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Topklub mit Talentschmiede (MM)

Die Rhein-Neckar Löwen setzen vermehrt auf den Nachwuchs – und gewähren einen Einblick in ihr neues Konzept

MANNHEIM. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die Stars die Klinke in die Hand gaben, in denen das eigene Jugendförderzentrum kaum beachtet wurde, in denen mit Fantasiegehältern die laut Ex-Geldgeber Jesper Nielsen „weltbeste Mannschaft“ aufgebaut werden sollte. Bei den Rhein-Neckar Löwen geht es nach dem Rückzug des Mäzens bescheiden zu – und der Handball-Bundesligist schaut wieder vermehrt nach Talenten aus dem Südwesten und weniger nach Topstars aus dem Ausland. „Die Wertschätzung der Jugend hat sich massiv erhöht. Ich glaube nicht, dass es in den vergangenen Jahren jemals eine Pressekonferenz gab, bei der es um den Nachwuchs ging“, sagt Rolf Bechtold.

Er leitet das Förderzentrum der Löwen und der SG Kronau/Östringen und freut sich über die Kurskorrektur. Neben ihm auf dem Podium sitzen Klaus Gärtner (Trainer Drittliga-Mannschaft und Jugendkoordinator), Tomas Svensson (Co-Trainer Löwen), Geschäftsführer Thorsten Storm und Bundesliga-Coach Gudmundur Gudmundsson. Das Quintett demonstriert Geschlossenheit, erläutert den neuen Weg des Klubs, der mit einer Mischung aus Topstars und Talenten in der deutschen Eliteliga weiterhin zum oberen Tabellendrittel gehören will. Bislang geht die Rechnung auf. Vor dem Spiel am Samstag (19 Uhr/SAP Arena) gegen die HSG Wetzlar weist die Bilanz der Badener vier Siege in vier Spielen auf. Keine Frage: Aktuell sieht es blendend bei den Gelbhemden aus. Doch wird das auch in ein paar Jahren noch so sein?

Bechtold ist davon überzeugt. „Wir haben Jungs in unserer B-Jugend, die sind in ihrer Entwicklung weiter als damals ein Uwe Gensheimer im gleichen Alter. Vor uns liegt eine goldene Zukunft“, ist ihm nicht bange. Er sagt aber auch: „Um in die Bundesliga zu kommen, reicht Talent allein nicht aus. 20 bis 30 Prozent hängt von der individuellen Begabung ab, der Rest von Arbeit und Wille.“

Wie es gehen kann, haben Kevin Bitz (19 Jahre) und Jonas Maier (18) vorgemacht. Beide standen schon in der SAP Arena auf der Platte und identifizieren sich zu 100 Prozent mit dem Klub, sind sie doch zwischen Kurpfalz und Kraichgau aufgewachsen. „Wir wollen unser Internat in erster Linie mit Talenten aus der Region füllen“, unterstreicht Bechtold, der daran glaubt, dass Maier und Bitz zu festen Größen im Löwen-Team werden können. Aber nicht heute oder morgen, sondern in zwei, drei Jahren.

„Wir befinden uns in der ersten Phase und mussten zuletzt schon viele neue Spieler in die Bundesliga-Mannschaft einbauen, die auch noch sehr jung sind“, verweist Svensson auf Kim Ekdahl du Rietz, Niklas Landin und den Faktor Zeit. „Geduld, Geduld“, mahnt daher auch Gärtner an: „Wir wollen die Jungs Schritt für Schritt an die Bundesliga heranführen.“ Vermehrt setze er deshalb auf individuelles Training mit Schwerpunkten im Kraft- und Athletikbereich – ohne die Talente dabei zu verheizen. „Jonas Maier muss man manchmal bremsen“, berichtet Bechtold, dessen Optimismus von Manager Storm geteilt wird: „Für junge Handballer haben wir mit die besten Voraussetzungen in Deutschland. Damit meine ich nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die handelnden Personen.“ Es hat allerdings gedauert, bis die Löwen das notgedrungen erkannten.

Von Marc Stevermüer