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Sie nehmen wieder mal Anlauf

Das Zebra steht in der freien Wildbahn auf der Speisekarte der Löwen. Das Zebra ist das Wappentier des THW Kiel, des Viertelfinalgegners der Rhein-Neckar-Löwen in der Champions League der Handballer, dessen erster Teil morgen (19 Uhr, live, Eurosport) in der SAP-Arena ansteht. Bleiben wir in der Wildbahn. Bisher holten sich die Löwen stets eine blutige Nase, von Beute keine Spur. Doch die Löwen verfügen in diesem Jahr über schnellere Beine und geschärften Jagdinstinkt, die Zebras hinken ein bisschen. Was eben in der freien Wildbahn, die wir nun bald verlassen, eben dem Jäger einen gewissen Vorteil bringt.

Bringen könnte. Denn, nun sind wir im hoffentlich unblutigen Teil der Geschichte angekommen, mehr als einen „verhaltenen Optimismus“ (Löwen-Manager Thorsten Storm) nehmen die Herausforderer aus dem Badischen nicht mit in diese zwei Leistungsprüfungen. An deren Ende einerseits (THW) der fast schon gewohnte Einzug ins Halbfinale stehen könnte, anderseits (Löwen) der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.

Die Kieler kommen zum erstem Durchgang ohne den frisch operierten Spielmacher Kim Andersson, die Löwen haben aus dem letztlich doch nur auf Rang zwei beendeten Final Four um den deutschen Pokal jenes Selbstvertrauen getankt, das ihnen die Zuversicht gibt, endlich einmal einen Heimsieg, endlich einmal überhaupt einen Sieg gegen die Zebras zu landen. Den Grundstein zu legen vor eigenem Publikum in der bis gestern fast ausverkauften SAP-Arena (die letzten Karten gibt es noch am Sonntag ab 17.30 Uhr vor Ort), um dann im Rückspiel die Hoffnungen von Trainer Ola Lindgren zu bestätigen, die auf der Tatsache beruhen, dass seine Mannschaft in dieser Saison, vor allem in jüngster Zeit, „auswärts sehr erfolgreich aufgetreten ist“.

Gestützt auf die relativ frische Innenverteidigung mit Nikola Manojlovic und Bjarte Myrhol, welche die Abwehrikone Oliver Roggisch ins zweite Glied verdrängte. „Auch Oliver wird seine Einsatzzeiten bekommen, wir brauchen alle Spieler“, verspricht der Trainer. Und Torwart Henning Fritz sieht in der Beweglichkeit der Beiden auch einen Vorteil. „Wir sind eine Mannschaft“, sagt er aber, „auch Oliver ist schnell, er versucht aber immer mal wieder rechts oder links auszuhelfen.“ Was ein ehrenvolles Lob für den Weltmeister ist, zwischen den Zeilen aber stehen lässt, dass dadurch eben jene Löcher entstehen können, die den Torwart gelegentlich in die Bredouille bringen. Slawomir Szmal in diesem Fall, oder eben Henning Fritz, den Thierry Omeyer vor seinem Wechsel zu den Löwen als Kieler Nummer eins verdrängte. „Thierry hat drei Jahre auf absolutem Weltklasse-Niveau gehalten, das er in dieser Saison nicht unbedingt bestätigen konnte“, sagt der Fachmann. Hoffnung nur? Zweckoptimismus? Nicht unbedingt, denn offenbar sind Omeyer und die Kieler insgesamt in dieser Saison nicht so dominant wie in den letzten Jahren.

Hinzu kommt, das auch Daniel Narcisse nicht fit zu sein scheint. „Er hat bei den Länderspielen in Island keine Minute für Frankreich gespielt“, teilt Gudjon Valur Sigurdsson mit, der wegen seiner Knieverletzung ebenfalls vorläufig keine Minute spielen kann. „Es ist noch gereizt, ich kann ein paar Minuten Lauftraining machen, an mehr ist derzeit nicht zu denken“, sagt „Goggi“ und sieht dabei so unglücklich aus, wie sich wohl auch Kim Andersson (Knorpelschaden im Knie) fühlen mag.

Beide zum Zuschauen verurteilt, bei zwei Spielen, für die von Lindgren über Storm, Fritz und Sigurdsson alle einen ganz knappen Ausgang vorhersagen. Weil die lange überragenden Kieler in ihrer Entwicklung eher einen Stillstand oder sogar einen kleinen Rückschritt verzeichnen, die Löwen aber in den letzten Wochen einen großen Schritt nach vorn.

Von Dietmar Einzmann

 24.04.2010