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Mein Löwen-Moment, Teil 1: Wie man vom Zebra zur Löwin wird

Neue Serie stellt Fans und ihre Geschichten vor / Premiere mit Michaela Kösegi

Michaela Kösegi bei ihrem ersten Einsatz an der Trommel.

Löwen-Fans gibt es viele und hinter jeder und jedem steckt eine Geschichte. In der Serie „Mein Löwen-Moment“, die in loser Folge und unregelmäßigen Abständen auf der Website der Rhein-Neckar Löwen erscheint, wollen wir diese Geschichten erzählen. Wann genau hat es „Klick“ gemacht? Welches Spiel hat die Löwen-Liebe entflammen lassen? Welcher Augenblick hat sich für immer ins Fan-Gedächtnis gebrannt? Alldem gehen wir bei „Mein Löwen-Moment“ auf die Spur – und empfinden viele spannende und einzigartige Schlüsselerlebnisse gemeinsam mit den Protagonisten nach. Hier folgt nun Teil 1 mit Michaela Kösegi.

Es ist der 8. März 2009. In der Karlsruher Europahalle geht es an diesem Sonntagabend um die Wurst. Auf dem Spiel steht: der Einzug ins Viertelfinale der EHF Champions League. Die Rhein-Neckar Löwen brauchen einen Sieg, wollen sie den Gast aus Chambéry im letzten direkten Duell noch abfangen und einen der beiden ersten Plätze von Gruppe 2 erklimmen.

Mit 8:2 Punkten gehen die Franzosen als Tabellenführer in die Partie. Ihnen reicht ein Punkt, um eine Runde weiterzuziehen. Die Löwen stehen bei 6:4 Zählern, können aber mit einem deutlichen Sieg sowohl an Chambéry, als auch an Zagreb vorbeiziehen, das am Abend zuvor sein Punktekonto auf 8:4 erhöht hatte. Beim 31:18 gegen Celje hatte ein gewisser Kiril Lazarov zehnmal getroffen.

Unter dem Druck, gewinnen zu müssen, betreten die Löwen den Parkettboden der Europahalle. 5500 Zuschauer sorgen für echte Königsklassen-Atmosphäre. Mittendrin: Michaela Kösegi. Ziemlich genau ein halbes Jahr nach dem ersten Besuch eines Löwen-Spiels in der Bundesliga will sie sehen, wie sich die Jungs um Uwe Gensheimer, Henning Fritz und Karol Bielecki auf internationalem Parkett schlagen. Es sollte ein Spiel für die Geschichtsbücher werden – vor allem aber für das ganz persönliche Geschichtsbuch der Michaela Kösegi.

„Am nächsten Tag bin ich in den Fanclub eingetreten“

Michaela und Michael (Müller).

„Dieses Spiel werde ich nie vergessen. Was da abging! Die Stimmung war sensationell. Danach habe ich einfach nur gedacht: Wow!“ erinnert sich die damals 32-Jährige ganz deutlich an ihren Löwen-Moment. Was die Löwen an diesem Abend unter anderem mit der jungen Frau Kösegi veranstalten, war durchaus folgenschwer. Die Tore, der Jubel, der ganz besondere Flow eines ganz besonderen Handball-Abends: An Michaela Kösegi ging das nicht gerade spurlos vorüber: „Am nächsten Tag bin ich in den Fanclub eingetreten.“

Was war passiert? Die Rhein-Neckar Löwen, die damals eine bunt gemischte Truppe aus deutschen und osteuropäischen Altstars sowie einigen jungen Hüpfern aus der Region waren, spielten sich in einen Rausch. Rechtsaußen Mariusz Jurasik traf wie Kollege Lazarov tags zuvor zehnmal und war beim am Ende überdeutlichen 40:25-Sieg bester Löwen-Schütze. Die Franzosen, die das Hinspiel 25:23 gewonnen und unter anderem den Weltstar Daniel Narcisse in ihren Reihen hatten, wurden regelrecht zerpflückt und flogen als letztlich Gruppendritter noch aus dem Wettbewerb.

Dass es für die Löwen am Ende bis ins Halbfinale ging, wo man sich ziemlich deutlich dem THW Kiel beugen musste, ist aus Sicht von Michaela Kösegi eine weitere, persönlich höchst relevante Begebenheit aus dieser Saison. Denn bis zu jenem 8. März 2009 hatte ihr Handball-Herz ausgerechnet für die Zebras aus dem hohen Norden geschlagen. Die Mischung aus Weltklasse-Handball, Leidenschaft und der dazu passenden Stimmung auf den Rängen hatte sie einst vom THW überzeugt. „An diesem 8. März in Karlsruhe habe ich gesehen: Die Löwen können das ja auch! Und dann bin ich bei ihnen geblieben.“

Einmal Löwe, immer Löwe – selbst wenn man davor ein Zebra war. So könnte man die Geschichte der Michaela Kösegi überschreiben. Die Verwandlung ging dabei ziemlich schnell vonstatten. „Es war einfach der Wahnsinn, wie ich bei den Baden Lions aufgenommen worden bin. Die waren alle so nett und herzlich, als ob ich schon immer dabei gewesen wäre.“ Und dann war sie auch schließlich immer dabei. Bei unzähligen Auswärtsfahrten quer durch Deutschland und Europa. Bei allen Titelgewinnen – vom EHF Cup 2013 bis zum DHB-Pokal 2018, dem vorerst letzten großen Triumph.

Als Kasa Szmal nur mit Handtuch bekleidet zum Foto kam

Michaela Kösegi mit Alexander Daub.

Dabei hat sich die konkrete Form der Unterstützung mit den Jahren gewandelt. Zunächst landete Michaela Kösegi mit ihrer Freundin Anja Knebel bei den Trommlerinnen des Fanclubs. „Das hat unheimlich viel Spaß gemacht, eine absolute Gaudi war das“, erinnert sich die Sinsheimerin. 2011 fing sie parallel zum Trommeln mit dem Fotografieren an. Was als reines Hobby begann, wurde mehr und mehr professionell. Als ihr in der Saison 2012/13 eine Akkreditierung für den Innenraum der SAP Arena angeboten wurde, zögerte sie nicht lange. Seitdem versorgt sie die Baden Lions, bei Auswärtsspielen auch die Rhein-Neckar Löwen selbst mit ihren Spielaufnahmen.

Durch den professionellen Blick und die Nähe zum Spielfeld hat Michaela Kösegi eine besondere Beziehung zu ihren Lieblingen entwickelt. „Das Entscheidende für den Erfolg ist eine funktionierende Mannschaft. So etwas kann man durch die Kamera gut beobachten. Man sieht es an den kleinen Gesten.“ Am Handball selbst faszinieren sie die spezielle Ästhetik, die starken Charaktere, der Zusammenhalt, die sportlichen Höchstleistungen wie zum Beispiel die Sprungkraft eines Patrick Groetzki.

Besondere Löwen-Momente gab es für Michaela Kösegi seit diesem 8. März 2009 nicht nur bei Titelgewinnen. Gut erinnert sie sich noch an eine Auswärtsfahrt nach Celje. Am Abend des Spiels feierte Löwen-Keeper Slawomir Szmal Geburtstag. Gemeinsam mit einer Abordnung der Baden Lions wollte sie dem sympathischen Ausnahmekönner nach dem Spiel gratulieren, kam aber nicht ganz bis zur Umkleidekabine durch. Das registrierte der damalige Löwen-Manager Thorsten Storm. Auf seine Initiative wurde „Kasa“ aus der Kabine gerufen. Zur Gratulation durch Kösegi und Kollegen erschien der Torwart lediglich mit einem Handtuch bekleidet: „Wir haben alle zusammen ein Bild gemacht. Das war der Wahnsinn!“

In mehr als elf Jahren Löwen hat Michaela Kösegi unglaublich viel erlebt. Dabei war die Nahbarkeit der Spieler immer das, was sie am meisten fasziniert und begeistert hat. „Die waren für jeden Quatsch zu haben“, erinnert sie sich an schier unglaubliche Begegnungen mit den Müller-Brüdern, mit Bjarte Myrhol, Sergej Gorbok und Gudjon Valur Sigurdsson. Dass die Löwen gerade in den ersten Jahren ihrer Fan-Liebe als erfolgloses Star-Ensemble teils belächelt, teils verspottet wurden, habe sie nie gestört: „Was die anderen sagen, war uns Löwen-Fans schon immer egal. Außerdem fand ich es verständlich, dass man als Verein Stars verpflichtet, schließlich wollte man ja nach oben kommen.“

Besonderes Wiedersehen mit Herrn Palicka

Ein Schnappschuss aus dem Jahr 2008.

Den heutigen Ansatz, vor allem auf die Harmonie im Kader zu achten, anstatt rein auf das Können der Einzelnen, findet sie dennoch überzeugender. „So, wie es jetzt ist, gefällt es mir am besten. Von Martin Schwalb als Trainer bin ich begeistert“, sagt Michaela Kösegi. Sie kann kaum erwarten, dass es weitergeht. Dass wieder Handball vor Publikum gespielt werden kann. Auch wenn diese Sehnsucht wohl noch länger nicht erfüllt werden wird.

Ein Löwen-Wiedersehen gab es für das Ex-Zebra übrigens auch noch – und zwar mit einem anderen ehemaligen Kieler. Im Sommer 2016 kam Andreas Palicka aus Aalborg zu den Löwen. Von 2008 bis 2015 hatte er für den THW gespielt. 2008, im letzten Jahr ihrer Kieler Fan-Zeit, war Michaela Kösegi nach Kiel gereist, um sich ein Spiel ihrer damaligen Lieblinge anzuschauen. Nach der Partie kam ein junger Mann, damals 22 Jahre alt, zum gemeinsamen Foto. In die Kamera lächelte neben Michaela Kösegi: Andreas Palicka. Acht Jahre später sah man sich in der SAP Arena wieder. Dieses Mal auf der richtigen Seite. Alle beide.