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„Vollgas, Herz und Leidenschaft“

Löwen-Geschäftsführer Thorsten Storm vor dem letzten Heimspiel gegen die MT Melsungen im Interview

Die Rhein-Neckar Löwen treffen am Mittwoch im letzten Heimspiel der Saison 2013/14 auf die MT Melsungen. Anwurf der Partie ist um 20.15 Uhr (die Halle öffnet um 18.45 Uhr, es gibt noch Tickets an der Abendkasse). Vor dem Duell mit den Nordhessen  sprachen wir mit Löwen-Geschäftsführer Thorsten Storm.

Herr Storm, auch wenn noch zwei Spiele ausstehen – die zurückliegende Saison wird sportlich betrachtet sicher als eine der aufregendsten und erfolgreichsten in die Geschichte der Rhein-Neckar Löwen eingehen. Sehen Sie das ähnlich?

Thorsten Storm: Was sich bei den Löwen zusammengefügt hat, ist eine wunderbare Geschichte. Es wurden viele gute Entscheidungen getroffen und das Fundament für eine ebenso gute Zukunft ist vorbereitet.

Wo sehen die Gründe für diesen Aufschwung?

Storm: Wir standen vor dem Aus und haben dann alle Beteiligten mit in die Verantwortung genommen. Die wichtigsten Personen sind nicht weggelaufen, wie es oft der Fall ist, wenn Probleme größer werden. Auch die Mannschaft weiß, worum es geht und welche Aufgabe sie im Gesamtkonstrukt Löwen hat.

Der Verein hat mit dieser Mannschaft zudem viele neue Sympathien gewonnen, was Ihnen sicher ebenso wichtig sein dürfte, oder?

Storm: Ich sehe es eher andersherum: Es war ja auch nicht schwer, uns vorher unsympathisch zu finden. Dazu gab es genügend Gründe. Wir sind jetzt mittlerweile ein ganz anderer Verein.

Falls es heute mit einem Sieg gegen Melsungen klappt, hätten die Löwen alle 17 Heimspiele gewonnen. Macht sich das beim Zuschauerschnitt und bei der Sponsoren-Stimmung bemerkbar?

Storm: Wenn wir nicht so eine Flut von Terminen und vor allen Dingen auch Terminänderungen hätten, wären noch viel bessere Zuschauerzahlen möglich – den sportlichen Erfolg und die Attraktivität der Gegner immer vorausgesetzt. Bei den Sponsoreneinnahmen waren wir schon seit jeher im Bundesligaschnitt ganz vorne mit dabei.

Trotz der sportlichen Erfolge klang zwischendurch immer wieder an, dass sich die Löwen mit Blick auf die wirtschaftliche Situation noch lange nicht zurücklehnen können. Wie würden Sie den aktuellen Stand beschreiben?

Storm: Der Handball insgesamt wird in den kommenden Jahren kleinere wirtschaftliche Etats haben. Das gilt auch für die Löwen. Absolute Spitzenspieler werden weiterhin gut bezahlt. Allerdings wird die zweite Besetzung in einem Kader weniger verdienen. Wir haben die Kosten in einem Stufenplan ja schon um ein Viertel des Etats reduziert. Im nächsten Jahr geht es nochmals ein Stück in die gleiche Richtung. Unser Potenzial liegt bei den Zuschauereinnahmen. Schaffen wir hier eine Steigerung auf einen Schnitt von 10 000 Fans pro Spiel, kann es auch den einen oder anderen Spitzenspieler mehr geben.

Was erhoffen Sie sich von den letzten beiden Spielen?

Storm: Dass unser Team wieder sein Ding durchzieht. Nicht rechts oder links schaut, sondern fokussiert noch zweimal 60 Minuten Vollgas, Herz und Leidenschaft zeigt. Und vor allem: den absoluten Willen als verschworene Einheit auf der Platte an den Tag legt.

Was bleibt Ihnen als emotionalster Moment dieser Spielzeit in positiver Erinnerung?

Storm: Es war die eine Woche im April. Und zwar die mit dem Final Four in Hamburg sowie den beiden Heimsiegen in der Bundesliga gegen den THW Kiel und in der Champions League gegen den FC Barcelona. Wie sich unsere Mannschaft nach der Enttäuschung im DHB-Pokal dann in der Liga zurückgemeldet hat und wenige Tage später gegen den Rekordgewinner in der europäischen Königsklasse für eine Sternstunde gesorgt hat, das werde ich niemals vergessen. Die über 26 000 Zuschauer, die wir an beiden Tagen gegen den THW und die Katalanen in der SAP Arena begrüßen durften, wohl auch nicht.

Sind die Enttäuschungen mit Blick auf das Final Four und das hauchdünne Champions-League-Aus gegen Barcelona mittlerweile verdaut? Der irre Liga-Endspurt lässt den Blick zurück eigentlich gar nicht mehr zu, oder?

Storm: Im Final Four in Hamburg hatten wir leider einen der ganz wenigen schlechten Tage in dieser Saison. Das ist schade, passiert aber. Das Aus in Barcelona hatte für uns alle einen bitteren Beigeschmack, weil wir bereits im Vorfeld kein gutes Gefühl bei der Ansetzung zweier unerfahrener Referees bei einem erwartet harten und emotionalen Rückspiel hatten und leider dann auch in Barcelona bestätigt wurden. Aber auch das Viertelfinale war ein Erfolg im Kreise der besten Teams. Trotzdem freuen wir uns alle auf den Endspurt in der Liga und den Titelkampf. Es ist schon jetzt eine Supersaison für uns. Die Frage ist nun, ob es jetzt eine Supersaison wird, für die wir auch am Ende belohnt werden.

Sieben Spieler verlassen den Klub, es kommt ein neuer Trainer und einige junge Profis dazu. Befürchten sie ein Jahr des Umbruchs?

Storm: Ein Umbruch ist kurzfristig immer zunächst ein Einschnitt oder auch ein Rückschritt, aber langfristig muss er sowieso gemacht werden – und richtig gemacht, ist es ein Schritt nach vorne. Es ist wirtschaftlich ohnehin nicht anders machbar und ich denke, dass unser neuer Trainer Nikolaj Jacobsen auch zur neuen Mannschaft passen wird. Aber alles wird seine Zeit brauchen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Liga ein. Zuletzt geriet ein Spitzenverein wie Hamburg in Schieflage. Steht der Handball in Deutschland noch auf gesunden Beinen?

Storm: Deutschland ist das Flaggschiff im Welthandball. Es gibt keine vergleichbare Liga, wenn man alle 18 Klubs insgesamt betrachtet. Die meisten europäischen Spitzenclubs sind nur auf die Champions League ausgerichtet. Als Meister ihrer nationalen Liga stehen sie eigentlich schon fest. Wenn es keine Modifizierung der Gesamtsituation gibt, wird es am Ende auf eine ganzjährige Europaliga oder vielleicht sogar Weltliga hinauslaufen, damit der Profihandball wirtschaftlich machbar ist.

Nach dem Saisonfinale geht es zwei Wochen später dann mit dem WM-Play-Offs gegen Polen weiter. Für den deutschen Handball steht dort einiges auf dem Spiel.

Storm: Polen und Deutschland gehören eigentlich beide auf eine Handball-WM. Aber ein Team wird zuhause bleiben müssen und ich hoffe, dass wir dieses Mal wieder dabei sind. Das würde allen helfen. Aber es werden zwei enge Kisten.

In der Sommerpause werden Sie sicher auch nicht untätig sein. Was steht im Juni/Juli an?

Storm: Zwei bis drei Tage abschalten direkt nach dem letzten Spiel. Dann Aufarbeitung der aktuellen Saison und letzte Abstimmung der Vorbereitung und der kommenden Serie. Und natürlich Tickets verkaufen und Sponsoren gewinnen… Alles andere wird sich ergeben.

Zu Beginn der nächsten Saison steigt dann der „Tag des Handballs“ in Frankfurt. Wie ist hier der Stand der verkauften Tickets und kann so eine Aktion auch nachhaltigen Einfluss auf die Sportart haben?

Storm: Wir spüren eine flächendeckende und große Zustimmung und Unterstützung. Viele Handballer haben die Zeichen der Zeit erkannt und es geht den Löwen oder mir wirklich nicht darum, sich in ein besseres Licht zu stellen. Unsere SAP Arena ist wahrlich groß genug für Handballspiele, aber hier geht es um mehr. Wir brauchen positive Signale über die Medienlandschaft und direkt in das Handballherz der kleinen Handballer. Alle sitzen in einem Boot. Es geht nur gemeinsam.