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Totaler Einbruch der Löwen (RNZ)

Heidelberg. Berlin ist immer eine Reise wert. Sagt man, heißt es in jedem Reiseführer. Als Spieler der Rhein-Neckar Löwen kann man das seit Dienstag, seit diesem rabenschwarzen Abend der Gelben, ausklammern. Denn das, was sich da in der Hauptstadt zwischen den Kreisen abgespielt hat, war eine Vorführung in zwei Akten. 32:26 (15:11) stand es nach 60 einseitigen Handball-Minuten. Für die Füchse, gegen die Löwen.

Vor allem die Art und Weise war erschreckend. Nach starkem Beginn ergaben sich die Spieler um Abwehrchef Oliver Roggisch in ihr Schicksal: Die Defensive löchrig, der Angriff schwach. Woran es lag? Gute Frage. Vielleicht an der Einstellung? Denn irgendwie wirkten sie unkonzentriert, die Löwen. Müde und emotionslos. Ihrem Trainer schmeckte das gar nicht. In Gudmundur Gudmundsson brodelte es. Mitte der zweiten Halbzeit ließ er den Frust dann mal raus. Er bat zur Auszeit, zum einminütigen Krisengipfel. „Ich will jetzt Leidenschaft sehen. Fangt an zu kämpfen.“ Und er sagte das nicht einfach nur, nein, er schrie raus, brüllte wie ein Löwe.

Thorsten Storm, der Manager der Besten aus dem Südwesten, litt abseits der Platte mit. Sein Fazit, kurz und schmerzlos: „Berlin hat sehr gut gespielt und wir ab der 15. Minute sehr schlecht.“ Wobei eins nicht vergessen werden darf: Während die Löwen zuvor gegen Magdeburg richtig beißen mussten, um sich für das Final Four im EHF-Cup zu qualifizieren, hatte Berlin spielfrei. Zehn Tage lang konnten sich die Füchse auf die Löwen vorbereiten, konnten das Spitzenspiel generalstabsmäßig planen. Auch Storm nickt das ab, sagt: „Das war definitiv ein Vorteil für Berlin.“ Aber auch: „Der eine oder andere bei uns muss sich steigern. Die Last liegt immer auf den Schultern weniger. Keiner darf sich nicht verstecken, das müssen wir besprechen.“

Wie auch immer, viel passiert ist nicht. Gut, der zweite Platz dürfte nach der Pleite in Berlin – und der noch anstehenden Herkulesaufgabe in Kiel – bald Geschichte sein. Sprich Flensburg wird wohl an der Gudmi-Sieben vorbeiziehen. Aber vom dritten Rang werden Patrick Groetzki und Co. im Ligaendspurt kaum mehr zu verdrängen sein. Und der berechtigt bekanntlich ebenfalls zur Teilnahme an der Königsklasse. Bei den Löwen-Machern beurteilt man die Lage ähnlich. Storm, der Optimistische: „Auch andere Kandidaten werden noch Punkte lassen.“

So viel zur Gegenwart, weiter mit der Zukunft. Denn so schön die Rückkehr in die Champions League auch wäre, sie könnte auch zum Bumerang werden: Die Belastung würde zunehmen, was mit der erhöhten Spielfrequenz zusammenhängt, den permanenten englischen Wochen im Kreis der Besten.

Oder anders ausgedrückt: Nur, wenn die Löwen personell nachlegen, ist das Abenteuer Champions League zu stemmen. Gerade im linken Rückraum drückt der Schuh. Auch Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar macht sich so seine Gedanken. Am Rande des Duells in der Hauptstadt brachte er deshalb einen Namen ins Spiel, der überraschte: Nikola Karabatic.

Der Weltstar zu den klammen Löwen? Eher nicht. Storm dazu: „So einen Spieler können wir uns nicht leisten, da ist nichts dran. Laut meiner Informationen spielt er bald in Barcelona.“ Karabatic wird es also nicht. Eine Alternative muss jedoch her. Ohne wenn und aber. „Wir brauchen unbedingt noch einen Spieler, der aus der Distanz torgefährlich ist.“

Dass der Dienstag ein gebrauchter Tag werden könnte, hatte sich übrigens schon früh angedeutet: Am Vormittag bekamen die Löwen im Halbfinale des EHF-Cups Frisch Auf Göppingen zugelost. Internationaler Flair? Fehlanzeige! Badener gegen Schwaben. Wie im vergangenen Jahr.

Berlin: Igropulo 6, Jaszka 6, Christophersen 5, Sellin 4, Nincevic 3, Pevnov 3, Laen 2, Lund 2, Löffler 1

Löwen: Sigurmannsson 6/1, Ekdahl du Rietz 5, Myrhol 4, Petersson 4, Schmid 3/1, Groetzki 2, Sesum 2.

Spielfilm: 2:2, 4:4, 5:8, 8:8, 12:9, 15:11 (Halbzeit), 17:11, 20:12 , 23:13, 32:26 (Endstand).

Von Daniel Hund