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Löwen können Hotel in Hamburg buchen

Göppingen. Oliver Roggisch grinste, Uwe Gensheimer wischte sich augenzwinkernd den Schweiß von seiner Stirn. Und der Chef? Der zückte prompt sein Mobiltelefon: Thorsten Storm, der Manager der Rhein-Neckar Löwen, schien sie brühwarm verkünden zu wollen, die freudige Nachricht. Oder buchte er etwa schon das Mannschaftshotel in Hamburg? Denn seit gestern, um kurz vor 19.30 Uhr, ist es amtlich. Auch in diesem Jahr wird es in der Hamburger Color-Line-Arena wieder eine blau-gelbe Fanwand geben: Durch einen 33:29 (15:14)_Erfolg vor 4.650 Zuschauern über Frisch Auf Göppingen lösten die Gelbhemden ihr Ticket für das Final-Four-Turnier, dem prestigeträchtigen, nationalen Handball-Höhepunkt.

Unmittelbar nach der Schluss-Sirene verwandelte sich die Göppinger EWS-Arena, auch „Hölle-Süd“ genannt, in eine badische Partyzone. Patrick Groetzki war mittendrin statt nur dabei. Er wirkte überglücklich, völlig losgelöst, völlig erleichtert: „Das war ein richtig hartes Stück Arbeit für uns“, pustete das Löwen-Juwel tief durch, „ich denke, dass unsere aggressive Abwehr heute der Schlüssel zum Sieg war.“

Mittlerweile kann man das Rudel übri_gens als Wiederholungstäter bezeichnen. Es ist der fünfte Final-Four-Streich der Löwen. In Serie! Man gehört bereits zum Inventar des zweitägigen Pokalendspurts, ist quasi Stammgast in der Hansestadt.

Doch diesmal hatte es die letzte Hürde in sich. Schwerstarbeit war nötig. Das Viertelfinale zog sich wie Kaugummi, entwickelte sich zur prognostizierten Nervenschlacht. Es ging hin und her, vor und zurück, verbissen wurde um jeden Ball gekämpft. Kurzum: Ein Landes-Derby, das jeden in seinen Bann zog. Gerade im Tribünenbereich ging es hitzig zu. Eigentlich ist es ja ein Klischee, doch es scheint tatsächlich etwas dran zu sein, wenn man sagt: Schwaben und Badener mögen sich nicht. Mitunter herrschte eine hasserfüllte Stimmung auf den Rängen. Wobei im Göppinger Handball-Tempel ohnehin vieles anders ist: Werden die gegnerischen Mannschaften in der SAP Arena mit Applaus begrüßt, schallen bei Frisch Auf Schmährufe durchs weite Rund.

Wie auch immer: Die Lindgren-Sieben ließ sich davon nicht beirren, begann konzentriert. Mit Olafur Stefansson und Torhüter „Kasa“ Szmal standen zwei EM-Allstars in der Startformation, was keine Überraschung war.

Der Einsatz von Nikola Manojlovic hingegen schon. Vor der EM-Pause mimte er eher den Edelreservisten, spielte in den Planungen von Trainer Ola Lindgren nur eine untergeordnete Rolle. Und gerade er hatte es gestern alles andere als leicht. Kaum war der Löwen-Spielmacher am Ball, wurde er gnadenlos ausgepfiffen. Zur Erinnerung: Der Serbe spielte einst auch bei Frisch Auf. Seit er nun in der Manege die Fäden zieht, wird er im Umfeld seines alten Arbeitgebers als Verräter bezeichnet. Gestört hat ihn das gestern nicht. Im Gegenteil. Vor allem in der Anfangsphase zog er geschickt die Fäden, hatte immer wieder zündende Ideen.

Die Männer des Spiels waren jedoch zwei andere: Gensheimer und Stefansson drückten dem Derby ihren Stempel auf. „Gensel“ schoss zwölf Tore, der Isländer sechs. Storm: „Gensheimer spielte super. Und Olafur machte sein bislang bestes Spiel überhaupt für uns“, jubelte der 45-Jährige im Anschluss. Da spielte auch die Rote Karte für Siarhei Harbok (39.) keine Rolle mehr. Kopfzerbrechen bereiten hingegen zwei andere Asse: Bjarte Myrhol (Nackenprobleme) und Gudjon Valur Sigurdsson, der über heftige Schmerzen im Knie klagt, schauten beim Nachbarschaftsduell nur zu.Wann sie wieder auf die „Platte“ zurückkehren können, ist ungewiss.

Göppingen: Schweikardt 2, Oprea 2, Thiede 5, Späth 4, Kaufmann 7, Mrvaljevic 2/1, Haaß 3/1, Jurca 1.
Löwen: Gensheimer 12/2, Harbok 2, Bielecki 2, Manojlovic 2, Gudjonsson 2, Stefansson 6/4, Müller 1, Klimovets 1, Bruhn 1, Groetzki 4.
Stenogramm: 4:4, 4:6, 5:9, 10:10, 13:14, 14:15 (Halbzeit), 14:17, 19:20, 19:25, 29:33 (Endstand).

Von Daniel Hund

 08.02.2010