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Mit der Wucht einer Walze (MM)

Rhein-Neckar Löwen demontieren Titelfavorit Flensburg und strotzen nach dem vierten Sieg im vierten Spiel als Tabellenführer vor Selbstvertrauen

MANNHEIM. Das Spiel war längst entschieden, der Applaus den Rhein-Neckar Löwen sicher. Doch auch eine Minute vor dem Abpfiff hechtete Oliver Roggisch auf Höhe der Mittellinie noch dem Ball hinterher und rutschte mit letzter Kraft über den Hallenboden. Die Energieleistung des Abwehrmannes – sie war bezeichnend für den eindrucksvollen Auftritt der Badener beim 29:22-Coup im Handball-Bundesliga-Spitzenspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt. Gierig und gallig waren sie, die Löwen. Heiß auf jeden Ball. Heiß auf jedes Tor. Die Marschroute: Niemals nachlassen, den Fans ein Spektakel bieten. Spaß, Leidenschaft und Emotionen zeigen.

Tolle Tordifferenz

Das gelang dem EHF-Cup-Sieger zum vierten Mal in dieser Saison – und das im vierten Spiel. Besser geht es nicht. Die Tordifferenz (+36) spricht Bände, der riesige Ehrgeiz erinnert an den THW Kiel. Seit Jahren werden die norddeutschen Alles-Gewinner und Dauer-Sieger dafür bewundert und gefürchtet, in jedem Spiel das maximal höchste Ergebnis erzielen zu wollen. Jetzt tun es die Löwen ihnen gleich und stehen an der Tabellenspitze.

„Da werden Erinnerungen an die vergangene Saison wach“, räumte der erneut bärenstarke Rechtsaußen Patrick Groetzki ein. Vor zwölf Monaten gewannen die Gelbhemden die ersten 13 Spiele. „Aufgrund der vielen Verletzten ist der Start jetzt höher einzuschätzen“, meinte der Linkshänder. Ist in dieser Runde noch mehr drin, vielleicht sogar der Titel? „In der nächsten Woche startet die Champions League. Für diesen Wettbewerb wollen wir uns wieder qualifizieren. Flensburg ist von den Experten zum Meisterschaftsfavoriten gemacht worden, wir können mit dieser Mannschaft mithalten. Das haben wir gesehen“, sagte Groetzki: „Wir haben Selbstvertrauen, werden aber nicht nur von der Euphorie getragen. Wir wissen um unsere Qualität.“

Und die ist zweifelsohne groß. Kapitän Uwe Gensheimer verwies dennoch erst einmal auf die kommenden Wochen: „Warten wir erst einmal die vier Auswärtsspiele in Folge ab.“ Schon am Samstag (20.15 Uhr/RNF überträgt live) steht das Derby bei Frisch Auf Göppingen an. „Da gibt es wieder was auf die Mütze“, erwartet Andy Schmid eine raue Gangart der Schwaben – doch mit ihrer Lockerheit und ihrer Defensivstärke können die Löwen derzeit jeden Gegner schlagen. „Wer nur 22 Tore gegen Flensburg bekommt, der muss sich im Angriff schon sehr dämlich anstellen, um nicht zu gewinnen“, kommentierte Schmid gewohnt flapsig den Erfolg: „Der Druck ist jetzt weg, nachdem wir in der vergangenen Saison einen Titel gewonnen haben.“

Mit der Wucht einer Walze überrollten die Löwen bislang jeden Gegner, wie angeknackste Liegestühle brachen die Kontrahenten reihenweise auseinander. Zermürbt von der badischen Abwehr, überfordert vom ungeheuren Tempo. „Wir hatten auch in der Schlussphase noch Luft“, freute sich Schmid über den Fitnesszustand seiner Mannschaft, während die Flensburger wie geprügelte Hunde in die Kabine schlichen.

Flensburg chancenlos

Die Norddeutschen wurden in der ersten Halbzeit demontiert, in der Schlussphase deklassiert und in der Tabelle distanziert. „Dieses Spiel muss uns zu denken geben“, sagte ein enttäuschter SG-Manager Dierk Schmäschke. Seine ambitionierte Mannschaft war in der SAP Arena chancenlos, weil die Löwen – von ein paar Minuten in der zweiten Halbzeit einmal abgesehen – zu keiner Zeit nachließen. Jeder wusste um seine Rolle, von der Bank kamen ständig neue Impulse. Runar Karason sorgte mit drei Treffern für Aufsehen, Sergei Gorbok kam rein und traf fünf Mal. Zusammen mit Kim Ekdahl du Rietz bildet er im linken Rückraum ein Traumduo. „Kim ist wie ein TGV“, verglich Schmid den dynamischen Schweden mit dem französischen Schnellzug: „Und Sergei macht die Tore aus der Distanz. Das fehlte uns in der vergangenen Saison.“

Gorbok wiederum gab das Lob an Trainer Gudmundur Gudmundsson weiter. „Meine Aufgabe ist es, Tore zu machen. Gudmundur hat die Situationen vorgegeben. Und alles ist genauso gekommen, wie er es prophezeit hat.“ Keine Frage: Gudmundsson, der Taktiker und Tüftler, der akribische Arbeiter – er hatte Flensburg analysiert, seine Jungs perfekt eingestellt. Und die Spieler setzten alles um.

„Wenn wir so weitermachen, können wir noch ein paar Begegnungen gewinnen“, blieb der Isländer ganz bescheiden. Gleichwohl weiß auch er, dass die Löwen nach dem Traumstart in die Favoritenrolle gedrängt werden. Manager Thorsten Storm nimmt’s gelassen. „Das tut uns nicht weh“, sagte der Geschäftsführer und lachte: „Wenn wir gut spielen, dann werden wir eben Meister.“

Von Marc Stevermüer