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Von der Vergangenheit eingeholt

Mannheim. Sie drehten sich immer wieder im Kreis. Manche klatschten, andere winkten euphorisiert ins weite Rund der Mannheimer SAP Arena: Am Mittwochabend, unmittelbar nach dem 36:28-Sieg gegen den TSV Hannover-Burgdorf, formierten sich die Rhein-Neckar Löwen zur Ehrenrunde. Die Badener genossen den Moment des Augenblicks. Er zauberte ihnen ein Lächeln ins Gesicht. Eigentlich fehlte nur einer. Einer, der sich fluchtartig verabschiedet hatte. Gemeint ist Olafur Stefansson. Ihm war nicht nach Lachen, nicht nach Jubel, Trubel, Heiterkeit. Der Isländer war der Erste, der in Richtung Kabinentrakt stapfte. Die Schultern hängend, der Kopf gesenkt.

In ihm hatte sich einiges angestaut. Es brodelte: „Die zweite Halbzeit endete mit einem 15:15_Unentschieden“, rechnete der Altmeister kopfschüttelnd hoch. „So etwas geht einfach nicht, mich ärgert das, weil es absolut unnötig war.“ Siegen allein reicht ihm nicht. Er ist ein Perfektionist. Immer auf der Suche nach dem Optimum, der ultimativen Leistung. Ihn traf am durchwachsenen zweiten Abschnitt keine Schuld. Der Isländer wurde geschont. Nach einem Pferdekuss, den Stefansson während des Champions-League-Krachers in Barcelona verpasst bekam, ging Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson auf Nummer sicher. Er gönnte seinem Star eine Pause.

Patrick Groetzki ersetzte ihn. Für den Karlsruher war es eine große Herausforderung. Und zugleich wohl auch eine Art Vorgeschmack. Denn Groetzki auf Halbrechts, das ist für Gudmundsson alles andere nur keine Notlösung. Der isländische Trainerfuchs schwört auf „Johnny“. Er sagt: „Patrick kann das. Da bin ich mir ganz sicher, er muss da nur noch ein wenig rein wachsen.“ Und zudem möglichst noch das eine oder andere Kilogramm an Körpergewicht zulegen. Andernfalls hat er es im Rückraum schwer: Seine Klasse braucht noch Masse, um im Kampf Mann gegen Mann gezielt eingesetzt werden zu können.

Am Samstagabend, wenn die Löwen ihre nächste Champions-League-Gala anvisieren, wird Groetzki sicher erneut eine Alternative auf Halbrechts sein. Wobei Stefansson beim Gastspiel in Celje (20.15 Uhr) wohl wieder zur Verfügung steht. „Es geht mir von Tag zu Tag besser“, versichert der 37-Jährige.

Das ist gut so. Denn gerade einen wie ihn braucht Gudmundsson in Slowenien. Dort sind Typen ohne Nerven, mit ganz viel Erfahrung gefragt. In Celje weht ein rauer Wind. Der Trainerwarnt: „Wir müssen uns auf einen unglaublichen Hexenkessel gefasst machen. In solch einer Atmosphäre ist ein kühler Kopf gefragt.“

Ganz nebenbei werden die Gelbhemden in Celje auch von der eigenen Vergangenheit eingeholt. Unschöne Erinnerungen werden wach. Erinnerungen an einen Masterplan, der bis ins kleinste Detail ausgeheckt war, aber letztlich nie umgesetzt wurde: Der RK Celje, das sportliche Aushängeschild der 50.000-Einwohnerstadt, wird von Noka Serdarusic trainiert. Eben genau von dem Mann, mit dem die Löwen die Handball-Welt in Sturm erobern wollten.

Doch der (angebliche) Bestechungsskandal um den THW Kiel, wo Serdarusic einst einen Titel nach dem anderen gewann, machte den Löwen einen Strich durch die Rechnung. Manager Thorsten Storm erinnert sich noch genau an dieses Kapitel: „Es ist doch klar, dass dies nun ein besonderes Spiel ist. Das hängt aber nicht nur mit Noka zusammen. Denn ich gehe von einem Duell auf Biegen und Brechen aus.“

Das Celje-Abenteuer beginnt für die Löwen heute mit dem Hinflug. Vor Ort wird dann alles etwas chaotisch. „In Celje findet derzeit eine riesige Hundeausstellung statt“, berichtet Storm, „für uns war es deshalb unmöglich, ein zentral gelegenes Hotel zu buchen.“

Doch davon will man sich nicht beirren lassen. Konzentration lautet das Zauberwort. Das Ziel ist klar: „Wir möchten immer gewinnen“, betont Storm selbstbewusst: „Egal wo und egal gegen wen.“

Von Daniel Hund

 01.10.2010