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Nutzen Löwen das Hintertürchen?

Lemgo. Er sprach langsam, wirkte ruhig und ausgeglichen. Eben gar nicht so, wie man sich einen enttäuschten Menschen vorstellt. Doch das täuschte, denn je länger das Gespräch dauerte, desto mehr kam sie durch, die Enttäuschung. Wort für Wort, Satz für Satz. Thorsten Storm, der Manager der Rhein-Neckar Löwen, war nachdenklich, als er sich am Samstag auf den Heimweg aus Lemgo machte. Kurz zuvor hatte er dort noch einen Sieg gesehen. Einen deutlichen: Mit 36:31 (17:17) gewannen die Gelben bei den Blauen. Lemgo war chancenlos, die Löwen bärenstark.

Das ist schön, aber wertlos. Denn die eigentlichen Gewinner feierten ein paar hundert Kilometer weiter: Die Berliner Füchse ließen sich im Fernduell nicht lumpen, krönten eine beeindruckende Saison mit einem 30:24-Erfolg beim SC Magdeburg. Der Lohn ist fürstlich: Die Hauptstädter bleiben Dritter, sicherten sich den so begehrten Champions-League-Platz. „Glückwunsch! Berlin hat es verdient. Sie haben eine Saison mit zwei Punkten mehr als wir gespielt.“ Wer Storm kennt, weiß: Leicht fallen ihm solche Aussagen nicht. Dazu ist sein Ehrgeiz zu groß, sein Streben nach Erfolg zu stark ausgeprägt. Er lässt sich lieber gratulieren, insbesondere, wenn es um sein ehrgeiziges Projekt, sprich um die Rhein-Neckar Löwen, geht.

Und wie läuft es bei denen nun weiter? Na, die stehen wieder genau da, wo sie auch schon vor einem Jahr standen. Erneut bleibt der direkte Weg zur Champions League versperrt. Erreicht werden kann die Königsklasse nur durch den Hintereingang. Es heißt Nachsitzen beziehungsweise Vorsitzen: Irgendwann Ende August, kurz vor Beginn der neuen Saison, wird wieder ein Qualifikationsturnier stattfinden. Es ist eine Art Auffangbecken für Frustrierte. Aber wer garantiert überhaupt, dass die Löwen dann dabei sein werden? Vielleicht erhält die Starterlaubnis auch ein anderer Klub. Storm nickt: „Auf diese Hintertür hoffen mehrere Vereine, deshalb ist es auch sehr wahrscheinlich, dass solch ein Turnier ausgetragen wird. Ob wir dann auch wieder mit dabei sind, kann ich allerdings nicht sagen.“

Wahrscheinlich wäre es aber. Vor allem die Spieler wünschen sich das. In Lemgo war dies nicht zu überhören. „Sie kamen und fragten, wollten wissen, wie das nun läuft. Ich kann ihnen da momentan aber nicht weiterhelfen“, verrät Storm und grantelt: „Hätten wir vorher in der Liga besser aufgepasst, müssten wir uns mit diesem Thema jetzt nicht beschäftigen.“ Sollten sich die Gelbhemden dem Qualimodus stellen, käme es übrigens wohl zu einem raschen Wiedersehen mit Kasa Szmal und Grzegorz Tkaczyk. Denn auch Vive Kielce hat gepatzt, ist nicht für die Champions League gesetzt.

Was bleibt, ist die Frage, möchten die Löwen überhaupt unbedingt in die Königsklasse? Oder tut es vielleicht sogar auch mal der EHF-Cup, wo Uwe Gensheimer und Co. endlich das Eis brechen könnten, in dem sie den ersten Pott in die Mannheimer Geschäftsstelle holen. Klar, der ist nicht so viel wert. Glänzt aber auch.

Zudem ist es auch eine Frage des Geldes. Den Umweg über das Qualifikationsturnier soll es nämlich nicht geschenkt geben. Um eine kleine finanzielle Einlage kommt kein Klub herum, wenn man in den erlauchten Kreis aufgenommen werden will. Und die Euros sitzen im Löwen-Umfeld bekanntlich wohl nicht mehr ganz so locker.

Storm sieht das Ganze freilich ein wenig anders. Für ihn ist die Champions League nach wie vor das Maß aller Dinge, das Sahnehäubchen auf dem Bundesliga-Alltag. Er sagt: „Natürlich möchte hier jeder von uns mitspielen, aber das haben wir jetzt erst einmal verpasst.“ Wie auch immer, Storm hat sich mit dem „Was, wäre wenn…?“ bislang noch nicht beschäftigt. Er beteuert das. Immer wieder. Denn auch in Managerkreisen stirbt die Hoffnung eben zuletzt.

Und am Sonntag wurde zunächst ebenfalls noch einmal aufgearbeitet, zurück geblickt. Auf Gutes und Schlechtes: Auf der einen Seite war da die famose Champions-League-Saison, die erst beim Final Four in Köln endete, auf der anderen jedoch eben auch die unnötigen Patzer. So wie kürzlich in Gummersbach, beim rabenschwarzen Abend im Oberbergischen. Dort, wo alle Löwen neben sich standen. Keiner brüllte – nicht mal ein zartes Fauchen war zu vernehmen. „Dies ist eine der Partien gewesen, in der uns der Spannungsbogen fehlte, der uns in so manchem Topspiel ausgezeichnet hat“, ärgerte sich Storm.

Selbst Gensheimer, der Galaktische, der Überflieger der Saison, war beim VfL im Formtief. An seinem persönlichen Siegeszug änderte das aber nichts. „Gensel“ wurde nämlich geehrt, gekürt zum Spieler des Jahres. Das war das Ergebnis einer Abstimmung, an der sich alle 18 Bundesliga-Manager beteiligten. Storm freute sich mit: „Uwe ist ein Leistungsträger und vielleicht schon jetzt der beste Linksaußen überhaupt. Ich bin froh, dass er sich so sehr mit dem Verein und der Region identifiziert. Toll, dass wir ihn haben.“

Von Daniel Hund

 06.06.2011