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„Nicht kleiner machen, als wir sind“ (RNZ)

Kronau. Die Frage, ob er mit dem Alter vergesslicher geworden sei, wollte Henning Fritz „so im Raum stehen lassen“. Tatsache ist: Am Mittwoch feierte der Keeper der Rhein-Neckar Löwen seinen 37. Geburtstag – und am Donnerstag „verschwitzte“ Fritz den Beginn der Pressekonferenz im Kronauer Trainingszentrum. Nicht weiter tragisch, schlimmer wären aus Löwen-Sicht kleine Fehler oder gar Missgeschicke im Topspiel am Samstag (15 Uhr, SAPArena) gegen den Rekordchampion THWKiel. „Wir dürfen uns“, sagte Trainer Gudmundur Gudmundsson, „so wenig technische Fehler wie nur möglich erlauben.“ Also wird es in diesem tierischen und ewig jungen Duell zwischen Löwen und Zebras auf die Feinheiten ankommen. Wie immer.

„Jeder weiß, was auf uns zukommt. Die bisherigen Ergebnisse der Kieler sind sehr beeindruckend – der THW kommt als Favorit“, so Fritz über die Ausgangskonstellation. Nach einer turbulenten Woche mit dem starken Auftritt gegen Meister HSV Hamburg (33:29), der herben Enttäuschung bei der TSV Hannover-Burgdorf (32:33) sowie der prompten Rehabilitierung im Pokal beim TV Großwallstadt (34:22) sind die Nordbadener weiterhin auf der Suche nach Konstanz. Über 60 Minuten, über einen längeren Saisonzyklus, wie es Manager Thorsten Storm bereits vor dem Heimspiel gegen Hamburg eindringlich gefordert hatte.

Insofern kommt der Ostseeklub, das Aushängeschild der nationalen Handball- Szenerie, zu einem frühen und ungünstigen Saisonzeitpunkt. Erst recht, weil bei den Gelbhemden mit Bjarte Myrhol, Ivan Cupic und Krzysztof Lijewski drei Leistungsträger ausfallen, während beim Team von Alfred Gislason alle Mann an Bord sind. Auch weil das in der vergangenen Saison nicht der Fall gewesen war, nutzte der HSV die Gunst der Stunde( n) und wurde nach langer, langer Anlaufzeit erstmals deutscher Meister.

Die Bundesliga-Bilanz 2010/2011 der Löwen gegen Kiel war ebenfalls bemerkenswert: 29:26 gewann die Sieben aus Nordbaden in Mannheim, 33:31 gar in der THW-Bastion Sparkassen-Arena – das hatte es zuvor noch nie gegeben.

Henning Fritz, zwischen 2001 und 2007 ein erfolgreiches „Zebra“, sieht die Dinge vor dem 15. Ligavergleich zwischen Löwen bzw. „Kröstis“ und Kiel ganz realistisch: „Da muss schon alles passen bei uns. Wir dürfen uns aber nicht kleiner machen als wir sind.“ Es schwingt bei diesen Worten eine Mischung aus Trotz und Selbstbewusstsein mit.

Laut „Gudmi“ heißt es, die gefährliche zweite und dritte Welle der „Nordlichter“ zu stoppen und selbst bei Gegenstößen zu leichten Toren zu kommen, wenngleich Gudmundsson und Storm unisono von Kiel als „bester Mannschaft der Liga und bester Mannschaft Europas“ schwärmen.

Mut sprach den „Mannheimern“ Bundestrainer Martin Heuberger zu. Als Trainingsgast begutachtete der Brand- Nachfolger und Schutterwälder gestern die Löwen. „Man hat immer eine Chance“, so der 47-Jährige, „das Spiel gegen Hamburg fand ich echt beeindruckend.“ Selbstverständlich ist ihm die aktuelle Verfassung des Turnverein Hassee-Winterbek nicht entgangen: „Sie sind im Moment sehr gut drauf und haben ein dominantes Auftreten.“

Klar, sie wollen den 2011 verloren gegangenen Titel zurückhaben. Die Gier ist groß, Erfahrung und Siegermentalität sind beim THW ohnehin riesig.

Für den Handball-Knüller wurden bis dato über 9.000 Tickets verkauft. Deshalb wird nochmals die „Werbetrommel“ gerührt. Mannheims OB Dr. Peter Kurz gewährt den beiden Vereinsmaskottchen Conny (Löwen) und Hein Daddel (Zebras) heute im Rathaus eine Audienz, anschließend rennen „Räuber“ und „Beutetier“ um die Wette: Rund um den Mannheimer Wasserturm!

Anderweitig könnten sich die Rivalen ebenfalls in die Quere kommen. Am Mittwoch, 28. September, sagt Jesper Nielsen vor dem Kieler Landgericht im Handballprozess um Uwe Schwenker und Zvonimir Serdarusic aus. Auch Storm hat eine Einladung als Zeuge zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt bekommen. „Das ist alles ein Kieler Thema“, sagt Storm dazu. Freilich werden Schwenker und Co. die Anschuldigungen teilweise mit einer „Kampagne der Löwen gegen den THW“ zu entkräften versuchen. Man darf gespannt sein, wie „unvergessliche Momente“ in einer seit 2007 schwebenden Affäre juristisch bewertet werden. Die meisten Handballer würden den Skandal am allerliebsten vergessen …

Von Joachim Klähn