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Löwen und Zebras sind weiter im Gleichschritt (RNZ)

Nach dem 23:23-Remis im Topspiel der Handball-Bundesliga wurde die Titelentscheidung vertagt – Kiel aber mit den besseren Karten

Es war am Ostersonntag um kurz nach 15 Uhr, als es am Hintereingang der Kieler Sparkassen Arena plötzlich unübersichtlich wurde. Schicke Sportwagen fuhren vor, die Privat-Pkws der THW-Stars. Und die mischten sich dann unter die Fans. Handball-Helden zum Anfassen. Oder besser zum Fotografieren. Rene Toft Hansen zum Beispiel. Oder Aaron Palmarsson, der Denker und Lenker der Schwarz-Weißen. Selbstbewusst sahen sie aus, siegessicher strahlten sie vor dem Osterknaller im Selfie-Gewitter mit der Sonne um die Wette.

Rund vier Stunden später lachte dann keiner mehr. Auch die Rhein-Neckar Löwen nicht. Denn dieses 23:23 (11:10) schmeckte niemandem. Kiel nicht, weil es in den letzten zehn Minuten einen Vier-Tore-Vorsprung verschenkte. Den Löwen nicht, weil das Remis – trotz famoser Aufholjagd – im Endeffekt einer Niederlage gleichkam. Uwe Gensheimer brachte es auf den Punkt: „Nun haben wir den Titel leider nicht mehr selbst in der Hand.“ Sagte es und wischte sich den Schweiß von der Stirn, ehe ihm doch noch ein schelmisches Grinsen übers Gesicht huschte: „Aber unsere Moral war super.“

Die von Kiel weniger. Der Titelhamster von der Ostsee befand sich in der Schlussphase nämlich im Verwaltungsmodus, spielte auf Zeit, schickte einen Querpass nach dem anderen auf die Reise. Und so begann dann doch nochmal das große Zittern im altehrwürdigen Handball-Tempel. Thorsten Storm konnte das nicht gefallen haben. Glücklich sah er danach ohnehin nicht aus, eher aufgewühlt, total enttäuscht. Mit hochrotem Kopf tigerte der Ex-Löwe durch die Katakomben. Die Hände hatte er dabei tief in seiner schicken Anzugshose vergraben. Teo sagte Sachen wie: „Wir hätten in der Schlussphase gerne auch noch mal einen Siebenmeter geworfen.“ Lag’s letztlich also an den Schiedsrichtern, dass es nicht zur Vorentscheidung im Meisterrennen gereicht hat? Storm, der Diplomatische: „Das Spiel hat doch jeder gesehen.“

Wenig später hatte sich dann auch bei ihm die erste Anspannung gelegt. Die Lockerheit kehrte zurück und mit ihr die Zuversicht. An der Seite von THW-Trainer Alfred Gislason reichte es auf der abschließenden Pressekonferenz schon wieder zum Scherzen. Was nachvollziehbar war, denn mal im Ernst: Wer soll den Abo-Meister jetzt noch stoppen?

Die Löwen hinken bei einer Partie weniger im direkten Vergleich 47 Tore hinterher und Kiel spielt in der Bundesliga seit Monaten nahezu fehlerlos, präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Eigentlich ist fast schon Gratulieren angesagt.

Oliver Roggisch, der Löwen-Co-Trainer, tat das am Sonntagabend noch nicht. Wobei der lange Blonde das am Mittwoch möglicherweise nachholen wird. Der einstige Abwehr-Fels erklärt: „Am Mittwoch spielt Kiel in Magdeburg, gewinnen sie dort, sind sie durch.“ Widerspruch zwecklos. Alle denken so. Selbst die Kieler. Die behalten das aber für sich. Sie machen lieber das, was man in so einer Situation eben so macht: auf Understatement setzen.

So wie Dominik Klein, der verletzte Linksaußen des Ostsee-Flaggschiffs. „Mini“ ist ein Meister in Sachen Verschleierungstaktik. Grinsend humpelte er nach Spielschluss auf Krücken durch die Mixed Zone, um sich dann mit versteinerter Miene zum Titelendspurt zu äußern. „Jetzt“, sagte er zur RNZ, „jetzt stehen noch mehr Fragezeichen hinter der Meisterentscheidung als vor dem Spiel.“ Eben auch abseits der Platte ein Profi, ein sympathischer noch dazu.

Genau wie Uwe Gensheimer. Und es ist kein Geheimnis, dass Storm den Kapitän der Nationalmannschaft auch gerne in Kiel sehen würde. Irgendwann mal, vielleicht ab 2016, wenn sein Vertrag bei den Badenern ausläuft. Doch da dürfte Storm spätestens seit Sonntag schlechte Karten haben. Denn der Friedrichsfelder ist mittlerweile so etwas wie das personifizierte Feindbild in Kiel. Das hängt mit seinem Foul aus dem Pokalspiel zusammen, als er Rene Toft Hansen, der bekanntlich gerne mal fällt, einen „Schlag“ mit der flachen Hand auf die Brust verpasst hatte. Ein Foul – ohne Zweifel. Aber keines, das man derart ausschlachten muss. Öffentlich, per Facebook.

Also kam es, wie es kommen musste, Gensheimer schlug in der Sparkassen Arena der blanke Hass entgegen. Pfiffe begleiteten ihn auf Schritt und Tritt.Und für diesen Verein soll er künftig auf Torejagd gehen? Schwer vorstellbar. Wie auch immer, Gensheimer, ein Sportsmann durch und durch, nahm’s gelassen. „Na ja, ich wusste ja, was mich hier erwartet, aber ich kann mit so etwas umgehen.“ Zuckte er mit den Schultern.

Von Daniel Hund