Veröffentlichung:

Müllers neue Welt: VIP-Raum auf Klo-Größe (MM)

Wetzlar. Diese Entscheidung hatte Michael Müller selbst am meisten überrascht. Beim Handball-Bundesligisten HSG Wetzlar wurde er von Trainer Kai Wandschneider vor dieser Saison zum Mannschaftskapitän bestimmt und überholte in der Hierarchie gleich einmal seinen Zwillingsbruder Philipp, der schon seit 2010 bei den Mittelhessen spielt. „Der hat nicht schlecht gestaunt“, sagt Müller mit einem Augenzwinkern und berichtet, dass er gar nicht unbedingt Kapitän werden wollte. „Ich bin ja erst in diesem Sommer zum Team gestoßen, das war schon ein komisches Gefühl. Ich brauche kein Amt, um meine Meinung zu vertreten. Aber der Trainer wollte das so.“Click here to find out more!

Keine Frage: Wandschneider wird sich bei seiner Entscheidung etwas gedacht haben, Müller zum neuen Anführer zu machen. Der Linkshänder mit WM- und EM-Erfahrung sowie Einsätzen in der Champions League soll in dieser Saison bei der HSG vorangehen. Und das ist auch für den Halbrechten eine neue Erfahrung. Von 2009 bis 2012 hatte er das Trikot der Rhein-Neckar Löwen getragen, doch so richtig zum Zug kam der gebürtige Würzburger bei den Badenern auch aufgrund von vielen schweren Verletzungen erst in seinem letzten Halbjahr. Und da stand der Wechsel nach Wetzlar bereits fest.

„Bei der HSG ist alles komplett anders als bei den Löwen. Hier tummeln sich nicht nur Weltklasse-Spieler im Training, sondern es fällt auch häufiger mal ein Ball herunter. Im Prinzip ist einfach alles eine Nummer kleiner. Der VIP-Raum in der Rittal-Arena ist so groß wie das Klo in der SAP Arena“, versucht er mit einem etwas unkonventionellen Vergleich, die Unterschiede deutlich zu machen. Müller lacht herzhaft, als er das sagt – und man spürt schnell, dass der 1,97-Meter-Mann den Wechsel zur HSG nicht bereut. „Ich fühle mich gar nicht richtig wie ein Neuzugang, weil ich die meisten Jungs ja schon von meinem Bruder kannte“, sagt der Modellathlet, der am Samstag (19 Uhr) mit seinem neuen Verein in die SAP Arena zurückkehrt und die Löwen herausfordert. Mit 6:2 Punkten sind die Mittelhessen stark in die Saison gestartet, am ersten Spieltag wurde sogar Ex-Meister HSV Hamburg entzaubert. Zuletzt setzte es in Melsungen aber die erste Niederlage. „Mit den ersten vier Spielen können wir zufrieden sein, auch wenn mich das 24:26 gegen Melsungen schon ein wenig ärgert“, meint der Rückraumspieler, der vor zu viel Euphorie beim Fast-Absteiger der vergangenen Saison warnt: „In dieser Verfassung war Hamburg für uns ganz einfach schlagbar. Das dürfen wir nicht überbewerten. Für uns geht es einzig und allein um den Klassenerhalt.“

Den tadellosen Start der Löwen (8:0 Punkte) hat Müller natürlich aus der Ferne verfolgt, noch immer steht er in Kontakt mit einstigen Kollegen wie Uwe Gensheimer, Oliver Roggisch und Andy Schmid: „Dass die Jungs so souverän durch die ersten vier Spiele gehen, hätte ich nicht erwartet. Aber vielleicht haben die Löwen jetzt gelernt, dass eine Mannschaft immer etwas befreiter aufspielt, wenn nicht permanent von außen Druck gemacht wird.“

Von Marc Stevermüer