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Weltklasse gastiert in Wetzlar (GAZ)

Kai Wandschneider macht etwas, was im Bundesliga-Geschäft eher selten ist. Vor der Partie seiner HSG Wetzlar gegen die Rhein-Neckar Löwen (heute, 19.45 Uhr, Rittal-Arena) outet sich der 55-jährige Sportwissenschaftler als Fan des Gegners. Die Löwen seien eine »tolle Mannschaft«, die »begeisternden Handball« spiele, sagt der Coach locker mit einem Grinsen im Gesicht. »Ich bin Fan.« Die Atmosphäre bei den Grün-Weißen ist trotz nur sechs Zählern Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz relativ entspannt. Auch wenn Wandschneider ankündigt, den Mannheimern 60 Minuten lang nichts schenken zu wollen, gegen den mit Weltklasse-Spielern besetzten deutschen Vizemeister haben die Mittelhessen kaum etwas zu verlieren.

Mit zwei Zählern Rückstand auf den THW Kiel, den der HSG-Übungsleiter ebenfalls ob des attraktiven Handballs bewundert, stehen die Löwen auf Rang zwei der Liga. Allerdings hat die Truppe von Trainer Nicolaj Jacobsen noch ein Spiel in der Hinterhand. Somit wird die Meisterschaft wohl ähnlich wie im Vorjahr über die Tordifferenz entschieden. Da haben die Kieler derzeit satte 47 Treffer Vorsprung. »Eine mögliche Meisterschaft für die Rhein-Neckar Löwen geht nur über die Punkte«, ist sich Wandschneider sicher und fügt an: »Die werden das voll zu Ende spielen und bei Führung sicher nicht sagen: ›Das haben wir gewonnen.»« Die Möglichkeit, dass die Löwen besonders hoch gewinnen wollen, um die Meisterschaft doch noch über die Tordifferenz zu entscheiden, und dabei verkrampfen, sieht der gebürtige Hamburger nicht. Somit müssen die Mannheimer auf einen Ausrutscher des aktuellen Meisters hoffen – und selbst alles gewinnen.

Der Übungsleiter der Grün-Weißen ist nicht nur ein Freund des gepflegten Handballs der Löwen, sondern auch von Statistiken. Die hat er stets im Kopf. »Gegen Mannheim habe ich in meiner Karriere immer nur verloren. Ob mit Dormagen oder jetzt mit Wetzlar.« Jüngst bei der 20:27-Niederlage im Hinspiel. Um daran etwas zu ändern, muss bei der HSG alles optimal laufen – und die Jacobsen-Truppe zudem einen schlechten Tag erwischen. Dass Letzteres möglich ist, zeigen nicht zuletzt die Niederlagen in Erlangen und beim Bergischen HC. Doch Wandschneider sagt ganz klar: »Wir sind Außenseiter.« Immerhin stehen dem Coach bis auf Max Holst alle Spieler zur Verfügung.

Die Gäste sind auf jeder Position erstklassig besetzt, haben mit Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki eine Flügelzange mit Weltklasseformat. Auf der Spielmacherposition zieht Andy Schmid die Fäden, der besonders im Zusammenspiel mit Kreisläufer Bjarte Myrhol »Maßstäbe setzt«, wie Wandschneider schwärmt. Alexander Petersson und Kim Ekdahl du Rietz komplettieren mit Keeper Niklas Landin die Startsieben der Gäste, die personell aus dem Vollen schöpfen können. Dahinter reihen sich klangvolle Namen wie Stefan Kneer, Gedeon Guardiola oder Mads Mensah Larsen ein. Trotz der Favoritenrollen gibt sich Löwen-Geschäftsführer Lars Lamadé zurückhaltend und spricht von einer »schweren Aufgabe« in Wetzlar.

Taktisch erwartet die HSG, die sich auf eine ausverkaufte Halle freuen kann, eine isländische 6:0-Abwehr, ein schneller Gegenstoß und flüssiges, passsicheres Positionspiel. Besonders gefährlich ist – wie bereits erwähnt – die Achse Schmid/Myrhol. Auch Wandschneider weiß: »Der fängt am Kreis jeden Ball.«