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Löwen nur Außenseiter

Vielleicht ist es Bescheidenheit, vielleicht auch nur ein Ablenkungsmanöver. Wenn am Samstag die Handball-Bundesliga in die neue Saison startet, dann erwarten die 18 Trainer fast ausnahmslos einen Zweikampf zwischen dem THW Kiel und dem HSV Hamburg. Nur zwei Übungsleiter schwimmen gegen den Strom – die der beiden Top-Favoriten. „Die Konkurrenz ist stärker geworden, auch die Rhein-Neckar Löwen, Flensburg-Handewitt und die Füchse Berlin sind zu beachten“, sagte THW-Trainer Alfred Gislason. „Es wird einen Fünfkampf geben.“ Auch der neue HSV-Coach Per Carlén räumte zumindest den Rhein-Neckar Löwen „Außenseiterchancen“ ein.

Spricht man die beiden auf die eigenen Ziele an, weicht die Zurückhaltung großem Selbstvertrauen. „Jede Saison, in der der THW Kiel nicht Meister wird, ist unbefriedigend“, tönte Gislason. Dabei setzt der Rekordmeister auf Kontinuität. Nur Rückraumspieler Jerome Fernandez hat den Verein verlassen, verpflichtet wurde niemand. Trotzdem ist der THW auf fast jeder Position – auch dank der wieder genesenen Daniel Narcisse und Kim Andersson – hochklassig besetzt.
Die aufsehenerregendste Neuerung beim HSV Hamburg hat sich derweil außerhalb des Spielerkaders vollzogen. Martin Schwalb tauschte nach seinem Meisterstück Poloshirt gegen Anzug und wechselte von der Trainerbank ins Vereinspräsidium. Nachfolger Per Carlén (Foto: dpa) kam aus Flensburg und strotzt vor Selbstvertrauen. „Wir tanzen auf drei Hochzeiten und wollen mindestens einen Titel gewinnen“, sagte der neue Trainer, der Sohn Oscar und Torwart Dan Beutler mit in die Hansestadt brachte. Dem THW will Carlén nach dem ersten Meistertitel nicht wieder kampflos das Feld räumen. Auch finanziell spiegelt sich das wider: Nur noch 500 000 Euro trennen den HSV-Etat von den 9,5 Millionen Euro der „Zebras“.

In dieser Phalanx der Übermacht wirken die Rhein-Neckar Löwen fast wie das fünfte Rad am Wagen. Offiziell gibt man sich mit Platz drei zufrieden, doch die Erwartungshaltung im Umfeld ist bekannt. Wer Trainer Gudmundur Gudmundsson darauf anspricht, erntet ein Plädoyer für Geduld und Kontinuität: „Wer in Ruhe eine Mannschaft aufbaut und hart arbeitet, wird irgendwann einen Titel gewinnen.“ Wie ernstzunehmend die Löwen in dieser Saison sind, könnte sich schnell zeigen. Bereits im September kommen HSV und THW in die SAP-Arena. Vielleicht lässt sich danach absehen, ob Carlén und Gislason mit ihrer exklusiven Einschätzung Recht behalten.

Von Jannis Carmesin