahren treuer Fan, reiste sogar zu den Champions-League Spielen bis nach Spanien. Wie die Profis auf dem Parkett, gaben auch die leidenschaftlichen Anhänger beim Spiel am Nachmittag auf der Tribüne gleich zu Beginn Vollgas, feuerten ihre Jungs lautstark an. Neben Trikot, Schal und Fanfare war wichtigstes Utensil das stets auf Empfang gestellte Mobiltelefon. Die Meinung aller Anhänger war eindeutig: „Diese Nervenanspannung, Emotion und Dramatik, dieses Kopf-an-Kopf-Rennens ist mit nichts vergleichbar“, wie Ute aus Bad Schönborn es formulierte. Nach dem Schlusspfiff herrschte zunächst Trauer und Enttäuschung vor. So nah dran war man an der Meisterschale. „Wir haben eine tolle Saison gespielt, doch für den zweiten Platz kriegt man nichts“, lautete das Fazit der Löwen-Fans, die sich auf die lange Heimreise machten.

Zwischenzeitlich hatte Elke Knebel, Clubhauswirtin der TSG-Gaststätte in Kronau, schon Vorbereitungen für das abendliche Eintreffen der „Handball-Helden“ getroffen. „Wenn die Mannschaft vor den Spielen in dieser Saison bei mir gegessen hatte, hat sie nie verloren“, eröffnete die Pächterin.

Verloren hatten sie auch dieses Mal nicht, doch über den Sieg konnte sie sich letztlich nicht so richtig freuen. „Wir hoffen, dass wir am Sonntag noch genügend Kondition für das nächste Highlight aufbringen“, hieß es bei den aus „Kummersbach“ zurückgekommenen Fans am Ende einer langen Nacht. Am gestrigen Tag fand in der SAP-Arena Mannheim das Abschiedsspiel von Löwen-Idol Oliver „The Rogg“ Roggisch statt.

Von Hans-Joachim Of