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Löwen zittern sich zu Remis in Erlangen

25:25 wirft Titelverteidiger auf Rang zwei in der DKB-Handball-Bundesliga zurück – bei einem Spiel und einem Minuspunkt weniger als Flensburg

Die Rhein-Neckar Löwen haben am Sonntagnachmittag beim HC Erlangen 25:25 (14:13) gespielt und damit einen großen Schritt Richtung Titel-Hattrick in der DKB Handball-Bundesliga verpasst. Wie schon vor einer Woche in Berlin fand die Truppe von Nikolaj Jacobsen vor allem in der Abwehr nicht die richtige Einstellung, aber auch in der Offensive nur selten zur gewohnten Lockerheit. So mussten die Löwen in Durchgang zwei sogar einen 19:22-Rückstand aufholen, führten dann Sekunden vor Schluss mit einem Tor und kassierten unmittelbar vor der Schlusssirene von rechts außen den bitteren Ausgleich.

Durch das Remis bleibt dem Titelverteidiger ein Minuspunkt Vorsprung auf die SG Flensburg-Handewitt, die in der Tabelle aufgrund einer mehr gespielten und gewonnenen Partie an den Löwen vorbeizog. Auch die Füchse Berlin können sich bei zwei Minuspunkten Rückstand noch Chancen auf die Meisterschaft ausrechnen. „Wir sind sehr enttäuscht“, kommentierte Oliver Roggisch das Unentschieden seines Teams – und meinte damit vor allem auch die Spielweise. „Wir haben in der Abwehr nie den richtigen Moment gefunden, um uns gegenseitig zu helfen. Als Mannschaft müssen wir schleunigst wieder komplett anders auftreten.“ Der Sportliche Leiter wollte den Druck, der auf seinen Jungs lastet, nicht als Ausrede hernehmen. „Der Druck ist da, aber den haben wir schon seit über zwei Jahren. Das kommt nicht überraschend“, sagte Roggisch bei „Sky“.

Andy Schmid formulierte es gewohnt drastisch: „Wir haben das Messer jetzt am Hals, aber noch können wir es selbst richten. Wir haben drei Heimspiele vor der Brust und müssen da jetzt liefern.“ Coach Nikolaj Jacobsen, der nach der Partie sichtlich bedient war, fasste es nach ein paar Minuten der Abregung nüchtern zusammen: „Wir haben gut begonnen, hätten uns da deutlicher absetzen müssen. In der zweiten Halbzeit war Erlangen viel besser als wir. Unter dem Strich ist das für uns ein verlorener Punkt. Wir haben zu viel Angst, etwas zu verlieren. Wichtig ist, dass wir es immer noch in der eigenen Hand haben.“

Löwen unter Zugzwang

Das Hinspiel gegen die kämpferisch wie taktisch stark auftretenden Franken hatten die Löwen nach großen Problemen in der Anfangsphase letztlich klar mit 33:22 (16:12) für sich entschieden. Wie schon Anfang Dezember 2017 in der SAP Arena leitete das Duo Peter Behrens / Marc Fasthoff die Begegnung des 32. Spieltages. Unter Zugzwang stand der Deutsche Meister allemal schon vor dem Anpfiff: Auch wenn sich GWD Minden beim Gastspiel in Flensburg sensationell präsentiert und über die kompletten 60 Minuten am Sonntagmittag gegen den Tabellenzweiten an der Überraschung geschnuppert hatte, setzten sich am Ende die Löwen-Verfolger durch – mit 24:23 (12:10) so knapp, wie das wohl kaum einer erwartet hatte. Mit diesem Ergebnis aus dem Norden stand fest: Die Löwen mussten auf jeden Fall zwei Punkte aus der Arena Nürnberger Versicherung mitnehmen, wollten sie ihre hervorragende Ausgangsposition für das Finale in der DKB Handball-Bundesliga nicht aus der Hand geben.

Los ging es mit einem Löwen-Start nach Maß. Andreas Palicka landete beim ersten Erlanger Wurf gleich eine Parade, auf der Gegenseite traf der seit Wochen in Topform befindliche Mads Mensah zum 0:1. Beim nächsten HCE-Versuch war Palicka wieder dran, den Gegenstoß verwandelte Gudjon Valur Sigurdsson. Allerdings brachte das 0:2 den Gelben überraschenderweise keine Sicherheit. Nachdem Nikolai Link den Anschluss hergestellt hatte, meldete sich Erlangens Keeper Nikolas Katsigiannis zu Wort: Mit seiner ersten Parade leitete er den Ausgleich durch Kreisläufer Jan Schäffer ein, Michael Haaß hatte ihn perfekt freigespielt. Überhaupt sorgte der Mittelmann der Franken für ordentlich Wirbel, und das nicht nur im Angriff. In der Abwehr störte der ehemalige Nationalspieler immer wieder die Abläufe im Löwen-Rückraum. So waren die Gelben vor allem deshalb weiter am Drücker, weil Andreas Palicka einen Wurf nach dem anderen parierte – nicht weil es so gut im Angriff lief.

Jacobsen wütet

Nach zehn Minuten stand es gerade einmal 2:4, beim 5:5 nach 15 Minuten hatten die Franken erneut ausgeglichen. In der Zwischenzeit hatten die Löwen eine Überzahl mit 0:1 ziemlich enttäuschend abgeschlossen. Löwen-Coach Jacobsen sprach in der Auszeit vor allem die Halbherzigkeit in der Offensive an, schlug wütend das „Sky“-Mikrofon weg. Andy Schmid, zum zweiten Mal aus dem Stand erfolgreich, brachte das 5:6. Absetzen konnten sich die Löwen allerdings erst beim 7:9 durch den zweiten 1.-Welle-Treffer von Kim Ekdahl Du Rietz. Weil die Löwen viel zu selten in dieses Tempo kamen, in der Abwehr keine Ballgewinne erzielten, halten sich die Erlanger im Spiel. Sie gewannen wichtige Zweikämpfe im Rückraum, fanden immer wieder den Weg an den Kreis. Jonas Link und Christoph Steinert glichen zum 9:9 aus. Jacobsen wechselte zwischen 3:2:1- und 6:0-Abwehr hin und her – nichts funktionierte so richtig. Bis auf Palicka hinter der Abwehr. Am Ende der ersten Halbzeit waren es 8 Paraden bei 13 Gegentreffern – eine starke Quote von über 33 Prozent. Der Schwede hatte maßgeblichen Anteil daran, dass sich die Löwen trotz mäßiger Leistung mit einem 13:14 in die Halbzeit retteten.

Zum Auftakt in Runde zwei zauberte Andy Schmid einen Pass auf Hendrik Pekeler, es stand 13:15 – inklusive zwei Minuten gegen den bis dahin bärenstarken Michael Haaß. Doch wie schon in Durchgang eins spielten die Löwen eine schlimme Überzahl, kassierten zwei Tore zum 15:15-Ausgleich. Nachdem auf Alex Peterssons 15:16 äußerst unglücklich für Palicka das 16:16 folgte, brachte Jacobsen in der 36. Minute Mikael Appelgren ins Tor. Ein Wechsel mit Konsequenzen: Der blonde Hüne zeigte eine überragende Leistung, landete acht Paraden, darunter zwei Siebenmeter. Dringend nötig war dieser Schwung von der Linie, denn vorne taten sich die Löwen weiter superschwer – und hinten nicht das, was der Trainer von ihnen erwartet hatte. Jacobsen nahm beim 19:18, der ersten Erlanger Führung des Spiels, die zweite Auszeit. „So können wir nicht Abwehr spielen“, rief der Löwen-Coach seinen Männern zu. Da waren noch 20 Minuten zu spielen.

Krimi in den Schlussminuten

Jacobsens folgende Umstellung auf den siebten Feldspieler im Angriff und eine 5:1-Abwehr mit Pekeler auf der Spitze fruchtete allerdings nur bedingt. Weil die Löwen nun wieder die zuletzt angeprangerte Abschlussschwäche offenbarten, Katsigiannis im HCE-Tor immer stärker machten, zogen die Franken bis zur 52. Minute auf 22:19 weg. Mehr als zehn Minuten trafen die Gelben gar nicht mehr, da nahm Jacobsen seine letzte Auszeit. Es sollte die entscheidende werden. Pekeler holte sich zwei Bälle in der jetzt endlich aggressiven Deckung, Sigurdsson drehte im Gegenstoß auf. Sein Traumpass auf Taleski am Kreis brachte das 24:23. Appelgrens siebte Parade in weniger als einer Viertelstunde leitete das 24:24 durch Sigurdsson ein, Andy Schmid zwang das 24:25. In den letzten 20 Sekunden musste die Löwen-Deckung noch einmal halten. Erlangen aber fand den entscheidenden Pass auf den Rechtsaußen, Lux behielt die Nerven und stellte zwei Sekunden vor Schluss auf 25:25 – ein für die großartig kämpfenden Franken verdienter Punktgewinn. 

HC Erlangen – Rhein-Neckar Löwen 25:25 (13:14)

Rhein-Neckar Löwen: Palicka, Appelgren (ab 36.); Schmid (5), Sigurdsson (7/3), Radivojevic, Baena, Tollbring, Mensah (2), Pekeler (2), Groetzki, Reinkind, Taleski (1), Petersson (3), Ekdahl Du Rietz (5)

HC Erlangen: Katsigiannis, Skof; J. Link (2), Lux (3), Haaß (1), Büdel (5/1), Schletterer, Stranovsky, N. Link (4), Gorpishin, Steinert (5/1), Walz, Bissel (1), Schäffer (4)

Trainer: Adalsteinn Eyjolfsson – Nikolaj Jacobsen

Schiedsrichter: Peter Behrens / Marc Fasthoff

Zeitstrafen: 2 – 2

Strafminuten: Ekdahl Du Rietz (2), Schmid (2) – N. Link (2), Haaß (2)

Siebenmeter: 2/5 – 3/3

Erlangen: Steinert scheitert mit Siebenmeter an Palicka (14.) und Appelgren (43.), Büdel scheitert an Appelgren (36.)

Spielfilm: 0:2, 2:2, 2:4, 3:4, 3:5, 5:5, 5:6, 6:6, 6:7, 7:7, 7:9, 9:9, 12:12, 12:14, 13:14 (Halbzeit), 13:15, 15:15, 17:18, 19:18, 19:19, 22:19, 22:20, 23:20, 23:22, 24:22, 24:23, 24:25, 25:25 (EN)