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Löwen müssen sich mit zweitem Platz trösten

Veszprém. Verlieren kann man dort. Das ist schon ganz anderen Mannschaften passiert. Der Handball-Tempel von Veszprém gleicht einer Festung, ist schier uneinnehmbar. Im Vorjahr merkte das auch Ciudad Real, der europäische Branchenführer. Beim ungarischen Serien-Meister wurden sie abgewatscht, die stolzen Spanier, waren konsterniert, fassungslos. Seit gestern können die Rhein-Neckar L wen mitfühlen, haben ebenfalls Lehrgeld bezahlt: Im Gipfeltreffen der Champions-League-Gruppe B setzte es für die Gelbhemden eine 30:34 (12:17)-Niederlage. „Wir wussten, dass es richtig schwer wird“, resümierte Löwen-Manager Thorsten Storm, 45, „trotzdem hatten wir die Chance auf den Sieg.“

Gestern um kurz vor 16.30 Uhr war er also ausgeträumt, der Traum vom Gruppensieg. Einer der wenigen Strohhalme in dieser tristen und bedrückenden Zeit. Einer Zeit, in der es in der Löwen-Manege wenig zu lachen gibt. Die „Besten aus dem Südwesten“ dribbeln nach wie vor ihrem eigenen Anspruch hinterher. „Klar wären wir gerne Erster geworden“, grübelte Storm, „aber letztlich könnten wir auch mit dem zweiten Platz leben.“ Und der scheint trotz der Niederlage in Veszprém nur noch Formsache zu sein: Ein Sieg aus den letzten beiden Partien gegen Chambéry und Sarajevo reicht.

Dass es beim ungarischen Vorzeige-Klub nichts zu holen gibt, deutete sich schon früh an: In der Anfangsphase befand sich das Rudel im kollektiven Tiefschlaf. Kaum etwas klappte, nichts lief. Veszprém nahm’s dankend an, stürmte, packte zu, entfachte den heimischen Hexenkessel. Nach 14 Minuten, die Löwen lagen hier bereits mit 3:8 hinten, hatte ihr Trainer genug gesehen. Ola Lindgren zog die Notbremse, nahm die Auszeit, wollte eingreifen. Besser wurde es aber nur bedingt. Immer wieder schlichen sich haarsträubende Fehler ein. Ungenauigkeiten, die man sich auf diesem Niveau einfach nicht erlauben darf und kann: Selbst einfachste Pässe flogen ins Leere.

Und ab der 23. Minute kam noch etwas anderes erschwerend hinzu: Oliver Roggisch, der Abwehrchef, der Fels in der Brandung, meckerte, foulte und flog: Der lange Blonde kassierte seine dritte Zwei-Minuten-Strafe, sah rot. Storm nahm seinen Defensiv-Haudegen aber in Schutz: „Gerade die letzte Zeitstrafe war ein Witz“, grantelte er, holte tief Luft und legte nach: „Es war sicher nicht das Spiel der beiden Schiedsrichter.“

Das von Uwe Gensheimer hingegen schon. Doch das passt ins Bild. Egal, was der Friedrichsfelder derzeit auch probiert: es klappt. Gestern traf er wieder zweistellig, netzte elf Mal ein. „Dieser Junge spielt einfach überragend. Ihm musst du normalerweise sofort einen Zehn-Jahres-Vertrag geben.“ Storm schmunzelte, als er das sagte. Angesprochen auf Karol Bielecki hält sein Stimmungshoch an. Acht Tore und etliche Pässe sprechen eine eindeutige Sprache, sorgen für die Auferstehung des zuletzt schwächelnden Riesen. Storm sagt: „Das freut mich für ihn.“

Die Mannschaft auch. Sie ist ohne ihren Rückraum-Kunstschützen nahezu aufgeschmissen.

Denn nur mit einem Karol Bielecki in Normalform, der aus zehn Metern ein Streichholz trifft, kann die Aufholjagd in der Liga gestartet werden. Genau die ist nämlich erwünscht, sozusagen Pflicht: „Die aktuelle Punktzahl in der Bundesliga passt nicht zu unseren Zielen“, räumt Storm zähneknirschend ein, „mit dem zweiten Gruppenplatz in der Königsklasse können wir dagegen leben.“

Für den Manager war es übrigens ein verlängerter Ungarn-Trip. Storm schwebte schon am Samstagmorgen in Budapest ein. Alleine war er nicht. Er hatte fünf Löwen-Gesellschafter im Schlepptau: Michael Notzon, Achim Niederberger, Gregor Greinert, Jesper Nielsen und Dieter Matheis traten die Reise mit an. Den Samstag verbrachte der Tross in Budapest: „Wir haben interessante Gespräche geführt“, verrät Storm, „es ging um die Zukunft der Löwen.“

Börge Lund, 30, vom THW Kiel war demnach sicher auch ein Thema: Dass er auf der Wunschliste der Löwen steht, berichtete die RNZ bereits am letzten Montag. Nach Informationen dieser Zeitung ist der Transfer nun endgültig fix, unterschrieben. Schon Ende letzter Woche sollen die Löwen und der Norweger alles klar gemacht haben. Storm wollte sich dazu gestern nicht äußern.

Von Daniel Hund

 22.02.2010