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„Viele sehen in mir den Bad Boy“ (Spiegel online/HM)

Mit der Handball-Nationalmannschaft verpasste Oliver Roggisch die Olympia-Qualifikation, trotzdem hat er noch viel vor. Im Interview mit dem „Handball-Magazin“ erklärt der 34 Jahre alte Abwehrspezialist, warum er bei den Rhein-Neckar Löwen auf Geld verzichtet und er manchmal ein schlechtes Image hat.

Frage: Herr Roggisch, wie haben Sie die Olympischen Sommerspiele in London verfolgt?

Roggisch: Die Eröffnungsfeier zu sehen, war ganz schwierig. Da hatte ich einen Kloß im Hals. Ich durfte Olympische Spiele in Peking miterleben, und ich habe am Fernsehen noch einmal realisiert, welche Möglichkeiten wir uns in Serbien genommen haben, weil uns ein Tor fehlte. Zum Schlusswochenende war ich als Zuschauer in London und hoffe, dass Deutschland 2016 in Rio de Janeiro wieder dabei sein wird. Eine deutsche Handball-Nationalmannschaft gehört einfach in ein olympisches Turnier.

Frage: Ist das für Sie als Sportler auch noch ein Ziel?

Roggisch: Das ist unglaublich weit weg. Aber ich sehe, wie lange Tomas Svensson gespielt hat. Oder Blacky Schwarzer (Christian Schwarzer, Anm. der Red.). Ich werde mir das Ziel nicht setzen. Und wenn ich merke, dass ich nicht mehr auf Bundesliga-Niveau spielen kann, höre ich sowieso auf. Aber wenn ich in zwei Jahren noch spiele, stecke ich mir das Ziel. Dann kann das noch einmal ein Ansporn sein.

Frage: Warum haben Sie sich entschieden, für weniger Geld bei den Löwen zu bleiben?

Roggisch: Natürlich habe ich auf Geld verzichtet, aber ich habe die vergangenen Jahre gut verdient und finde, man muss einen Teil zurückgeben. Ich hatte ja einige Angebote, unter anderem ein etwas längerfristiges der HSG Wetzlar, mit dem ich mich intensiv beschäftigt hatte. Jetzt habe ich einen Einjahresvertrag unterschrieben, weil ich einfach an das Projekt glaube und mich hier unglaublich wohl fühle. Ich bin in einem Alter, in dem ich nicht mehr alle zwei, drei Jahre mein Umfeld wechseln möchte. Und wenn es dem Karriereende entgegengeht, geht es um eine berufliche Perspektive – die sehe ich momentan bei den Rhein-Neckar Löwen.

Frage: Dass Sie den neuen Vertrag bei den Löwen bekommen haben, ist auch ein Kompliment für Fitness und Fortschritte im höheren Alter.

Roggisch: Ich hatte anderthalb Jahre, in denen ich körperlich nicht so fit war, wie ich mir das vorstelle. Wegen meines Rückens habe ich weniger trainieren können, habe zugenommen und bin ins Grübeln gekommen. Ich habe gemerkt, dass meine Zukunft in der Nationalmannschaft in Gefahr war. Aussagen wie „Der Rogg zerbröselt langsam“ haben mich zusätzlich motiviert. Das war die Spitze, den Leuten wollte ich es noch einmal zeigen.

Frage: Was haben Sie geändert?

Roggisch: Mit gezieltem Training habe ich meinen Rücken in den Griff bekommen. Die Physiotherapeuten haben mich jeden Tag angestachelt. Den Bizeps zu trainieren und gut auszusehen, ist die eine Sache, aber die Rückenmuskulatur vergisst man gern. Zudem habe ich mich bewusster ernährt und die eine oder andere Party weggelassen. Das ist natürlich auch eine Frage des Alters, nicht mehr jedes Wochenende unterwegs zu sein.

Frage: Hat Oliver Roggisch für sich eine neue Art der Disziplin entdeckt?

Roggisch: Kann man so sagen. Ich war zwar nicht total undiszipliniert, aber wenn du über 30 bist, machst du gewisse Dinge wie ein Wochenende mit wenig Schlaf nicht mehr so einfach. Du brauchst mehr Regenerationszeit. Ich bin so lange wie nie zuvor bei den Physiotherapeuten. Die anderen Jungs machen sich darüber schon lustig, aber ich muss einfach Zeit in meinen Körper investieren. Wenn du jung bist, fallen dir viele Dinge zu und du schwimmst mit auf der Erfolgswelle. Den Punkt mehr zu tun, habe ich längst erreicht – aber ich musste erst einmal erfahren, dass es bergab ging.

Frage: Sie haben sich ohnehin keine Rolle ausgesucht, in der Sie mit spielerischem Zauber glänzen können.

 

Roggisch: Viele sehen in mir den Bad Boy, der das schöne Handballspiel zerstört. Viele Abwehrspezialisten haben ein schwieriges Leben, weil sie neben der Drecksarbeit nicht im Angriff glänzen können. Ich probiere, durch meinen Einsatzwillen die Leute mitzureißen. Da kann ich mich austoben, obwohl die Mitspieler es nicht so gern sehen, wenn ich härter spiele als andere. Und auch die Schiedsrichter gehören dazu – die sehen nur den Roggisch, der hinten draufhaut. Deshalb ist der Job vielleicht ein wenig undankbar, aber ich habe mir das so ausgesucht.

Lesen Sie die ungekürzte Fassung des Interviews in der aktuellen Ausgabe des „Handball-Magazins“.

Das Interview führte Tim-Oliver Kalle