Veröffentlichung:

Szmal im Glück: Ich bin überwältigt

Mannheim. Er liebt diese Momente, in denen alle Blicke auf ihn gerichtet sind, diese Augenblicke, wenn es einzig und allein auf ihn ankommt, diese wenigen Sekunden, in denen aus einem Mannschaftssport ein Duell zwischen zwei Spielern wird. Schlussmann Slawomir Szmal steht in seinem Tor. Der Angreifer läuft auf ihn zu – und der Keeper des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen will den Ball abwehren. Nichts anderes hat er im Sinn. Fliegen und fangen, das ist seine Welt. Oder anders ausgedrückt: Der Platz zwischen den Pfosten ist sein Revier, hier fühlt er sich wohl. Mit seinen Reflexen kann der 31-Jährige die gegnerische Mannschaft zur Verzweiflung bringen. Und jetzt hat er sich selbst belohnt: Szmal wurde zum Welt-Handballer des Jahres 2009 gewählt. Er hat die Abstimmung mit 68,7 Prozent der Stimmen vor Nikola Karabatic (Montpellier, 20,9 Prozent) und Igor Vori (Hamburg, 10,4 Prozent) gewonnen.

Torwart will sich nicht ausruhen

Geradezu fassungslos reagierte Szmal, als er gestern über das Ergebnis der Wahl informiert wurde. „Ich bin überwältigt, damit hätte ich nicht gerechnet“, sagte der Torwart, der sich auf den Lorbeeren aber nicht ausruhen will: „Diese Auszeichnung bringt Verantwortung mit sich und ist eine Herausforderung.“ Keine Frage: Der Keeper will in den nächsten Monaten beweisen, dass er die Abstimmung zurecht für sich entschieden hat. So ganz nach dem Motto von Oliver Kahn: „Weiter, weiter, immer weiter!“

Seine Karriere begann der stets sympathische und bescheidene Familienmensch in seiner Heimat bei Stal Zawadzkie. Er wurde von seinem Vater Kaziemierz trainiert und bewunderte seinen Onkel Andreas Mientus. Der war nämlich früher in Deutschland am Ball, trug das Trikot des TV Hüttenberg und stand ebenfalls zwischen den Pfosten. Da, wo sein Onkel war, wollte „Kasa“ auch hin – und das gelang ihm. Über TuS N-Lübbecke kam er 2005 zu den Löwen.

Wenn der Torwart richtig heiß läuft, wird der 31-Jährige zur unüberwindbaren Wand. Dann geht es spektakulär und akrobatisch auf der Platte zu. In Höchstform kratzt der Pole Unhaltbare am Fließband aus dem Winkel. Für die Löwen wird er das noch bis 2011 tun, dann geht der Hexer zurück in seine Heimat und wechselt zu Vive Kielce: „Es ist an der Zeit, nach Hause zu gehen.“

In bestechender Verfassung zeigte sich der 1,86-Meter-Mann zuletzt vor allem im Nationaltrikot, als er bei der Europameisterschaft 2010 zum besten Torhüter des Turniers avancierte. Davon konnte sich auch die deutsche Mannschaft bei ihrer 25:27-Niederlage gegen die Osteuropäer überzeugen. „Was der Szmal im Tor gezeigt hat, war einfach überragend“, lobte damals Oliver Roggisch seinen Klub-Kollegen.

Pikant: Kurz vor der Europameisterschaft waren der Pole und sein Kollege Henning Fritz wegen ihrer Leistungen bei den Löwen von Manager Thorsten Storm noch kritisiert worden. Apropos Fritz: Der gebürtige Magdeburger gewann die Wahl zum Welt-Handballer auch schon einmal. Und zwar im Jahr 2004 – damals als erster Torwart überhaupt. Nun darf sich sein Kollege ebenfalls mit dieser Auszeichnung schmücken. „Kasa und ich harmonieren sehr gut miteinander“, sagt Fritz, der sich mit Szmal die Spielzeit zwischen den Pfosten teilt. Neid gibt es keinen. „Erfolgreiche Mannschaften haben nicht nur einen guten Schlussmann, sondern zwei“, meint der ehemalige deutsche Nationalspieler, der 2007 das WM-Finale gegen seinen heutigen Vereinskameraden gewann.

„Daran erinnere ich mich nicht mehr, das ist Vergangenheit und liegt schon einige Zeit zurück. An dieses Endspiel denke ich erst wieder als alter Mann, wenn ich als 70-Jähriger mit meinem Sohn auf dem Sofa sitze und mit ihm darüber spreche“, sagt Szmal und lacht ein wenig. Der Torwart weiß: Trotz dieser äußerst bitteren und schmerzhaften Final-Niederlage hat der Sport ihm sehr viel gegeben. Er ist jetzt Welt-Handballer.

Von Marc Stevermüer

 27.05.2010