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Paukenschlag in Barcelona: Löwen feiern Traumstart

Der Start in die Gruppenphase der Champions League ist den Rhein-Neckar Löwen geglückt. Der Handball-Bundesligist gewann überraschend beim favorisierten FC Barcelona mit 31:30 (14:13). Erfolgreichster Torschütze der Gelbhemden war der in Schlussphase überragende Ivan Cupic (10/2).

Gudmundur Gudmundsson behielt die Ruhe, er wirkte in sich gekehrt. „Ich muss das alles erst einmal verarbeiten. Mir geht diese Partie noch einige Stunden durch den Kopf“, sagte der neue Trainer der Rhein-Neckar Löwen. Dann hielt er einen Moment inne und meinte: „Aber vielleicht mache ich heute Abend ein paar Minuten Pause.“ Und plötzlich lachte auch der Isländer, der erst am Donnerstag seinen Dienst beim Handball-Bundesligisten angetreten hatte und zum Einstand einen historischen Sieg feierte. „Wir haben in der Abwehr ganz stark gespielt, wenn man von der Anfangsphase einmal absieht. Die gute Defensive hat uns geholfen, zu einfachen Toren zu kommen. Das war wichtig, damit wir nicht so viel Kraft aufbringen mussten“, sagte Gudmundsson.

Während der Trainer sich über den Triumph etwas leiser freute, kannte der Jubel bei seinen Spielern keine Grenzen. „So viele Mannschaften werden hier nicht gewinnen. Wir hatten uns unglaublich viel vorgenommen, umso schöner ist es, dass wir dafür belohnt wurden“, sagte der über das ganze Gesicht strahlende Oliver Roggisch. Bei so viel Freude sah er locker über die extremen Leistungsschwankungen der Löwen in der dramatischen zweiten Halbzeit hinweg: „Wir haben gegen Barcelona gespielt. Diese Mannschaft stand vor wenigen Monaten im Finale der Champions League. Solch einen Gegner können wir nicht beherrschen. Das sollte man niemals vergessen.“

Nach ausgeglichener Anfangsphase nahm die Begegnung Mitte der ersten Halbzeit zunächst den erwarteten Verlauf. Barcelona erspielte sich eine 10:7-Führung (18.), weil die Gelbhemden in neun Minuten nur einen Treffer erzielten. Es sah nicht gut aus für die Badener, die erst kurz vor dem Seitenwechsel das Kommando übernahmen. Uwe Gensheimer und Ivan Cupic besorgten das 12:12 (26.), Grzegorz Tkaczyk traf zur erstmaligen Führung (13:12). Den Vorsprung nahm der Bundesligist dank Bjarte Myrhols Treffer in der Schlusssekunde zum 14:13 mit in die Pause.

Direkt nach dem Seitenwechsel lief es noch besser für die Löwen, die auf 19:15 (35.) davonzogen. Doch dann folgte der große Bruch, als nacheinander Oliver Roggisch und Børge Lund eine Zeitstrafe kassierten. Barcelona glich aus und stellte die Gelbhemden vor immense Probleme. Plötzlich fehlte die Struktur im Spielaufbau, mit einem 8:1-Lauf zogen die Katalanen auf 23:20 (46.) davon und erhöhten sogar auf 25:21 (48.). Die Entscheidung sollte das aber keinesfalls sein. „Unser Siegeswillen war sensationell“, meinte Gudmundsson.

Im Palau Blaugrana entwickelte sich eine dramatische Schlussphase. Sie war der Höhepunkt eines völlig verrückten Spiels. Bei den Löwen schwang sich Cupic zum Torgaranten auf. Der Kroate brachte seine Mannschaft fast im Alleingang wieder heran und profitierte von der unglaublich kompakten Defensive. Die aggressive Abwehr und Torwart Slawomir Szmal wurden zur fast unbezwingbaren Wand. Immer und immer wieder eroberten die Gelbhemden den Ball und setzten Cupic in Szene, der 77 Sekunden vor dem Schlusspfiff das 31:30 erzielte und nach der Partie leise Töne anschlug. „Wichtiger als meine Tore ist der Sieg. Ich habe die Treffer zwar gemacht, aber das ist doch ohne Bedeutung. Die Mannschaft hat hart dafür gearbeitet, damit ich diese Tore überhaupt erzielen kann.“

Der Aufsichtsratsvorsitzende Jesper Nielsen war völlig aus dem Häuschen. „Erst haben wir vier Tore Vorsprung, dann liegen wir mit vier Treffern zurück, doch am Ende gewinnen wir – und das alles in einer Halbzeit. Das ist der absolute Wahnsinn“, sagte der Däne, der dem Team ein großes Lob aussprach: „Es gab diese Phase, in der alle gegen uns lief. Aber wir haben nicht aufgegeben und den Sieg erkämpft. Das macht mich sehr stolz.“

Löwen: Szmal, Fritz (n.e.) – Stefánsson (2), Lund (4), Bielecki (3) – Cupic (10/2), Gensheimer (5) – Myrhol (4) – Roggisch, Tkaczyk (3), Groetzki, Schmid, Gunnarsson, Ruß (n.e.).

Von Marc Stevermüer

 26.09.2010