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Schlusslicht mit Ehrgeiz und Entwicklungspotenzial

TuS N-Lübbecke stellt sich am Sonntag um 12.30 Uhr in der SAP Arena vor

Die Merkur-Arena in Lübbecke – zu ihr haben die Rhein-Neckar Löwen eine ganz besondere, eine sehr spezielle Beziehung. Jahrelang fuhren die Badener nach Ostwestfalen, um dort dann überraschende und in der Regel stets dramatische Niederlagen zu kassieren. Diese Punktverluste taten nicht nur weh, sie schmerzten und kosteten einige Champions-League-Teilnahmen und auch eine Meisterschaft. Aber ausgerechnet hier, in der Heimspielstätte des TuS N-Lübbecke, absolvierte die lebende Löwen-Legende Uwe Gensheimer auch sein bislang letztes Spiel für den badischen Handball-Bundesligisten. Und nicht zuletzt feierten die Löwen in dieser Halle ihre erste deutsche Meisterschaft.
Ein unvergessenes Erlebnis.

Am 5. Juni 2016 hielten Trainer Nikolaj Jacobsen und seine überglücklichen Spieler endlich die Schale in die Höhe. Sie feierten, tanzten, jubelten und drückten sich, während sich die TuS-Akteure nach der 23:35-Niederlage mehr oder weniger geräuschlos aus der Arena verabschiedeten – und das aus gutem Grund: Die Partie gegen den Deutschen Meister war für ein Jahr die letzte im Oberhaus, die Ostwestfalen stiegen nach desaströser Vorrunde sang- und klanglos ab, meldeten sich nach einem Jahr in der Zweitklassigkeit aber imposant in diesem Sommer in der Bundesliga zurück.

Souverän durch die Zweite Liga

Souverän marschierten die Lübbecker durch die Zweite Liga. Nie gab es eine Krise, nie setzte es zwei Niederlagen nacheinander. Die Mannschaft von Trainer Aaron Ziercke sammelte konstant Punkte, fuhr zuverlässig Siege ein und will sich nun im Oberhaus etablieren. „Für uns als Aufsteiger ist das Saisonziel eindeutig: Klassenerhalt“, sagte der Erfolgscoach kurz vor Saisonbeginn der „Handballwoche“ und merkte an, dass sich seine Mannschaft nach einem überragenden Jahr nun gedanklich etwas umstellen müsse. Die Gegner heißen schließlich nicht mehr SG Leutershausen, TUSEM Essen oder HSG Konstanz, sondern THW Kiel, SG Flensburg-Handewitt und Rhein-Neckar Löwen. „So viele Siege wie zuletzt fahren wir nicht mehr ein“, machte der Trainer klar, dass es Niederlagenserien, Tiefpunkte und Krisen geben wird. Zumal es das Auftaktprogramm in sich hatte.

Im Pokal bekamen es die Lübbecker mit der Überraschungsmannschaft TSV Hannover-Burgdorf zu tun, gegen die das Team aus Ostwestfalen
auch schon in der Liga antreten musste. Die Bilanz: zwei Niederlagen. Außerdem standen schon die Duelle mit den Titelanwärtern aus
Flensburg und Kiel an, die ebenfalls deutlich verloren gingen. Und auch im stets brisanten Derby bei GWD Minden gab es nichts zu holen. Der TuS hängt also erst einmal im Tabellenkeller fest, was nicht anders zu erwarten war. Die Ruhe verlieren sie in Lübbecke allerdings trotzdem
nicht, vielmehr vertraut der Traditionsverein seiner Mannschaft, die so stark in der Zweiten Liga agierte und deshalb nur punktuell verstärkt wurde.

Schlussmann Joel Birlehm kam von GWD Minden, Kreisläufer Moritz Schade vom Dessau-Roßlauer HV. Prominentester Neuzugang ist der  gebürtige Kroate und katarische Nationalspieler Marko Bagaric, der zuletzt für Al Rayyan im Wüstenemirat aktiv war. „Er wirft reichlich Erfahrung in die Waagschale, wird seine Bedeutung als Distanzschütze für uns haben und vor allem auch Räume für seine Mitspieler schaffen. Dazu kommen seine Stärken in der Defensivarbeit“, schwärmt Ziercke vom torgefährlichen Halblinken, während der Trainer die anderen beiden Neuen zunächst eher als Ergänzungen sieht: „Moritz Schade und Joel Birlehm sind sehr gute Perspektivspieler, die sich super mit einbringen können und sich bei uns – da bin ich mir sicher – weiter entwickeln können.“

Starke Rückraum-Besetzung

Den Verein verlassen haben Branimir Koloper (Ziel unbekannt) und Ramon Tauabo, dessen Vertrag überraschend aufgelöst wurde. „Grund für die Trennung sind grundlegend unterschiedliche Ansichten von Verein und Spieler, was Leistungsbereitschaft und Leistungserbringung im Profisport betrifft“, teilte der Club mit, der außerdem ohne den lanjährigen Schlussmann Nikola Blazicko auskommen muss. Er beendete seine Karriere, was Trainer Ziercke aber keine größeren Sorgen bereitet: „Peter Tatai war im Grunde schon letztes Jahr eine Nummer eins – gemeinsam mit Nikola. Nun ist Nikola bei uns Torwarttrainer, wovon auch Joel Birlehm als unsere Nummer zwei profitieren wird.“

Zufrieden ist Ziercke außerdem mit der Rückraumbesetzung in seiner Mannschaft: „Da sind wir mit Bagaric noch flexibler geworden. Und wir haben mit Pontus Zettermann, Ante Kaleb, Kenji Hövels, Lukasz Gierak und Jo Gerrit Genz recht unterschiedliche Spielertypen, was unser Vorteil sein kann.“ Viel Erfahrung bringt außerdem der 34-jährige und 101-fache polnische Nationalspieler Piotr Grabarczyk mit. Der dreifache EM-Teilnehmer stabilisiert die Abwehr, war zuvor für den dann in die Pleite gestürzten HSV Hamburg und Vive Kielce aktiv – nicht die schlechtesten Adressen im europäischen Club-Handball. Ansonsten setzt der TuS eher auf junge und entwicklungsfähige Spieler, um die Klasse zu halten.

Klar ist: Einfach wird das nicht, zumal die Finanzen auch keine großen Sprünge zulassen. Das führt dazu, dass der TuS zwar 16 Spieler einsetzen kann, aber nur 15 Akteure im Aufgebot hat. „Wir bleiben bodenständig. Alles muss wirtschaftlich vernünftig und darstellbar bleiben. Unsere solide finanzielle Situation behalten wir“, macht Geschäftsführer Torsten Appel deutlich.