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Löwen scheitern wieder an sich selbst

Hamburg. Kapitän Marcus Ahlm reckte vor 13 000 Fans den neuen Silberpokal in die Höhe, die Mannschaft machte die Welle: Mit erkennbarer Freude feierte der THW Kiel seinen siebten Triumph im DHB-Pokal, nachdem der deutsche Handball-Rekordmeister die SG Flensburg-Handewitt in einem einseitigen Finale mit 30:24 (16:13) distanziert hatte. Als bester Profi wurde Christian Zeitz ausgezeichnet. Der gebürtige Östringer hatte wie Filip Jicha und Aron Palmarsson sechs Tore zum Kieler Erfolg beigesteuert. Im Halbfinale hatte der THW das Team von FA Göppingen mit 28:23 (15:13) besiegt. „Ich bin sehr glücklich über diesen Titel. Das ist etwas Besonderes – auch weil es ein Derby war“, erklärte Ahlm. „Wir haben insgesamt richtig gut gespielt, unsere Deckung stand, jeder hat seine Leistung gebracht“, ergänzte Coach Alfred Gislason. „Wir haben einfach zu viele technische Fehler gemacht“, meinte dagegen Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes: „Kiel ist Weltklasse.“

Davon waren die Rhein-Neckar Löwen diesmal weit entfernt. Der badische Bundesligist, der zum sechsten Mal in Serie beim Final Four in der Hansestadt angetreten war, musste sich zum wiederholten Mal mit leeren Händen auf die Heimreise machen. „Wir haben einfach nicht gut genug gespielt, um Flensburg zu schlagen“, gab Trainer Gudmundur Gudmundsson nach der bitteren 20:22(8:10)-Niederlage im Halbfinale gegen die SG zu Protokoll. „26 Fehlwürfe sind zu viel. Mit nur 22 Gegentoren kann man ein Spiel gewinnen – aber nicht, wenn man selbst nur 20 Treffer erzielt“, meinte der Löwen-Coach, der seine Schützlinge gestern Vormittag in Hamburg gleich zu einer Übungseinheit in die Halle bat. „Es tut mir leid, dass wir ausgerechnet hier einen schlechten Tag erwischt haben“, fügte Manager Thorsten Storm hinzu und merkte an, dass man an dieser Pleite wohl etwas länger zu knabbern haben wird: „Das schluckt man nicht einfach runter.“

Gegen die Flensburger, die vor wenigen Wochen im Ligaspiel eine 31:41-Schlappe bei den Löwen hinnehmen mussten, blieben Gudmundssons Schützlinge in der Offensive weit unter ihren Möglichkeiten. „Vielleicht mussten wir den schweren Spielen der vergangenen Wochen Tribut zollen. Aber das soll keine Ausrede sein. Es ist nur schade, dass wir insgesamt eben nicht zu unserer Form gefunden haben“, erklärte Torhüter Henning Fritz. „Die Enttäuschung ist schon sehr groß“, gestand Bjarte Myrhol.

Doch bei den Badenern rückte auch in Hamburg das Sportliche wieder einmal vorübergehend in den Hintergrund. Manager Storm bestätigte zwar Gespräche mit Momir Ilic, der in Kiel noch bis 2013 unter Vertrag steht, stellte aber auch klar, dass diese derzeit ruhen: „Ich weiß ja noch gar nicht, wer von uns nächste Saison in Kopenhagen spielt.“ Es sei noch nicht klar, wer Olafur Stefansson nach Dänemark folgt. „Die Entscheidung fällt hinter den Kulissen. Derzeit gibt es Gespräche zwischen dem Aufsichtsrat, dem Vorstand und Jesper Nielsen“, sagte Storm. Geldgeber Nielsen will mehrere Löwen-Profis zu seinem Heimatverein in Kopenhagen transferieren – unterschrieben sei außer bei Stefansson noch nichts.

Für die erfolgsverwöhnten Kieler nahm die Saison dagegen doch noch einen versöhnlichen Abschluss. Zwar sitzt die Enttäuschung über das Viertelfinal-Aus in der Champions League und den Verlust des Meistertitels immer noch tief. Gerade deshalb ist der Pokaltriumph ein echtes Trostpflaster für den THW. „Das ist für meine Spieler extrem wichtig nach dieser schwierigen Saison“, sagte Trainer Gislason, dessen Auswahl im Finale ihrer Favoritenrolle eindrucksvoll gerecht geworden war.

Eine böse Überraschung erlebte in Hamburg Uwe Schwenker: Der frühere Kieler Manager wurde vor dem Halbfinale zwischen Flensburg und den Löwen von SG-Fans attackiert und beschimpft. Ein gefüllter Bierbecher verfehlte Schwenker vor der Arena nur knapp. Die Polizei nahm daraufhin einen Flensburger Ultra in Gewahrsam. Gegen sechs weitere SG-Anhänger wurde ein Hausverbot ausgesprochen.

Von Christof Bindschädel und Erik Eggers

 09.05.2011