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Schaulaufen der Löwen (RNZ)
Mannheim. Da stand er. Die Haare halb lang, der Gesichtsausdruck grimmig, völlig ohne Körperspannung. Extrem lässig, fast schon lustlos sah das aus. Aber so ist Ivano Balic, der ehemalige Welt-Handballer, eben. Schon immer. Gestern schaute der Kroate mal wieder in der Mannheimer SAP Arena vorbei. Allerdings nicht im Dress der Nationalmannschaft, sondern im Trikot der HSG Wetzlar. Mit den Hessen wollte er das Ufo stürmen. Das Problem dabei: die Rhein-Neckar Löwen. Die bissen zu, krallten sich beim 34:23 (15:11)-Heimsieg beide Punkte.
Sieht nach Kantersieg aus, aber das täuscht. Eng war’s, ausgeglichen gerade in den ersten 30 Minuten. Patrick Groetzki, mit sieben Treffern bester Löwen-Schütze, nickte das ab. Sein Fazit: „Am Ende ist der Sieg sicher einen Tick zu hoch ausgefallen, der Spielverlauf war eigentlich ein anderer.“
Los ging es ausgeglichen. Trafen die Gelben, trafen im Gegenzug meist auch die Grünen. Kopf-an-Kopf ging’s durch die SAP Arena. Nach 12 Minuten leuchtete 6:6 von der Anzeigentafel. Ein holpriger Löwen-Start also. Und der hatte mehrere Gründe: Die Löwen-Abwehr war noch kein Bollwerk, Niklas Landin hexte zu selten und am gegnerischen Kasten glänzten lediglich Isaias Guardiola und Patrick Groetzki.
Trainer Gudmundur Gudmundsson erkannte das, bat in der 18. Minute, beim Stand von 8:9, zur Auszeit, zum einminütigen Krisengipfel vor der Löwen-Bank. Im Halbkreis, Schulter an Schulter, wurde diskutiert. Was der Isländer ansprach? Schwer zu sagen. Aber es fruchtete zunächst nicht. Bis zur 25. Minute lagen beide nach wie vor gleich auf (10:10). Doch dann zündete plötzlich einer, der das auch schon vor ein paar Jahren im Löwen-Gehege getan hat: Sergei Gorbok, der Rückkehrer. Drei Würfe, drei Tore – in Serie. Der Russe kann’s einfach. Sein rechter Arm ist eine Waffe, präzise und ungemein kraftvoll. Fähigkeiten, die ihn aus der Distanz brandgefährlich machen. „Er ist einer, der auch mal trifft, wenn es nicht so läuft“, zieht Thorsten Storm, der Manager der Löwen, ehrfurchtsvoll die Augenbrauen hoch, „Sergei braucht keinen Vorbereiter und genau dafür haben wir ihn auch geholt.“
Und Balic? Der saß zunächst nur draußen: Auf den Oberschenkeln ein Handtuch, den Kopf auf die rechte Hand gestützt. Bis zur 11. Minute war das so, dann kam er. Spielte gute Pässe, ließ ab und an sein Können aufblitzen. Den 11:15-Pausenrückstand konnte aber auch er nicht verhindern.
Nach dem Wechsel war dann auch Landin voll da. Mit Händen und Füßen. Mit Reflexen am Fließband. Hinten Landin, vorne der Rest. Ernsthaft in Gefahr gerieten die Badener nun nicht mehr. Teilweise glich es einem Schaulaufen, was sich da auf der Platte abspielte. Alle wollten mal und jeder durfte auch mal: Groetzki und Co. trafen wie sie wollten. Selbst Michel Abt trug sich in die Torschützenliste ein. Das Nachwuchs-Ass knallte den Ball zum umjubelten 34:23-Endstand in die Maschen.
Den meisten der 5816 Zuschauern gefiel das. Einem dagegen ganz und gar nicht: Kai Wandschneider. Von Beruf Trainer, der Chef bei der HSG Wetzlar. Selbst eine halbe Stunde danach, auf dem Podium im Presseraum, war Wandschneider noch sichtlich angefressen: „Die letzten sieben Minuten waren eine Katastrophe, ein Fehlpass-Festival. Wir müssen schnell lernen“, grummelte er.
Spielfilm: 4:2, 5:4, 6:6, 6:7, 8:8, 8:9, 10:10, 12:10, 14:10, 15:11 (Hz), 17:12, 19:15, 21:18, 27:21, 30:23, 34:23 (Endstand).
Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer 6, I. Guardiola 4, Sigurmannsson 1, Gorbok 5, Myrhol 5, Groetzki 7, Karason 2, Abt 1, G. Guardiola 1, Ekdahl du Rietz 2.
Zuschauer: 5816
Von Daniel Hund