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Tradition und Talente (MM)

Löwen-Gegner Zagreb genießt in Europa nach wie vor einen guten Ruf

MANNHEIM. Groß waren die Erfolge – in der Vergangenheit. Klangvoll ist der Name aber noch immer: RK Zagreb. Der Klub steht für Tradition. Für Titel. Für Topstars. Und mehr denn je für Talente. 1992 und 1993 holte RK den Europapokal der Landesmeister, aus dem längst die Champions League geworden ist. Und die Sehnsucht nach Europas Krone ist im handballverrückten Kroatien nach wie vor riesig. Doch zurzeit ist daran nicht zu denken.

Den nationalen Titel gewinnen die Zagreber zwar jedes Jahr – und meistens auch noch den Pokal dazu. Diese Dominanz ist jedoch mehr Fluch als Segen, wie RK-Manager Ante Ancic vor dem Champions-League-Spiel bei den Rhein-Neckar Löwen am Donnerstag (20.30 Uhr/Sportzentrum „Harres“ St. Leon-Rot) sagt: „Unsere Liga ist zu schwach. Das ist ein Problem für unsere jungen Spieler, weil sie sich nicht entwickeln, wenn sie kaum gefordert werden.“

Umso mehr Bedeutung kommt deshalb der SEHA-Liga (ein Zusammenschluss von Mannschaften aus Osteuropa und vom Balkan) zu, die Zagreb in diesem Jahr gewann: „Diese Liga hilft uns, unsere Spieler zu verbessern. Wir treffen auf Mannschaften, die in der Champions League oder im EHF-Cup eine gute Rolle spielen. Diese Liga ist für alle teilnehmenden Klubs ein Gewinn.“

Immer wieder betont der umtriebige Manager, dass sein Verein konsequent auf den Nachwuchs setze. Man habe aus der Zeit gelernt, als vor fünf, sechs Jahre Topstars wie Ivano Balic (vorher Portland San Antonio), Mirza Dzomba (Ciudad Real) oder Kiril Lazarov (MKB Veszprém) zurückgeholt wurden und mit aller Macht die Champions League gewonnen werden sollte. Das ehrgeizige Vorhaben scheiterte letztendlich an der fehlenden Finanzkraft. „Wir haben unsere Vereinspolitik seitdem geändert. Erstens kosten Weltklassespieler einfach zu viel Geld. Und zweitens gibt es in Kroatien ein riesiges Reservoir an Talenten. Diese jungen Spieler haben es verdient, gefördert zu werden und eine Chance zu bekommen“, sagt Ancic.

Er ist felsenfest davon überzeugt, dass die junge Zagreber Auswahl, in der mit Zlatko Horvat praktisch nur noch ein halbwegs prominenter Spieler steht, eine große Zukunft vor sich hat. „Wir bauen ein Team auf, das in vier Jahren das Final Four der Champions League erreichen kann. Bis dahin werden wir die Zeit intensiv nutzen und jede Saison neue Talente einbauen.“ Selbst die Gefahr, dass die aufstrebenden kroatischen Jungstars vielleicht bald auf den Wunschzetteln der deutschen Klubs stehen könnten, bremst seinen Optimismus nicht: „Wenn uns jemand verlässt, dann ist das eben so. Aber so richtig sehe ich darin auch kein großes Problem. Talente gibt es bei uns in Kroatien genug.“

Von Marc Stevermüer