Veröffentlichung:

Tage wie diese – aber niemals geht man so ganz

Abschiedssause von Oliver Roggisch verfolgen 13200 Zuschauer in der SAP Arena

Eine großartige Abschiedssause, die wohl nicht nur dem Protagonisten für immer in Erinnerung bleiben wird. Oliver Roggisch lud zu seinem Abschiedspiel – und 13.200 Zuschauer kamen. Sie kamen und feierten einen großen Spieler und eine große Persönlichkeit, die den Rhein-Neckar Löwen als Mannschaftsverantwortlicher erhalten bleibt. Das Spiel zwischen den Gelbhemden und der deutschen Nationalmannschaft endete am Sonntagnachmittag in der ausverkauften SAP Arena 34:39 (22:24).  

Zweieinhalb Minuten vor dem Ende kam Oliver Roggisch dann ein letztes Mal aufs Feld, simulierte eine Verletzung und ließ sich von Betreuern der Nationalmannschaft vom Feld tragen. Die aber schickten den humpelnden Roggisch für sein großes Finale aufs Feld. Er durfte noch mal einen Siebenmeter ausführen, treffen, jubeln, sich feiern lassen. Sekunden später war es das dann mit der Karriere von Oliver Roggisch. Nach einem Foul von „The Rogg“ an Stefan Sigurmannsson stürmten seine Mannschaftskameraden mit Roten Karten aufs Feld, die sie Roggisch entgegenhielten. Der diskutierte nochmals mit den Schiedsrichtern. Doch die ließen sich nicht erweichen, Roggisch musste vom Feld.

Nun ja, er blieb dann doch drauf. Denn unter minutenlangem Beifall in der SAP Arena herzte Roggisch jede Menge Mitspieler, wurde von seinen Mannschaftskameraden durch die Luft geworfen, bekam Präsente überreicht, ließ sich von den Fans mit Standing Ovations feiern und mit „Oliver Roggisch“-Rufen verabschieden. „Diese Fans, diese Mannschaft, das ist alles unglaublich“, sagte ein sichtlich bewegter Roggisch mit Tränen in den Augen. „Tausend Dank dafür, dass mir das ermöglicht worden ist.“ Einer der Höhepunkt der Verabschiedungszeremonie war sicherlich ein Einspieler auf dem Videowürfel in der SAP Arena, der die Karriere von Roggisch in Bildern nachzeichnete.

„Du hast in deinem Wohnzimmer einen unglaublichen Abschied erlebt“, sagte Bernhard Bauer, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) über den Kapitän der Nationalmannschaft. „Du warst unser Gesicht über viele Jahre, ein Vorbild, der immer vorbildlichen Einsatz gezeigt hat, über die Grenzen hinausgegangen ist.“ Uwe Gensheimer, der Kapitän der Löwen, sagte: „Oli ist ein Unikat, ein echter, authentischer Typ und ein überragender Spieler, der jeder Mannschaft sehr, sehr gut tut. Es war ein wunderbarerer Nachmittag. Das hat uns ein bisschen über den Frust des Meisterschaftsfinals weggeholfen, auch wenn es sich noch immer so anfühlt, als wenn man etwas weggenommen bekommen hätte, was man eigentlich verdient hätte.“

Roggisch, in den vergangenen Jahren nur noch in der Abwehr im Einsatz, begann in der Partie als Kreisläufer, hatte nach 22 Sekunden die erste Chance der Partie, scheiterte aber am Pfosten – 15 Sekunden später gab es die ersten „Oli“-Sprechchöre. Und nach zwei Minuten den ersten Treffer des 35-Jährigen – zum 2:2. Vor allem Regisseur Andy Schmid versuchte Roggisch anfangs immer wieder gekonnt in Szene zu setzen, wie zum Beispiel beim 4:6 (6.). Als dieser kurze Zeit später eine erste Verschnaufpause bekam, wedelte ihm Co-Trainer Thomas Svensson mit einem Handtuch Luft zu.

Es war eine Partie, bei der die Abwehrarbeit nicht unbedingt im Fokus stand, eine Partie, bei der die Akteure vor allem Spaß hatten, bei der die Zuschauer schöne Spielzüge und Tore, etwa per Kempatrick von Bjarte Myrhol, am Fließband zu sehen bekamen – ein typisches Abschiedsspiel eben. Und auch ein Spiel, in dem sich der Frust des Vortages kurzzeitig ein bisschen verdrängen ließ.

Nach rund einer Viertelstunde der Partie tauchte Oliver Roggisch dann plötzlich im Löwen-Fanblock auf und gab an der Trommel den Takt vor, mit der er dann einmal durch die gesamte SAP Arena wanderte – zwischendurch übergab er den Trommelstab kurzfristig an Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson. Die Zuschauer fühlten sich bestens unterhalten. Zwei Minuten später erzielte „The Rogg“ mit dem 16:17 bereits sein viertes Tor. Per Siebenmeter nach einer Pirouette, mit der er auch im Eiskunstlauf auftreten könnte.

Im zweiten Durchgang, zur Pause stand es 22:24 aus Löwen-Sicht, lief Roggisch dann, wie auch Uwe Gensheimer, im Trikot der deutschen Nationalmannschaft auf, lieferte sich erst mal eine kleine spaßige Ringereinlage mit Alexander Petersson und zog dann sein Trikot aus, um den Schweiß aufzuwischen. Als er es dann wieder an hatte, erzielte er kurze Zeit später seinen ersten Treffer im Deutschland-Trikot an diesem Nachmittag. Sein fünfter. Denn danach stellte er sich kurzzeitig ins Tor der deutschen Nationalmannschaft.

Sein Comeback bei den Löwen feierte nach rund 45 Minuten Spielzeit unter großem Applaus Marius Steinhauser und erzielte nur Sekunden später seinen ersten Treffer. Für den Rechtsaußen bedeutete es nach zwei Kreuzbandrissen den ersten Einsatz seit dem 16. März 2013. „Heute ist zwar Olis Abend, aber das freut jeden hier in der Halle“, sagte Patrick Groetzki.

Rund eineinhalb Stunden zuvor hatte Oliver Roggisch als erster Akteur bei der Spielerpräsentation die Halle betreten – was heißt betreten. Er fuhr mit einem Motorrad in die SAP Arena ein, drehte eineinhalb Ehrenrunden an den Zuschauerränge entlang, bevor er von Hallensprecher Kevin Gerwin und den Zuschauern mit dem bekannten Wechselruf die „Die Nummer vier …“ und „ … Oliver Roggisch“ begrüßt wurde. Nicht weniger laut war es Minuten später, als seine Mannschaftskameraden folgten. Sie wurden von den Fans gefeiert. Trotz oder gerade wegen der am Vortag so knapp und bitter verpassten deutschen Meisterschaft.

Oliver Roggisch, der seine ersten Schritte als Handballer beim TSV Vaterstetten machte, begann seine große Karriere dann beim TuS Schutterwald. Über die Stationen Frisch Auf Göppingen, TuSEM Essen und SC Magdeburg wechselte der 35-Jährige 2007 zu den Rhein-Neckar Löwen. Er lief über 400 Mal in der Bundesliga auf. Mit den Badenern gewann der Abwehrspieler in der Vorsaison den EHF-Cup, was ihm auch schon 2005 mit Essen und 2007 mit dem SC Magdeburg gelungen war. Zudem spielte Roggisch über 200 Mal für die deutsche Handball-Nationalmannschaft, mit der im Juni noch bei den WM-Qualifikationsspielen gegen Polen antritt. Mit der DHB-Auswahl wurde Roggisch 2007 im eigenen Land Weltmeister. Er bleibt den Löwen erhalten. „Er ist ein Gesicht der Löwen“, sagte Manager Thorsten Storm.

Vor der Partie wurde Andy Schmid, der Regisseur der Löwen, unter tosendem Applaus als bester Spieler der Bundesliga-Saison 2013/14 ausgezeichnet. Die gleiche Ehre erging an Niklas Landin, der die Auszeichnung als bester Torhüter erhielt. Und Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson erhielt die Auszeichnung als bester Trainer der abgelaufenen Spielzeit.