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Unerwarteter Abschied eines Erfolgsgaranten (MM)

Eine Bestätigung steht noch aus, aber Trainer Gudmundsson verlässt wohl die Löwen

MANNHEIM. Schock für die Rhein-Neckar Löwen vor dem heutigen Heimspiel (20.15 Uhr/SAP Arena) gegen den TBV Lemgo. Nach Informationen dieser Zeitung beendet Trainer Gudmundur Gudmundsson nach dieser Saison seine Tätigkeit beim badischen Bundesligisten, um Coach der dänischen Nationalmannschaft zu werden. Der Isländer ist eigentlich noch bis Juni 2015 vertraglich an die Gelbhemden gebunden, macht aber von einer Ausstiegsklausel Gebrauch. Für den kommenden Montag hat der dänische Verband und Gastgeber der EM 2014 eine Pressekonferenz angekündigt – und mehrere dänische Quellen bestätigten gegenüber dieser Zeitung, dass dort dann Gudmundsson als neuer Trainer vorgestellt wird.

Der Löwen-Coach, sonst selbst im geliebten Angelurlaub in der Heimat Tag und Nacht auf seinem Handy erreichbar, hatte gestern sein Mobilfunktelefon ausgeschaltet und war für keine Stellungnahme erreichbar. Auch Manager Thorsten Storm, normalerweise ein Kommunikationsprofi durch und durch, tauchte unter. E-Mails und Anrufe blieben unbeantwortet – was darauf hindeutet, dass Gudmundsson tatsächlich den Abflug macht und die Löwen noch nicht so recht wissen, wie sie mit dieser sensiblen Thematik umgehen sollen. Das Verhältnis zwischen Storm und Gudmundsson war zuletzt nicht immer frei von Spannungen – wohl auch deshalb zog der Isländer, der den Löwen trotz drastischer Etatreduzierung zuletzt die beste Saison der Vereinsgeschichte bescherte, die Reißleine. Antworten wird es spätestens heute Abend geben, nach dem Spiel gegen Lemgo müssen sich Trainer und Manager in der Pressekonferenz stellen.

Wohl keine Doppelfunktion

Erst vor einem Jahr hatte Gudmundsson seinen Rücktritt als isländischer Nationaltrainer erklärt, um sich voll und ganz auf seine Aufgabe bei den Löwen zu konzentrieren. Dies geschah schon damals auf sanften Druck der Klubführung, die sich mehr Erholung für den Familienvater in der spielfreien Zeit und die hundertprozentige Fokussierung auf seinen Hauptarbeitgeber erhoffte. Eine erneute Doppelpunktion als Bundesliga- und Nationaltrainer dürfte deshalb ausgeschlossen sein, weshalb sich die Wege nun wohl endgültig trennen werden.

Zuletzt waren auch Peter Bredsdorff-Larsen (zurzeit KIF Kolding-Kopenhagen), Nikolaj Jacobsen (zurzeit Aalborg) und der ehemalige Nationalspieler Klavs Bruun Jørgensen als dänische Nationaltrainer gehandelt worden. Doch Thomas Kristensen, renommierter Handball-Experte beim Fernsehsender TV 2, ist sich sicher: „Einige dänische Namen waren im Spiel, aber ich bin mir sicher, dass sie es nicht werden. Ich habe auch mehrere isländische Quellen – und es kann kaum wer anders sein als Gudmundur Gudmundsson.“ Im Gespräch sei mit Dagur Sigurdsson (zurzeit Füchse Berlin) auch ein anderer Isländer gewesen, doch Gudmundsson habe, so Kristensen, einen entscheidenden Vorteil: „Er beherrscht die Sprache.“ Zur Erinnerung: Bevor der 52-Jährige zu den Löwen wechselte, hatte er bis 2010 den dänischen Verein GOG Svendborg trainiert. Nun zieht es ihn offenbar zurück nach Skandinavien, was Kristensen nicht verwundert: „Das ist einer der drei interessantesten Nationaltrainer-Jobs auf der Welt. Es gibt viel Potenzial in diesem Team und viele Medaillen sind möglich. Das ist ein Traumjob.“

Der dänische Verband, so heißt es in Kopenhagen, habe den Nachfolger des jetzigen Nationaltrainers Ulrik Wilbek eigentlich erst im Februar und somit nach der EM im eigenen Land bekanntgeben wollen, damit sich die Mannschaft in Ruhe auf das Turnier und das Projekt Titelgewinn konzentrieren könne. Doch der neue Trainer habe darauf gedrängt, die Personalie früher öffentlich zu machen, damit sein jetziger Arbeitgeber in Ruhe einen neuen Trainer suchen könne. Und nun sieht es danach aus, dass Löwen-Manager Storm nicht nur die vielen Vertragsverlängerungen mit den Spielern verhandeln, sondern sich auch einen neuen Trainer suchen muss. Velimir Petkovic beendet am Saisonende bei Frisch Auf Göppingen seine Tätigkeit, nach der Pleite von Atlético Madrid ist Startrainer Talant Duschebajew ebenfalls auf dem Markt. Oder wird der bisherige Assistent Tomas Svensson sofort der neue Cheftrainer? Fest steht: Wer auch immer zu den Löwen kommt – er tritt ein schweres Erbe in einem schwierigen Umfeld an.

Von Marc Stevermüer