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„Man darf nur nicht gleich resignieren“

Andy Schmid freut sich über mehr Einsatzzeiten in seiner zweiten Saison

Es gab nicht wenige Stimmen, die Andy Schmid nach der abgelaufenen Saison deutlich kritisierten, nachdem die Leistungen des Spielmachers in seinem ersten Jahr bei den Badenern zu schwankend und in der Summe nicht so gut waren, wie im Vorfeld erwartet wurde. Mit großen Hoffnungen war der Schweizer im Sommer 2010 aus der dänischen Liga zu den Löwen gewechselt, um sich in der stärksten Liga der Welt zu behaupten. Dafür hatte er sogar ein Angebot des FC Barcelona ausgeschlagen. Schmid selbst litt darunter, sein eigentliches Potenzial nicht abrufen zu können und nahm sich deshalb vor, es sich selbst und seinen Kritikern zu zeigen. In der ersten Phase der Saison ist dem 28-Jährigen dies eindrucksvoll gelungen und auf dieser zuletzt erfolgreichen Welle will er weiterreiten. Wie er es schaffte, die Misserfolge des Vorjahres aus seinem Kopf zu verbannen und welche Ziele er mit den Löwen hat, verrät der sympathische Schweizer im Interview.

Hallo Andy, Du befindest Dich in blendender Verfassung. Was hast Du in diesem Jahr anders gemacht?

Das ist schwer pauschal zu sagen. Ich hatte insgesamt eine gute Vorbereitung und habe mir dadurch ein Stück weit das Vertrauen beim Trainer erspielt. Im Profisport ist es wichtig, dass man nicht nur selbst von sich überzeugt ist, sondern auch das Vertrauen von wichtigen Personen um einen herum genießt.

Und das Vertrauen des Trainers ist jetzt da?

Ja, zumindest spüre ich das so. Ich habe ja in den vergangenen zwei Monaten nicht neu Handball spielen gelernt. Ich wusste ja, dass ich Handball spielen kann, gleichzeitig wusste ich aber auch, dass ich das in meinem ersten Jahr bei den Löwen nicht gezeigt habe.

Gab es eine besondere Situation, in der sich die Sachlage geändert hat?

Nein, die gab es nicht. Ich habe nach dem Ende der abgelaufenen Saison ganz bewusst probiert, im Kopf die Sache abzuhaken. Ich habe mir gesagt, dass jetzt eine neue Ära beginnt und ich es mir und den Leuten zeigen will, dass ich ein guter Spieler bin. Das letzte Jahr war für mich wirklich unbefriedigend, im zweiten Halbjahr habe ich kaum noch gespielt und das hat mir einen kleinen Knacks verpasst.

Wie meinst Du das?

Naja, Handball ist nicht allein mein Beruf, sondern der Sport macht mir sehr, sehr viel Freude. Und ein Stück weit hatte ich meine Freude verloren, weil ich unzufrieden war und wenig gespielt habe. Die Probleme, die man sportlich hat, nimmt man schließlich auch mit nach Hause und das wirkt sich dann auch auf das Privatleben aus.

Wie konntest Du diese Spirale durchbrechen?

Ich war während der Sommerpause viel in der Schweiz und meine Familie sowie meine Freunde haben mich unterstützt. Auch sie haben gesagt, dass sie mich auf dem Feld gar nicht mehr erkannt haben, weil ich völlig ohne Selbstvertrauen ge­spielt habe. Es hat mir geholfen, dass mir dies auch Personen gesagt haben, die mir nahe stehen.

Also Krisenbewältigung in der Heimat?

Ich wusste, dass es in meiner Karriere auch mal eine Talfahrt gibt. Das ist ja völlig normal, auch wenn es in den Jahren zuvor für mich sehr steil nach oben ging. Man darf ja nicht gleich resignieren, wenn es mal nicht mehr läuft, dessen bin ich mir bewusst.

Aktuell läuft es dafür richtig gut. Bist Du jetzt in Deiner Bestform?

Sicher ist es aktuell so, dass die Beine und die Arme lockerer werden, weil es besser läuft. Auch im Kopf werde ich lockerer, aber es ist sicher noch Potenzial nach oben da, das würde ich schon sagen.Es ist noch Raum nach oben da, weil ich bestimmt noch mehr Verantwortung übernehmen kann. Aber man soll ja nicht immer gleich zwei oder drei Schritte auf einmal machen wollen, sondern behutsam vorgehen. Genau das ist mein Plan.

Wie würdest Du das Spiel der Rhein-Neckar Löwen im Vergleich zum Vorjahr beschreiben?

Ich denke, dass unser Spiel insgesamt etwas schneller und spielerischer geworden ist. Žarko Šešum und Krzysztof Lijewski wollen die Dinge auf dem Feld auch spielerisch lösen und das tut uns insgesamt gut. Außerdem ist die Verantwortung jetzt auf mehreren Schultern verteilt, nachdem Ólafur Stefánsson in der vergangenen Saison viele Entscheidungen getroffen hat. So sind wir jetzt vielleicht ein Stück weit schwieriger auszurechnen. Alle sechs Rückraumspieler können Tore werfen und Entscheidungen treffen.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten haben die Löwen als Team?

Ich habe ein sehr gutes Gefühl, was das Mannschaftsgefüge angeht. Wir verfügen über eine junge, hungrige Truppe, die bereit ist, füreinander einzustehen. Das haben wir gegen den HSV gezeigt, als wir als Mannschaft überzeugt und deshalb gewonnen haben. Was passiert, wenn wir das nicht schaffen, mussten wir leider gegen Hannover erleben. Ich bin aber überzeugt, dass wir uns jetzt von Spieltag zu Spieltag als Mannschaft präsentieren, an einem Strang ziehen und uns deshalb auf gutem Niveau stabilisieren können.

 

„Es darf kein Hannover zwei geben“

 

Welche Ziele hast Du persönlich mit den Löwen in dieser Spielzeit?

Ich will möglichst jedes Spiel gewinnen. In der Liga wird der THW Kiel in diesem Jahr schwer zu besiegen sein, das mussten wir auch schon anerkennen. Wenn die Kieler nicht Probleme mit Verletzungen bekommen, wird es sehr schwer, sie von Platz eins zu verdrängen. Aber dahinter ist alles möglich und deshalb ist es mein persönliches Ziel, auf Rang zwei zu landen. In jedem Fall müssen wir versuchen, uns direkt für die Champions League zu qualifizieren, damit wir nicht wieder ein Wildcard-Turnier spielen müssen. Das will ich nicht mehr.

 

Als nächster Gegner wartet die MT Melsungen auf die Löwen. Was denkst Du über die Nordhessen?

Melsungen ist gut in die Saison gestartet und ganz sicher stärker einzuschätzen als im Vorjahr. Auf Rückraum Mitte und im Tor hat sich der Klub verstärkt. Aber wenn wir zuhause eine gute Leistung zeigen und als Team an einem Strang ziehen, werden wir das Spiel gewinnen. Es darf kein Hannover zwei geben und deshalb werden wir gut vorbereitet sein.

Nur zwei Wochen nach dem Duell in der Bundesliga trefft ihr im Pokal erneut auf die MT. Hat das Auswirkungen auf den ersten Vergleich? Und wie habt ihr reagiert, als euch die Hessen zugelost wurden?

Ich denke nicht, dass es Auswirkungen auf das Bundesliga-Spiel hat, weil wir anschließend im Pokal erneut auf Melsungen treffen. Das sind zwei Paar Schuhe. Wir hätten natürlich lieber vor eigenem Publikum im Pokal gespielt, weil wir natürlich erneut in Hamburg dabei sein wollen, das ist ein klares Ziel. Aber es ist in jedem Fall ein gutes Omen, dass die Löwen in den drei vorausgegangenen Spielzeiten immer gegen Melsungen im Pokal gewonnen haben, dieses positive Gefühl können wir für beide Partien gegen die MT mitnehmen.