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Müde Löwen mit desolater Vorstellung

Karlsruhe. Die Berliner ließen sich von ihren mitgereisten Fans feiern. Während sich die Füchse in der Ecke der Karlsruher Europahalle vor der Tribüne überschwänglich für die Unterstützung bedankten, schlichen die meisten Rhein-Neckar Löwen mit hängenden Köpfen von dannen. Welch krasser Gegensatz nach einem desolaten Spiel, dass die Mannschaft von Ola Lindgren mit 26:33 (13:14) verloren hatte.

Nur Patrick Groetzki und Bjarte Myrhol saßen noch auf der Spielerbank. Völlig fertig, zutiefst geschockt von der unfassbaren Vorstellung, die sie zusammen mit ihren Kollegen abgeliefert hatten – und damit den vierten Platz in der Handball-Bundesliga und damit die Champions League-Qualifikation zwei Spieltage vor Saisonschluss noch einmal in höchste Gefahr gebracht haben.

„Unser größter Fehler war, dass wir zu viel eins gegen eins gespielt haben“, sagte der junge Rechtsaußen. „Es war alles schlecht. In der Abwehr haben wir blöde Tore bekommen und im Angriff haben wir uns von der offensiven Deckung beeindrucken lassen, obwohl wir wussten, was auf uns zukommen würde,“ versuchte der Jungspund zu erklären, was da gerade passiert war, denn die Füchse waren um einiges listiger, flinker und aufgeweckter als die trägen Löwen.

Als „sprachlos, dass die Spieler nicht begriffen haben, wie wichtig der vierte Platz ist“, meinte Geschäftsführer Thorsten Storm, redete dann aber Klartext: „Die Spieler haben nach zehn Minuten den Kopf hängen lassen und sich versteckt. Wir haben ganz, ganz kläglich verloren. Berlin hat eine tolle Mannschaftsleistung gezeigt – das hat uns gefehlt,“ sagte der Manager, „das war ein Rückschlag und ein ganz großes Fragezeichen. Wir haben ganz kläglich verloren. Hängende Schultern nach 15 Minuten – das darf nicht sein!“

Das Dilemma deutete sich schnell an. Die Gäste spielten munter auf, lagen immer knapp in Führung und nur Torhüter Henning Fritz hielt in der ersten Halbzeit mit einer guten Leistung die Löwen noch im Spiel. Zur Pause, beim 13:14 war noch nichts verloren, doch Trainer Ola Lindgren gelang es nicht, seine Mannschaft noch einmal auf den Gegner einzustellen. „Die Aggressivität und die Einstellung haben gefehlt, wir haben den Gegner aufgebaut“, sagte der Coach, „wir haben viele Varianten probiert, aber egal wie, die haben ihre Tore geworfen.“

Und so nahm das Desaster im zweiten Durchgang seinen Lauf. Nach nur gut acht Minuten lagen die Löwen mit 15:21 zurück, nichts deutete auf eine Wende hin, die Souveränität fehlte gegen den Außenseiter – und vielleicht auch Denker und Lenker Olafur Stefansson, der mit lädiertem Knie auf der Tribüne saß. „Es ist für jede Mannschaft ein Verlust, wenn jemand wie Stefansson fehlt“, erklärte Patrick Groetzki. Die Woche vor dem Spiel hatte Ola Lindgren Alternativen trainiert und in diesem Konzept spielte Sergej Harbok eine große Rolle. Doch am Tag vor dem Spiel zog sich der Rückraumspieler, der nach der Saison nach Moskau wechselt, einen Muskelfaserriss zu. Pech.

Nichts mit Pech zu tun hatte aber der jämmerliche Auftritt der Löwen vor den immerhin 4.211 Zuschauern in Karlsruhe. Und so meinte Thorsten Storm erst einmal: „Das tut mir für die Fans leid.“ Er wiederholte damit nur die Worte von Ola Lindgren, der überhaupt nicht verstehen wollte, warum sich seine Spieler nach einem schlechten Start nicht zurück ins Spiel gekämpft hatten. „Alle sind unter ihren Möglichkeiten geblieben.“

Derweil genoss Oberfuchs Dagur Sigurdsson den Erfolg: „Wir haben einen guten Lauf und haben acht der letzten neun Spiele gewonnen, nur in Kiel verloren. Bei uns wächst etwas zusammen.“ Im Gegensatz zu den Löwen, bei denen zumindest im Spiel gegen die Füchse das Team auseinander brach.

Von Hasso Waldschmidt

 25.05.2010